Entscheidungsdatum: 08.11.2013
Die vorläufige Amtsenthebung kann bei einem bisher disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Notar geboten sein, wenn dieser durch Verabredung "gestalterischer Vorkehrungen" für die Durchführung künftig beabsichtigter Beurkundungen von Kettenkaufverträgen die gemäß § 14 Abs. 2 BNotO verbotene Amtsausübung verschleiert.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des 2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. September 2013 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Streitwert: 25.000 €
I.
Der Beschwerdeführer ist Notar mit Amtssitz in X. Er ist seit 1980 als Rechtsanwalt zugelassen und wurde 1989 zum Notar bestellt. Im Jahre 2004 gründete er eine eigene Kanzlei. Der Beschwerdeführer ist nicht vorbestraft. Er ist bislang disziplinarisch rechtskräftig nicht belangt worden.
Die Staatsanwaltschaft erhob am 11. Februar 2011 Anklage zum Landgericht gegen den Beschwerdeführer und weitere Angeschuldigte. Der Anklage liegt der Vorwurf zugrunde, dass der Beschwerdeführer in zwei Fällen notarielle Beurkundungen vorgenommen und dadurch Eigentumsübertragungen als Voraussetzung für Darlehensgewährungen durch eine kreditgebende Bank ermöglicht habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass die Immobilien überfinanziert sind.
Der Präsident des zuständigen Landgerichts leitete mit Verfügung vom 6. April 2011 ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer ein und setzte dieses bis zur Beendigung des Strafverfahrens aus. Von einer vorläufigen Amtsenthebung wurde vorerst abgesehen. Mit Urteil vom 2. Februar 2012 sprach das Landgericht D. den Beschwerdeführer der Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen schuldig und verurteilte ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist am 19. April 2012 beim Beschwerdegegner eingegangen. Dieser teilte dem Beschwerdeführer unter Einräumung einer Frist zur Stellungnahme mit, dass er beabsichtige, ihn vorläufig des Amts eines Notars zu entheben. Dem ist der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19. Juni 2012 entgegengetreten. Mit Verfügung vom 25. Juli 2012 hat der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts D. vorläufig des Amtes enthoben. Wegen Einzelheiten der Begründung wird auf die Verfügung vom 25. Juli 2012 Bezug genommen. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsätzen vom 29. August 2012 und klarstellend vom 22. Oktober 2012 die Aussetzung der vorläufigen Amtsenthebungsverfügung beantragt.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat durch Beschluss vom 13. März 2013 (2 StR 275/12) das Urteil des Landgerichts D. aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Oberlandesgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 3. September 2013 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Notar mit der Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 67 Abs. 3 BDG, § 146 Abs. 1, 4 VwGO). Es hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag mit Recht zurückgewiesen.
1. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 38 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Notar gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig seines Amtes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Amt des Notars erkannt werden wird. Die vorläufige Amtsenthebung setzt weiterhin voraus, dass die Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist und dass sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BGH, Senat für Notarsachen, Beschluss vom 28. Juli 2008 - NotSt(B) 1/08, ZNotP 2008, 416, juris Rn. 22 zu § 83 HDO mwN).
2. Diese Voraussetzungen waren bei der Anordnung der Maßnahme durch den Beschwerdegegner gegeben und liegen auch weiterhin vor.
a) Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Notar aufgrund der ihm vorgeworfenen schweren Dienstvergehen endgültig aus dem Amt entfernt werden wird.
aa) Verletzt der Notar schuldhaft die ihm obliegenden Amtspflichten, begeht er ein Dienstvergehen (§ 95 BNotO). Als schwerste Maßnahme kann im Disziplinarverfahren die Entfernung aus dem Amt verhängt werden (§ 97 Abs. 1 BNotO). Diese Maßnahme kommt nur in Betracht, wenn der Notar in einer Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat, dass sein Verbleiben im Amt untragbar ist. Ein solches schwerwiegendes Dienstvergehen steht im Streitfall in Rede.
Aufgrund seiner Rechtspflegefunktion ist der Notar angewiesen auf Achtung und Vertrauen der Bevölkerung. Gefährden seine Handlungen das entgegengebrachte Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Rechtmäßigkeit seiner Amtsführung, so ist der Kernbereich des Notaramts betroffen, und die entsprechenden Pflichtverletzungen wiegen besonders schwer. Der Notar muss seine Mitwirkung bei Handlungen versagen, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden, § 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG (BGH, Senat für Notarsachen, Beschlüsse vom 2. Juli 1984, NotZ 4/84, DNotZ 1985, 487 und vom 17. November 2008 - NotZ 13/08, DNotZ 2009, 290, 291; Herrmann in Schippel/Bracker, BNotO 9. Aufl. § 95 Rn. 15). Eine auf Umgehung der gemäß § 14 Abs. 2 BNotO verbotenen Amtsausübung ausgerichtete Dienstausübung ist mit dem Amt des Notars nicht vereinbar. Hierdurch geht das Vertrauen in die Integrität des Notars endgültig verloren.
bb) Der Senat teilt im Streitfall die Beurteilung des Oberlandesgerichts, dass die im Hinblick auf die Wahrnehmung der Dienstpflichten und des Verhaltens des Beschwerdeführers im bisherigen Verfahren zutage getretene Nachlässigkeit die Besorgnis begründet ist, dass auch künftig Urkundsbeteiligte durch eine entsprechende Sachbehandlung geschädigt werden könnten und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars sowie die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege bei der Belassung im Amt nachhaltig beeinträchtigt werden würden. Die nicht bestrittenen Geschehensabläufe und die hierzu abgegebenen Erklärungen des Beschwerdeführers rechtfertigen diese Annahme trotz der Aufhebung des Urteils des Landgerichts D. durch den Beschluss des 2. Strafsenats des Bundesgerichthofs vom 13. März 2013 (2 StR 275/12) weiterhin.
Bereits am 8. April 2009 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen eines gegen ihn geführten weiteren Ermittlungsverfahrens wegen Kreditbetruges von der ihn vernehmenden Staatsanwältin darauf hingewiesen, dass die Beurkundung von Kettenkaufverträgen mit erheblichen Differenzen zwischen dem An- und Verkaufspreis auch für den Notar strafrechtlich relevant sein könne. Gleichwohl hat der Beschwerdeführer nach den im Strafverfahren getroffenen und auch nicht in Abrede gestellten Feststellungen am 22. Juli 2009 und am 24. September 2009 solche Kaufverträge beurkundet, wobei die Beurkundung des Verkaufs im zuletzt genannten Fall taggleich geplant war, aber daran scheiterte, dass der Verkäufer nicht anwesend war. Für beide Grundstücke wurden zugleich Grundschulden bestellt, die sich an dem höheren Verkaufspreis des zweiten Vertrags orientierten. Auf den Hinweis in einem im Dezember 2009 übersandten Rundschreiben der Notarkammer, dass die Mitwirkung eines Notars an Kettenkaufverträgen mit unerklärlichen Preissteigerungen strafrechtlich relevant sei und den Verlust des Notaramtes nach sich ziehen könne, reagierte der Beschwerdeführer mit einem Schreiben vom 28. Januar 2010 an den Immobilienverkäufer A., der bereits in den vorangegangen Fällen als Immobilienkäufer aufgetreten war und der offenbar bereits die Beurkundung eines weiteren Kettenkaufvertrags durch den Beschwerdeführer angebahnt hatte. Unter Bezugnahme auf den Inhalt des Rundschreibens wies der Beschwerdeführer den A. darauf hin, dass die unmittelbare erhebliche Wertsteigerung einer gewissen Begründung bedürfe oder aber die Verträge nicht unmittelbar nacheinander abgewickelt werden sollten.
Der Senat sieht in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht darin "gestalterische Vorkehrungen" für die Durchführung künftig beabsichtigter gleichgelagerter Beurkundungsvorgänge. Er teilt die Meinung des Oberlandesgerichts und des Beschwerdegegners, dass es schlichtweg nicht vorstellbar ist, dass ein in Grundstücksgeschäften erfahrener Notar angesichts der erheblichen Differenzen zwischen Ankaufs- und Verkaufspreisen der jeweiligen Kaufverträge, für die es keinerlei nachvollziehbare Erklärungen gibt, geglaubt haben könnte, bei den von ihm beurkundeten Verträgen gehe alles mit rechten Dingen zu.
cc) Vergeblich beruft sich der Beschwerdeführer auf die Aufhebung des verurteilenden Erkenntnisses des Landgerichts als ihm günstig. Das gegen den Beschwerdeführer laufende Strafverfahren ist für das Disziplinarverfahren allerdings insoweit präjudiziell, als eine rechtskräftige Verurteilung kraft Gesetzes den Verlust des Amtes eines Notars zur Folge haben kann, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf (§ 49 BNotO, § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG). Unabhängig von der strafrechtlichen Verurteilung lassen die Pflichtverletzungen und die Einlassung sowie der Inhalt des Schreibens an A. befürchten, dass es dem Beschwerdeführer am erforderlichen Grundverständnis für seine Amtspflichten mangelt.
Nach den der Anklage zugrundeliegenden nicht streitigen objektiven Sachverhalten hat der Beschwerdeführer vorsätzlich an schädigenden Handlungen zu Lasten der kreditgebenden Bank bei Immobiliengeschäften mitgewirkt. Aus dem oben genannten Schreiben an A. ergibt sich, dass er - ungeachtet des Hinweises der Notarkammer - weiterhin unter Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO beurkunden wollte. Die vom Beschwerdeführer dagegen angestellten juristischen Überlegungen, dass der Bank kein Schaden durch seine Tätigkeit entstanden sei, weil durch ihn lediglich die Kaufverträge beurkundet worden seien, nachdem die Kreditentscheidungen bereits gefallen waren, greifen nicht durch. Der - unwiederbringliche - Vertrauensverlust ist schon allein durch die unzulässigen Beurkundungen eingetreten. Zutreffend weist das Oberlandesgericht darauf hin, dass die notariellen Beurkundungen der Verträge Voraussetzung dafür waren, dass die Kreditentscheidungen durch Auszahlung der Darlehensbeträge tatsächlich umgesetzt wurden. Gehört werden kann auch nicht der Einwand des Beschwerdeführers, dass, hätte er nicht die Verträge beurkundet, die handlungsberechtigten Banksachbearbeiter wegen des anrüchigen Boni-Systems für akquirierte Darlehensverträge einen anderen Notar mit den Beurkundungen beauftragt hätten. Das dem Beschwerdeführer anzulastende schwerwiegende Dienstvergehen bleibt davon unberührt, dass - nach seiner Behauptung - sich andere Notare auf unzulässige Beurkundungen eingelassen und ihrerseits dadurch in schwerwiegender Weise ihre Dienstpflichten verletzt hätten.
b) Erfolglos moniert die Beschwerde, der angegriffene Beschluss missachte das Gebot der Erforderlichkeit. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 3. September 2013 an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Unter den Umständen des Streitfalls ist die vorläufige Dienstenthebung zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich und geboten.
c) Der Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verstößt nicht gegen das damit verbundene Übermaßverbot. Dass der Beschwerdeführer bisher disziplinarrechtlich unbelastet war, rechtfertigt keine positivere Beurteilung. Die durch das Schreiben an den Immobilienverkäufer A. belegte Nachhaltigkeit und die Schwere der Verfehlungen erweisen die vorläufige Amtsenthebung weiterhin als geboten. Die Suspendierung des Notars bis zur Entscheidung über die endgültige Amtsenthebung im Disziplinarverfahren ist das angemessene und erforderliche Mittel, um im Recht suchenden Publikum das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege zu erhalten und weiteren Nachteilen vorzubeugen. Die Aussetzung des Disziplinarverfahrens steht der vorläufigen Maßnahme nach § 38 BDG nicht entgegen (vgl. Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl. § 22 Rn. 9). Sie entspricht der Vorschrift in § 22 Abs. 1 Satz 1 BDG, § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO. Danach ist das Disziplinarverfahren, sobald im Strafverfahren wegen desselben Sachverhalts Klage erhoben wird, ausgesetzt. Angesichts der bisherigen Dauer ist mit Rücksicht auf das Strafverfahren die vorläufige Maßnahme auch nicht unverhältnismäßig. Nachdem die Strafsache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden ist, ist vielmehr damit zu rechnen, dass das Strafverfahren in absehbarer Zeit abgeschlossen werden wird. Mit der Entscheidung über die endgültige Entfernung des Beschwerdeführers aus seinem Amt kann sodann alsbald gerechnet werden.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer (§ 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 154 Abs. 1 VwGO). Der Festsetzung des Streitwerts hat der Senat wegen des vorläufigen Charakters der angefochtenen Amtsenthebung die Hälfte des in § 111g Abs. 2 Satz 1 BNotO bestimmten Regelbetrags zugrunde gelegt.
Galke Diederichsen Herrmann
Strzyz Frank