Entscheidungsdatum: 11.12.2018
Die Beschwerde der Betroffenen zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. August 2017 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde einschließlich der notwendigen Auslagen des Bundeskartellamts werden den Betroffenen zu 1 und 2 auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 30 Millionen € festgesetzt.
I. Die Betroffene zu 1 (EDEKA) und die Betroffene zu 2, die Netto Marken-Discount AG & Co. KG, beabsichtigten, von den Betroffenen zu 3 und 8 die Geschäftsanteile an den Betroffenen zu 4 bis 7 (nachfolgend zusammenfassend: KT) zu erwerben und damit insbesondere die von KT betriebenen Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte zu übernehmen. Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlussvorhaben als einheitlichen Vorgang gewertet und mit Beschluss vom 31. März 2015 untersagt, weil die beabsichtigte Fusion eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung sowohl auf der Absatzseite in einzelnen Regionen als auch auf mehreren Beschaffungsmärkten des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland erwarten lasse. Auf der Absatzseite hat das Bundeskartellamt die Untersagungsvoraussetzungen unter anderem in mehreren Berliner Stadtbezirken, darunter im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, bejaht.
Gegen die Untersagungsentscheidung des Bundeskartellamts haben die Betroffenen Beschwerde eingelegt. Am 9. März 2016 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie den Zusammenschluss unter Nebenbestimmungen erlaubt (§ 42 GWB). Die Ministererlaubnis ist bestandskräftig geworden. Die Betroffenen haben den Zusammenschluss nach Erfüllung aufschiebender Bedingungen vollzogen. Daraufhin haben die Betroffenen zu 4 bis 7 ihre Beschwerden für erledigt erklärt; die Betroffenen zu 3 und 8 haben ihre Beschwerden als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden weiterverfolgt. Die Betroffenen zu 1 und 2 haben ihre Anfechtungsbeschwerden aufrechterhalten und hilfsweise die Feststellung begehrt, dass die Untersagungsverfügung vom 31. März 2015 rechtswidrig gewesen sei.
Das Beschwerdegericht hat die noch anhängigen Beschwerden zurückgewiesen und im Übrigen über die Kosten entschieden. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Betroffenen zu 1 und 2 mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Das Beschwerdegericht (OLG Düsseldorf, NZKart 2017, 542) hat seine Entscheidung, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die von den Betroffenen zu 1 und 2 weiterverfolgten Anfechtungsbeschwerden seien unzulässig, weil die Betroffenen durch die Untersagung des Zusammenschlussvorhabens nicht mehr materiell beschwert seien. Dass die Ministererlaubnis auch unter auflösende Bedingungen mit einer Geltungsdauer von fünf Jahren gestellt worden sei, ändere nichts, da der Eintritt oder Nichteintritt dieser Bedingungen ausschließlich vom Willen und Verhalten der beiden Erwerberinnen abhänge.
Die hilfsweise verfolgten Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden seien zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses zwar zulässig, aber unbegründet.
Das Bundeskartellamt habe den Zusammenschluss gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB mit Recht untersagt. Die Beschwerden seien schon deshalb zurückzuweisen, weil der Zusammenschluss sowohl im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg als auch in den Ortsteilen Friedrichshain und Kreuzberg zu einer marktbeherrschenden Stellung der EDEKA geführt hätte. Die sachliche und räumliche Marktabgrenzung des Bundeskartellamts sei zutreffend. Betroffen sei der Markt des Einzelhandels mit einem Lebensmittelsortiment in seiner typischen Zusammensetzung. Die Annahme eines einzigen räumlichen Lebensmitteleinzelhandelsmarktes für das gesamte Stadtgebiet von Berlin scheide aus. Der Marktanteil der EDEKA wäre durch den Zusammenschluss von 30 bis 35% auf 60 bis 65% gestiegen. Insgesamt gesehen wäre die fusionsbedingt entstehende Marktposition der EDEKA unangreifbar gewesen.
III. Die nach § 75 GWB statthafte und auch sonst zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Sache wirft weder entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 74 Abs. 2 GWB).
1. Ohne Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung hinsichtlich der Frage geltend, ob die Erteilung einer Ministererlaubnis nach § 42 GWB dazu führt, dass sich eine parallel eingeleitete Anfechtungsbeschwerde erledigt.
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung stellt sich insoweit nicht. Einen Meinungsstreit zu der von ihr formulierten Frage vermag die Nichtzulassungsbeschwerde nicht aufzuzeigen. Zwar kann sich die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage bereits aus dem besonderen Gewicht der Frage für die beteiligten Verkehrskreise ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2003 - V ZB 9/03, WM 2004, 491 f.; Beschluss vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 138). Ein solches Gewicht kommt der hier nach den Umständen des Falles maßgeblichen Frage nach einer fortdauernden Beschwer infolge auflösender Bedingungen, mit denen ein von den betroffenen Unternehmen ohnehin nicht beabsichtigtes Verhalten erfasst wird, indessen nicht zu.
Ob eine gegen die Untersagung eines Zusammenschlussvorhabens gerichtete Anfechtungsbeschwerde nach der Erteilung einer Ministererlaubnis unzulässig wird, weil die Untersagung die betroffenen Unternehmen nicht mehr beschwert, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Ausgestaltung der Ministererlaubnis und ihrer Nebenbestimmungen ab. Das Beschwerdegericht hat die besonderen Umstände des Streitfalls, namentlich die auflösenden Bedingungen der erteilten Ministererlaubnis gewürdigt und hierauf seine Entscheidung gestützt.
Im Übrigen hat das Beschwerdegericht mit seinen Ausführungen zu dem hilfsweisen Fortsetzungsfeststellungbegehren der Betroffenen zu 1 und 2 die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsentscheidung bejaht. Auch insoweit liegen, wie noch auszuführen sein wird, keine Zulassungsgründe vor.
2. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf die vom Bundeskartellamt so bezeichnete, den Einfluss von Ladeneröffnungen oder -schließungen untersuchende "Event-Analyse" eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts der Betroffenen beanstandet, besteht ebenfalls kein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Ein Verstoß des Beschwerdegerichts gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör rechtfertigt für sich genommen nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Läge er vor, wäre die Rechtsbeschwerde nämlich gemäß § 74 Abs. 4 Nr. 3 GWB auch ohne Zulassung eröffnet (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - KVZ 41/05, juris Rn. 14). Im Übrigen wirft die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die "Event-Analyse" weder eine Frage grundsätzlicher Bedeutung auf, noch verletzt sie den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör.
a) Dass die Betroffenen zu 1 und 2 die "Event-Analyse", auf deren Inhalt sie im Lauf des Verfahrens selbst Bezug genommen haben, als solche nicht hätten einsehen können, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend. Dass den Betroffenen zu 1 und 2 das zugrundeliegende Datenmaterial (die Rohdaten) nicht zugänglich gemacht wurden, begründet keinen Zulassungsgrund.
Gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 GWB hat die Kartellbehörde die Zustimmung zur Einsicht in die ihr gehörigen Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist. Wird die Einsicht abgelehnt oder ist sie unzulässig, dürfen diese Unterlagen der Entscheidung nur insoweit zugrunde gelegt werden, als ihr Inhalt vorgetragen worden ist (§ 72 Abs. 2 Satz 3 GWB). Demnach dürfen Aktenbestandteile, die zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht offengelegt wurden, zwar nicht unmittelbar zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden. Verwertbar ist aber eine Auswertung der betreffenden Daten (BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - KVR 60/07, BGHZ 178, 285 Rn. 27 ff. - EON/Stadtwerke Eschwege). Die Möglichkeit, dass sich aus den nicht einsehbaren Daten die Fehlerhaftigkeit der Auswertung ergeben könnte, betrifft nicht das rechtliche Gehör, sondern die im Beschwerdeverfahren gebotene Sachverhaltsfeststellung. Zu eigenen Ermittlungen ist das Beschwerdegericht unter diesem Gesichtspunkt verpflichtet, wenn ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der vom Amt mitgeteilten Auswertungsergebnisse bestehen (BGHZ 178, 285 Rn. 30).
Das Bundeskartellamt hat sich im Streitfall darauf berufen, dass es sich bei den Rohdaten um "filialscharfe" Umsatzdaten gehandelt habe, die als Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Unternehmen anzusehen seien. Den Betroffenen seien jedoch die Auswertungs- und Datendokumentationsvermerke zugänglich gemacht worden, welche die Aufbereitung und Validierung der Daten sowie die Vorgehensweise bei der "Event-Analyse" ausführlich beschrieben. Hiermit hat sich das Beschwerdegericht befasst und diese Vorgehensweise gebilligt. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der vom Amt mitgeteilten Auswertungsergebnisse hegte das Beschwerdegericht nicht. Zulassungsrelevante Rechtsfehler sind insoweit nicht zu erkennen.
b) Ebenfalls erfolglos bleibt die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde, die "Event-Analyse" sei offenbar nicht vollständig offengelegt worden.
Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass das Bundeskartellamt die "Event-Analyse" bzw. eine ursprüngliche Fassung dieser Untersuchung nicht vollständig aufgedeckt habe, dass es also zurückgehaltene Aktenbestandteile gebe, hat das Beschwerdegericht verneint und den Einwand, es liege nach dem Zweck der "Event-Analyse" nahe, dass die Untersuchung ursprünglich unternehmensgenau angelegt gewesen sei, für nicht stichhaltig erachtet. Ein Zulassungsgrund ergibt sich auch aus dieser tatrichterlichen Würdigung nicht.
3. Zur sachlichen Marktabgrenzung vermag die Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls keinen Klärungsbedarf aufzuzeigen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Abgrenzung des maßgebenden Markts grundsätzlich Sache des Tatrichters, da sie wesentlich von den - tatrichterlich festzustellenden - tatsächlichen Gegebenheiten des Markts abhängt. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob er alle für die Abgrenzung wesentlichen Umstände hinreichend in Betracht gezogen hat und ob seine Entscheidung in Einklang mit den Denkgesetzen und einschlägigen Erfahrungssätzen steht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - KVR 12/06, BGHZ 170, 299 Rn. 15 - National Geographic II; Beschluss vom 8. November 2011 - KVZ 14/11, AG 2013, 31 Rn. 9; Beschluss vom 6. Dezember 2011 - KVR 95/10, BGHZ 192, 18 Rn. 25 - Total/OMV; Beschluss vom 26. Januar 2016 - KVR 11/15, NZKart 2016, 280 Rn. 15 - Laborchemikalien). Für den Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde ist darüber hinaus erforderlich, dass bezüglich dieser Rechtsfragen ein Zulassungsgrund gemäß § 74 Abs. 2 GWB vorliegt.
b) Dies zugrunde gelegt kommt der von der Nichtzulassungsbeschwerde formulierten Frage, ob Fachhandel und Nahrungsmittelhandwerk in den relevanten Markt einzubeziehen sind, keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt insoweit keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, insbesondere legt sie keinen relevanten Meinungsstreit dar.
Für ihre Auffassung, Fachhandel und Nahrungsmittelhandwerk seien - unabhängig von den Umständen des einzelnen Falles - in den hier in Rede stehenden sachlichen Markt einzubeziehen, kann sich die Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere nicht auf die Entscheidung des Kammergerichts vom 5. November 1986 zu dem Zusammenschlussvorhaben "Coop-Wandmaker" (KG, WuW/E OLG 3917, 3918 f.) stützen.
Zwar hat das Kammergericht in dieser Entscheidung beanstandet, dass das Bundeskartellamt bei der Bestimmung des Marktvolumens allein die Umsätze der Sortimentshändler berücksichtigt und jene Anbieter außer Betracht gelassen habe, die nur Teile des umfassenden Sortiments führen, wie Spezialhandel, Fachhandel und Handwerk. Es hat darin einen Widerspruch zu der Senatsentscheidung "Kaufhof/Metro" (BGH, Beschluss vom 11. März 1986 - KVR 2/85, WuW/E BGH 2231) gesehen, nach der auch die Einbeziehung der Teilsortimenter geboten sei, soweit sie dem Kunden als sinnvolle Alternative zur Verfügung stünden. Damit hat das Kammergericht aber ersichtlich schon keinen eigenständigen Rechtssatz aufstellen wollen, sondern nur auf die höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug genommen. Im Übrigen ist der Sortimentsgedanke in der Rechtsprechung des Senats nach der Entscheidung des Kammergerichts und anknüpfend an die Senatsentscheidung "Kaufhof/Metro" weiter ausgeformt worden. Im Ausgangspunkt ist anerkannt, dass der sachlich relevante Markt ein Sortimentsmarkt sein kann; dies gilt namentlich für das Sortiment im Lebensmitteleinzelhandel, das als eine "bestimmte Art von Waren" im Sinne von § 18 Abs. 1 GWB (bzw. § 22 Abs. 1 GWB aF) angesehen werden kann (BGH, Beschluss vom 11. März 1986 - KVR 2/85, WuW/E BGH 2231, juris-Rn. 27 - Kaufhof/Metro; Beschluss vom 16. Januar 2008 - KVR 26/07, BGHZ 175, 333 Rn. 57 - Kreiskrankenhaus Bad Neustadt; Thomas in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, § 36 GWB Rn. 87 mwN). Ob von dem Angebot anderer Vertriebsschienen, bei denen die Verbraucher einen Teil ihres Bedarfs an Artikeln des Sortiments decken könnten, ein so erheblicher Wettbewerbsdruck ausgeht, dass diese anderen Anbieterkategorien in den sachlich relevanten Markt einzubeziehen sind, ist eine Tatfrage (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 - KVZ 16/09, WRP 2010, 658 Rn. 29 und 41 - Kosmetikartikel), wobei es, wie allgemein in Fragen der Marktabgrenzung, einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände bedarf. Hierbei kann der von der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Preisheraufsetzungstest ("SSNIP-Test") für die Marktabgrenzung eine Hilfestellung liefern, sie aber nicht als ausschließliches Kriterium bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - KVR 21/07, BGHZ 176, 1 Rn. 18 - Soda Club II).
c) Die Ausführungen des Beschwerdegerichts offenbaren auch kein grundlegendes Missverständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen an einen zu berücksichtigenden Substitutionswettbewerb.
Das Beschwerdegericht hat sich mit der Frage, ob der von Fachhandel und Nahrungsmittelhandwerk ausgehende Randwettbewerb den wettbewerblichen Verhaltensspielraum der EDEKA nach der Verwirklichung des Zusammenschlussvorhabens hinreichend begrenzen könne, ausdrücklich befasst und einen hierfür ausreichenden Wettbewerbsdruck verneint. Die hierzu angestellten Erwägungen des Beschwerdegerichts erschöpfen sich nicht in einer bloßen Wiederholung der Argumentation zur sachlichen Marktabgrenzung. Soweit die Ausführungen zur sachlichen Marktabgrenzung einerseits und zur Bedeutung des Substitutionswettbewerbs im Rahmen der Marktbeherrschungsprüfung andererseits Überschneidungen aufweisen, belegt dies kein grundlegendes rechtliches Missverständnis des Beschwerdegerichts.
4. Auch die Rügen zur räumlichen Marktabgrenzung, die ebenso wie die sachliche Marktabgrenzung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, bleiben ohne Erfolg.
a) Zu Unrecht beanstandet die Nichtzulassungsbeschwerde, dass das Bundeskartellamt mit seiner vom Beschwerdegericht gebilligten räumlichen Marktabgrenzung willkürlich von seiner bisherigen Praxis abgewichen sei und mit der Abgrenzung nach Stadtbezirken eine sachlich nicht zu rechtfertigende Methode gewählt habe.
Das Bundeskartellamt hat die gewählte Marktabgrenzung in der Untersagungsverfügung im Einzelnen begründet und im Wesentlichen auf in stark verdichteten Ballungsräumen (Metropolregionen) zu beachtende Besonderheiten gestützt. Dies rechtfertigt nicht den Vorwurf der Willkür, auch wenn derartige Verwaltungsgrenzen als solche das Marktverhalten nicht beeinflussen. Die gewählte Vorgehensweise ermöglicht eine plausibel erscheinende Aufteilung in angemessen große Markträume; in dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg leben nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts rund 277.000 Einwohner.
b) Mit ihren Ausführungen zum Kettensubstitutionseffekt, der bei der Abgrenzung des räumlichen Marktes gerade in städtischen Ballungsgebieten zu berücksichtigen sei, legt die Nichtzulassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung dar.
aa) Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt insoweit schon keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann.
Das Auftreten eines Kettensubstitutionseffekts und die daraus gegebenenfalls zu ziehenden Schlussfolgerungen sind von den Umständen des Einzelfalles abhängig und in erster Linie vom Tatrichter zu beurteilen. Diesem ist es grundsätzlich nicht verwehrt, die Annahme einer Kettensubstitution auch bei aneinandergrenzenden lokalen Märkten bzw. einander überschneidenden Einzugsbereichen abzulehnen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2011 - KVR 95/10, BGHZ 192, 18 Rn. 39 - Total/OMV). Auch die Europäische Kommission, auf die sich die Nichtzulassungsbeschwerde zur Darlegung grundsätzlicher Bedeutung in erster Linie beruft, lässt das Konzept der Kettensubstitution für sich allein zur Bestimmung eines räumlich relevanten Marktes nicht genügen, sondern verlangt bei einer Anwendung in der Praxis, dass das Konzept durch empirische Nachweise erhärtet wird (Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 Nr. C 372/5 Rn. 58). Ebensowenig lassen sich die von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführten Literaturstimmen in einen rechtserheblichen, auf eine unbestimmte Vielzahl weiterer Fälle übertragbaren Gegensatz zu der vom Beschwerdegericht getroffenen Entscheidung bringen. Soweit dort nicht nur die Ansicht der Kommission wiedergegeben wird (Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl., S. 165), wird ebenfalls eine Berücksichtigung aller Umstände gefordert (Thomas in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 36 GWB Rn. 94, 126) oder letztlich auf den Einzelfall abgestellt (Richter/Steinvorth in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 3. Auflage, § 20 Rn. 49).
bb) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe sich mit dem zur Erhärtung des Kettensubstitutionseffekts durch empirische Nachweise vorgelegten Privatgutachten der E. nicht ausreichend auseinandergesetzt.
Zwar mag das Beschwerdegericht nicht hinreichend berücksichtigt haben, dass die Verkettungsanalyse nicht auf ein stadtweit ausgedehntes Einkaufsverhalten der Verbraucher abstellt, sondern auf die Überlegung, dass sich Preisänderungen von einem Ende der Kette auf das andere übertragen und daher eine stadtteilübergreifende Wirkung entfalten. Gleichwohl konnte das Beschwerdegericht das Gutachten in vertretbarer Weise als nicht überzeugungskräftig werten. Die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung weist zutreffend darauf hin, dass im Privatgutachten nicht sachverständig untermauerte Prämissen zugrunde gelegt werden, die das Beschwerdegericht nicht teilen musste. Insbesondere wird im Privatgutachten angenommen, dass alle Kunden im Überlappungsgebiet bei einer Preiserhöhung wechseln, und es wird eine "Catchment Area" mit einem Radius von 2,3 km zugrunde gelegt, die das primäre Einzugsgebiet der Ausgangsfiliale angibt und damit die ersten Überlappungsbereiche vorgibt. Diese für das Ingangsetzen einer Kettensubstitution wesentlichen Vorgaben erscheinen aber nicht tragfähig, wenn eine deutlich engräumigere Reaktionsverbundenheit besteht. Hierfür sprechen der von der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung in Bezug genommene, mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegte Vermerk des Amtes vom 19. Dezember 2016 und die in der "Event-Analyse" dargelegten Daten, nach denen im Verhältnis zwischen Vollsortimentern der auf eine Filialeröffnung folgende Umsatzrückgang bei Filialen in zwei bis fünf Kilometern Entfernung rund 0,5 % betrage, also eher marginale Auswirkungen habe, während er sich bei einer Entfernung bis zu einem Kilometer auf 6 bis 7 % belaufe. Diesen Gesichtspunkt hat das Beschwerdegericht der Sache nach berücksichtigt, indem es seine Einwände gegen das Privatgutachten auch darauf gestützt hat, dass die im Lebensmitteleinzelhandel tätigen Unternehmen ihre Filialen bei betriebswirtschaftlich rationalem Vorgehen zwar flächendeckend, aber ohne unnötige Überschneidungen platzierten. Da nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts eine Filiale der EDEKA im Durchschnitt 2,8 km² und eine REWE-Filiale 4,1 km² abdeckt, ergibt sich - den Erwägungen des Beschwerdegerichts folgend - ein aus der Filialanordnung erschließbarer Einzugsbereich, der ebenfalls deutlich kleiner ist als die im Privatgutachten zugrunde gelegte "Catchment Area", die sich bei einem Radius von 2,3 km auf eine Fläche von ca. 14,4 km² erstreckt.
c) Auch aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts zu dem Einzugsgebiet konkurrierender SB-Warenhäuser ergibt sich kein Zulassungsgrund.
Das Beschwerdegericht hat die vorhandene Beurteilungsgrundlage in tatrichterlicher Würdigung für ausreichend gehalten, um jedenfalls die von den Betroffenen angenommene (nahezu) stadtweite Marktabgrenzung abzulehnen. Auf das von den Betroffenen vorgelegte Privatgutachten musste das Beschwerdegericht dabei nicht ausdrücklich eingehen. Zwar kann es einer Begründung bedürfen, wenn das Gericht einer sachkundigen Sachverhaltsbewertung in einem vorgelegten Privatgutachten nicht folgen will. Bei dem hier in Rede stehenden Privatgutachten handelte es sich indes nicht um eine ökonomische Abschätzung des Einzugsbereichs von SB-Warenhäusern, sondern um ein Rechtsgutachten. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde in Bezug genommene Aussage beschränkte sich zudem auf die nicht näher erläuterte Behauptung eines größeren Einzugsbereichs im Hinblick auf ein attraktives Warenangebot und ausreichende Parkmöglichkeiten.
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