Entscheidungsdatum: 03.06.2014
Auf die Beschwerde der Nebenbetroffenen wird der Beschluss des 4. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Dezember 2013 aufgehoben; die Anordnung des dinglichen Arrests in das Vermögen der Nebenbetroffenen entfällt.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Nebenbetroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen
Gegen die Nebenbetroffene, die durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. April 2013 wegen Kartellordnungswidrigkeiten ihrer leitenden Mitarbeiter zu einer Geldbuße von 43 Mio. Euro verurteilt worden war, hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 9. Dezember 2013 den dinglichen Arrest in das Vermögen der Nebenbetroffenen in Höhe des ausgeurteilten Bußgelds angeordnet. Hiergegen richtet sich die erfolgreiche Beschwerde der Nebenbetroffenen.
I.
Das Oberlandesgericht hält die Anordnung für erforderlich, weil ansonsten die Vollstreckung des Urteils, gegen das die Nebenbetroffene Rechtsbeschwerde eingelegt hat, wesentlich erschwert würde. Der von der Nebenbetroffenen gegen die Arrestanordnung eingelegten Beschwerde hat es mit Beschluss vom 13. Januar 2014 nicht abgeholfen. Es bestehe die Gefahr der Vermögensverschiebung, weil die Nebenbetroffene Vorrats- und Mantel-gesellschaften vorhalte. Dass diese bislang nicht genutzt worden seien, ändere hieran ebenso wenig wie der Umstand, dass die Nebenbetroffene bislang keine Umstrukturierungsmaßnahmen ergriffen und keine Vermögenswerte ins Ausland verschoben habe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die Beschwerde ist statthaft. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist die Anordnung des dinglichen Arrests als Beschlagnahme im Sinne des § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG anzusehen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 1979 - StB 26/79 u.a., BGHSt 29, 13). Die zum dinglichen Arrest zur Sicherung eines Verfallsanspruchs ergangene Entscheidung lässt sich ohne weiteres auf den dinglichen Arrest zur Sicherung einer Geldbuße übertragen, weil Zielrichtung des Rechtsbehelfs ebenfalls die Aufhebung von Beschränkungen in der Verfügbarkeit von Vermögenswerten ist.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil die Anordnung des Arrests nicht fehlerfrei begründet ist.
a) Ein dinglicher Arrest darf nur angeordnet werden, wenn ein Arrestgrund besteht. Dies ergibt sich aus der Verweisung des § 46 Abs. 1 OWiG auf die Strafprozessordnung, die in § 111d Abs. 2 StPO weitgehend auf die zivilprozessualen Regelungen des Arrestverfahrens Bezug nimmt. Nach § 917 ZPO, dessen Anwendung in § 111d Abs. 2 StPO ausdrücklich bestimmt ist, findet der dingliche Arrest nur dann statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
b) Die Anordnung eines Arrests steht nach § 111d Abs. 1 StPO im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts. Diesem obliegt die wertende Entscheidung, ob zur Sicherung der Vollstreckung einer nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu erwartenden Geldbuße Maßnahmen nach § 111d StPO erforderlich sind. Es hat dabei alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben. Dabei kann es auch die Art und die Umstände der Verfehlung in diese Prüfung einbeziehen. Hartnäckigkeit und Dauer können ebenso Rückschlüsse auf das künftige Verhalten der Nebenbetroffenen zulassen, wie die Intensität der Pflichtverletzung und in welchem Maße und mit welchen Mitteln sie abgesichert wurde. Allerdings wird allein das Gewicht der zugrunde liegenden Tat nur in besonderen Ausnahmefällen ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 1983 - III ZR 116/82, WM 1983, 614; KG, wistra 2010, 116; zum Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung vgl. BFHE 239, 390). Um einen Arrestgrund bejahen zu können, sind vielmehr regelmäßige Erkenntnisse auch aus dem Verhalten nach der Tat, insbesondere unter dem Eindruck des laufenden Bußgeldverfahrens, erforderlich, die auf eine entsprechende Vollstreckungsvereitelungsabsicht hindeuten könnten. Dieses Verhalten ist dann allerdings im Licht der Tat zu sehen.
c) Die Begründung der Entscheidung des Oberlandesgerichts erweist sich nicht als tragfähig. Der Senat kann hier offen lassen, ob sich das Ermessen des Tatrichters auch auf das Vorliegen des Arrestgrunds bezieht. Ebenso braucht er hier nicht zu entscheiden, ob sich aus der nach § 46 Abs. 1 OWiG lediglich sinngemäßen Anwendung des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht eine Einschränkung der Prüfung durch den Bundesgerichtshof auf Rechtsfehler ergibt. Denn jedenfalls liegt hier ein solcher Rechtsfehler vor. Letztlich hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Nebenbetroffene Vorrats- oder Mantelgesellschaften bereithält. Dies mag zwar einen gewissen Indizcharakter dafür haben, dass die Nebenbetroffene planen könnte, Vermögenswerte dorthin zu verlagern. Gleichwohl reicht bei der hier gegebenen Fallkonstellation dieser Umstand für sich genommen nicht aus, um einen Arrestgrund annehmen zu können. Diese Vorratsgesellschaften wurden bereits ein Jahr zuvor erworben und blieben bislang ungenutzt. Versuche, Vermögen zu verschieben, sind nicht erkennbar. Ebenso wenig kann aus dem Verhalten von anderen Nebenbetroffenen auf die Beschwerdeführerin selbst rückgeschlossen werden. Anders als diese hat sie keine Umstrukturierungen vorgenommen, um im Wege von Umwandlungen eine Situation zu schaffen, die die Haftungsgrundlage für eine Bußgeldverhängung entfallen ließe (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2011 - KRB 55/10, BGHSt 57, 193 - Versicherungsfusion und KRB 2/10, wistra 2012, 152). Aus dem Verhalten anderer Nebenbetroffener können keine Folgerungen auf gleichgerichtete Absichten dieser Nebenbetroffenen hergeleitet werden. Dies gilt hier auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die T. -Gruppe, die innerhalb des von ihr bestimmten Konzerns solche Umstrukturierungen vorgenommen hat, an der Nebenbetroffenen beteiligt ist. Denn die T. -Gruppe konnte in dem paritätisch strukturierten Gemeinschaftsunternehmen eine entsprechende Vorgehensweise nicht durchsetzen. Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Vermögensverlagerung ins Ausland. Hierfür reicht es regelmäßig nicht aus, wenn das Unternehmen über ausländische Tochter-, Mutter- oder Schwestergesellschaften verfügt. Dies stellt vielmehr nur die strukturelle Folge dessen dar, dass die Unternehmensgruppe international tätig ist.
3. Der Senat lässt die Anordnung des Arrestes entfallen, weil nicht zu erwarten ist, dass eine nochmalige Sachprüfung durch das Oberlandesgericht Umstände erbringen könnte, die eine Arrestanordnung tragen würden. Im Übrigen ist das Oberlandesgericht nicht gehindert, für den Fall neu bekannt werdender Verdachtsgründe für eine Vermögensverschiebung wiederum einen dinglichen Arrest anzuordnen.
Meier-Beck Raum Strohn