Entscheidungsdatum: 15.12.2011
Verletzt ein Rechtsanwalt seine Pflicht, eine mit Ablauf des 31. Dezember verjährende Forderung gerichtlich geltend zu machen, entsteht der Schaden des Mandanten mit Beginn des 1. Januar; die Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruchs gegen den Rechtsanwalt beginnt mit dem Schluss dieses Jahres.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. April 2010 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin trat auf Veranlassung des Raimund Frank im Dezember 1995 einem geschlossenen Immobilienfonds mit einem Investitionsbetrag von 90.000 DM bei. Den Erwerb finanzierte sie durch zwei Darlehensverträge, die sie bei der Kreis- und Stadtsparkasse Speyer in Höhe von 76.000 und 24.000 DM abschloss. Nach ihrem Vorbringen wurde sie durch Frank über die sich aus der Beteiligung ergebende Belastung und hinsichtlich der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit der Anlage unzutreffend unterrichtet.
Im Oktober 2004 wandte sich die Klägerin an die beklagte Anwaltssozietät, um sich über die von ihr erworbene Fondsbeteiligung rechtlich beraten zu lassen. Das Mandat wurde durch Rechtsanwalt Dr. M. betreut. In der Folgezeit fanden zwischen ihm und der Klägerin mehrere Beratungsgespräche statt, deren Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2004 erhob Dr. M. namens der Klägerin Klage gegen die S. ; gegenüber F. wurden keine gerichtlichen Maßnahmen veranlasst. Eine im Juni 2006 gegen F. betriebene Klage, die der Sohn der Klägerin aufgrund der an ihn abgetretenen Ansprüche erhob, wurde im Hinblick auf das Risiko bereits eingetretener Verjährung mit einem Prozessvergleich über einen Abgeltungsbetrag von 5.000 € beendet. Anschließend trat der Sohn die etwaigen Schadensersatzansprüche wieder an die Klägerin ab.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz Zug um Zug gegen Übertragung der Fondsanteile. Sie macht geltend, sie hätte rechtzeitig Klageauftrag erteilt, wenn die Beklagte sie ordnungsgemäß über die Erfolgsaussichten einer Klage gegen F. beraten hätte. Das Landgericht hat die Klage wegen eingetretener Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in WM 2010, 1330 abgedruckt ist, hat ausgeführt: Sollte der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Beratungspflichten gegenüber der Beklagten zustehen, wäre dieser Anspruch mit Ablauf des 31. Dezember 2007 jedenfalls verjährt. Der etwaige streitgegenständliche Ersatzanspruch sei aufgrund des Sachvortrages der Klägerin nach dem 15. Dezember 2004 entstanden. Hätten ihr gegen F. die von ihr behaupteten Schadensersatzansprüche zugestanden, so sei deren Verjährung, wegen der sie nunmehr die Beklagte in Anspruch nehme, mit Ablauf des 31. Dezember 2004 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien ihr die den Schadensersatzanspruch begründenden Umstände bekannt gewesen. Hierbei genüge die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Eine zutreffende rechtliche Beurteilung seitens der Klägerin sei nicht erforderlich. Ihr sei bereits während der Beratungsgespräche bewusst gewesen, dass sie keinen Auftrag zu einem Vorgehen gegen F. erteilt habe und dass ihr Anwalt ohne einen solchen Auftrag keine Klage erheben werde.
Die maßgebliche Dreijahresfrist des § 195 BGB habe mit dem Schluss des Jahres 2004 begonnen, gleichzeitig mit der Vollendung der Verjährung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen F. .
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der geltend gemachte Regressanspruch nicht verjährt.
1. Für Beginn und Dauer der Verjährung sind im Streitfall die Vorschriften der §§ 195 ff BGB anwendbar. Denn der geltend gemachte Anspruch ist mit Ablauf des 31. Dezember 2004 und damit nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) am 15. Dezember 2004 entstanden. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt der Mandatsbegründung, sondern zu welchem Zeitpunkt der geltend gemachte Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - IX ZR 4/08, WM 2010, 629 Rn. 6; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 195/09, DStRE 2011, 461 Rn. 9; Chab, in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl. Rn. 1277; Fahrendorf, in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl. Rn. 1092).
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden liegt in der wegen Verjährung fehlenden Durchsetzbarkeit der ihrer Ansicht nach gegen F. bestehenden Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung oder Auskunft im Zusammenhang mit der von ihr getätigten Anlageinvestition. Derartige Ansprüche sind am 31. Dezember 2004 verjährt.
a) Nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden hier die seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften Anwendung. Denn der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus fehlerhafter Auskunft oder Beratung gegen F. war an diesem Tag noch nicht verjährt. Er unterlag ursprünglich der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB aF (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1978 - VIII ZR 20/77, BGHZ 70, 356, 361; vom 11. März 1999 - III ZR 292/97, NJW 1999, 1540, 1541). Die Verjährungsfrist begann gemäß § 198 Satz 1 BGB aF mit der Entstehung des Anspruchs, hier also mit dem infolge der von der Klägerin geltend gemachten fehlerhaften Beratung im Jahre 1995 erfolgten Beitritt zu dem geschlossenen Immobilienfonds. Danach wäre die Verjährung erst im Jahr 2025 eingetreten.
b) Mangels Sonderregelung unterfiel der von den Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen F. nach Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1. Januar 2002 der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB. Da diese Verjährungsfrist kürzer ist als die bis zum 1. Januar 2002 geltende Regelverjährung, ist sie gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB von dem 1. Januar 2002 an zu berechnen, soweit der Verjährungsbeginn nicht gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB infolge späterer Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Klägerin verschoben worden ist. Dies ist nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hier nicht der Fall. Mithin endete die Verjährung am 31. Dezember 2004 (§ 199 Abs. 1 Halbs. 1 BGB).
3. Nicht gefolgt werden kann der weiteren Annahme des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte sei bereits am 31. Dezember 2004 entstanden.
a) Besteht die Pflichtwidrigkeit des Rechtsberaters darin, dass der gebotene Rechtsbehelf gegen einen Bescheid unterblieben ist, entsteht der Schaden des Mandanten mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist (BGH, Urteil vom 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2067 unter II. 1. A; vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, WM 2000, 959, 960; vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09, WM 2010, 2050 Rn. 40; vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 170/09, WM 2010, 2284 Rn. 11; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 195/09, aaO Rn. 10), also erst in dem Augenblick, in dem er nicht mehr durch einen Rechtsbehelf die Abänderung des gegen ihn ergangenen Bescheids erwirken kann. Endet die Rechtsbehelfsfrist zum 31. Dezember, so darf der Rechtsberater diesen Tag durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs noch voll ausnutzen, weil die Frist erst mit dem Ablauf dieses Tages endet (RGZ 105, 417, 419 f). Der gegen den Berater gerichtete Ersatzanspruch wird unter diesen Umständen gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB erst am 1. Januar begründet (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 195/09, aaO Rn. 13; Chab BRAK-Mitt 2011, 32; Meixner/Schröder DStR 2011, 239; Zugehör/Chab, aaO, Rn. 1498).
b) Diese Grundsätze sind auch für die vorliegende Fallgestaltung maßgeblich. Die Pflichtwidrigkeit liegt hier in der unterlassenen Beratung und Klageerhebung gegen F. . Diese Klageerhebung hätte ordnungsgemäß noch bis zum 31. Dezember 2004 erfolgen können. Daher ist der Schaden der Klägerin erst mit Ablauf dieses Tages, mithin am 1. Januar 2005 eingetreten. Da die Beklagte den 31. Dezember 2004 zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht durch die Erhebung einer entsprechenden Klage gegen F. noch voll ausnutzen durfte, wurde der gegen sie gerichtete Ersatzanspruch gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB erst am 1. Januar 2005 begründet (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - IX ZR 4/08, WM 2010, 629 Rn. 6). Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, wann die Klägerin von der zweiten Voraussetzung für den Verjährungsbeginn, den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die dreijährige Frist des § 195 BGB ist, weil der Anspruch im Jahr 2005 begründet wurde, gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss dieses Jahres in Lauf gesetzt worden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009, aaO Rn. 6; Beschluss vom 21. Oktober 2010, aaO Rn. 13; ferner MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. § 199 Rn. 43). Folglich ist die Verjährungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008 verstrichen. Die am 30. Dezember 2008 bei Gericht eingegangene Klage wurde mithin in nicht verjährter Zeit eingereicht. Auch ist die am 23. Januar 2009 vorgenommene Zustellung demnächst erfolgt (§ 167 ZPO); mit Verfügung vom 7. Januar 2009 wurde der Gerichtskostenvorschuss eingefordert und dieser binnen von weiteren zwei Wochen eingezahlt (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 - III ZR 113/09, WM 2010, 72 Rn. 21 f).
III.
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt folgerichtig - bislang offengelassen, ob die von der Klägerin geltend gemachte Pflichtverletzung vorliegt. Auch hat es sich mit dem weiteren Vorbringen der Klägerin zu dem Schadensgrund und der Schadenshöhe nicht befasst. Es ist daher zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Regressanspruches vorliegen. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Vill Raebel Lohmann
Fischer Pape