Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 07.02.2013


BGH 07.02.2013 - IX ZR 75/12

Insolvenzverwalterhaftung: Berechnung des ersatzfähigen Schadens bei Eigentumsverletzung infolge von Umbauarbeiten an zur Insolvenzmasse gehörenden Fahrzeugen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
07.02.2013
Aktenzeichen:
IX ZR 75/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 9. März 2012, Az: 2 U 49/08vorgehend LG Bremen, 26. März 2008, Az: 11 O 532/03
Zitierte Gesetze
§§ 249ff BGB

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin und die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 9. März 2012 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. April 2012 werden zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 363.297,85 € festgesetzt.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 27 v.H. und der Beklagte 73 v.H..

Gründe

1

Die Beschwerden beider Parteien decken keinen Zulassungsgrund auf.

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1. Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

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a) Zu Unrecht rügt die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO), das Berufungsgericht habe die Bindungswirkung des Grundurteils nicht beachtet.

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Das Grundurteil hat eine Eigentumsverletzung zum Nachteil der Klägerin in der Fertigstellung der ihr gehörenden Fahrzeuge durch den Beklagten erblickt. In Übereinstimmung mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht den Schaden nach dem Wert der Fahrzeuge der Klägerin vor Vollendung der Umbauarbeiten bemessen.

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b) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

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Das Berufungsgericht hat das als übergangen gerügte Vorbringen der Klägerin, dass bei einzelnen Fahrzeugen nur noch Panzerscheiben oder PAX-Reifen angebracht werden mussten, nach dem Inhalt des Tatbestands wie auch der Entscheidungsgründe ausdrücklich beachtet. Bei dieser Sachlage ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht des Gerichts, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 214/10, WM 2011, 1087 Rn. 13).

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2. Auch der Beschwerde des Beklagten ist der Erfolg zu versagen.

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a) Das von dem Beklagten angeführte Senatsurteil vom 4. November 2004 (IX ZR 22/03, WM 2004, 2482, 2483 ff), das die Wirksamkeit seitens des Schuldners nach Einsetzung eines vorläufigen Verwalters im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens bewirkter Zahlungen zum Gegenstand hat, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Erkenntniswert. Bei dieser Sachlage greift der geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht durch.

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b) Davon abgesehen kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, keiner Schadensersatzpflicht zu unterliegen, weil die bereits vor seiner Kenntnis von der Eigentümerstellung der Klägerin ohne sein Verschulden zum Zwecke einer Panzerung teilweise umgebauten Limousinen für die ihrerseits aus rechtlichen Gründen an einer weiteren Umrüstung der Fahrzeuge gehinderte Klägerin keinen wirtschaftlichen Wert verkörpert hätten und daher der von ihm im Wissen um die Eigentumsverhältnisse veranlasste weitere Umbau der Fahrzeuge keinen Schaden der Klägerin ausgelöst habe.

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aa) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung: Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, WM 2012, 1359 Rn. 42).

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bb) Demgemäß bemisst sich der Schaden der Klägerin nach dem Wert der von ihr unter Eigentumsvorbehalt an die Schuldnerin gelieferten Fahrzeuge zu dem Zeitpunkt, als der über die Eigentümerstellung der Klägerin orientierte Beklagte gleichwohl die Arbeiten fortsetzen ließ. Den Marktwert der Fahrzeuge hat das Berufungsgericht im Streitfall, ohne dass insoweit Rügen erhoben werden, mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens ermittelt.

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(1) Wird durch eine Verarbeitung mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache hergestellt, erwirbt der Hersteller daran gemäß § 950 Abs. 1 Satz 1 BGB das Eigentum. Verlor die Schuldnerin nach dieser Vorschrift durch die Umrüstung das Eigentum an den gelieferten Fahrzeugen, stand ihr gemäß § 951 Abs. 1 BGB ein Bereicherungsanspruch gegen die Schuldnerin zu. Daneben blieben aber nach § 951 Abs. 2 BGB die Vorschriften über die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen unberührt. Deswegen konnte die Klägerin im Falle eines Eigentumsverlusts nach § 950 Abs. 1 BGB auf der Grundlage des § 823 Abs. 1 BGB von dem Beklagten im Wege der Naturalrestitution Wiederherstellung des früheren Zustands verlangen (MünchKomm-BGB/Füller, 5. Aufl., § 951 Rn. 37). Allerdings wird in diesen Fällen mit Rücksicht auf den unverhältnismäßigen Aufwand einer Wiederherstellung regelmäßig die Bestimmung des § 251 Abs. 2 BGB den Anspruch auf Naturalrestitution ausschließen (MünchKomm-BGB/Füller, aaO).

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(2) Es kann - in Übereinstimmung mit den Vordergerichten - dahinstehen, ob die Klägerin ihr Eigentum an den Fahrzeugen bereits durch die Verarbeitung oder, sofern die Voraussetzungen des § 950 BGB nicht eingreifen, erst durch den gutgläubigen Erwerb der Abnehmer der Schuldnerin verloren hat. Denn der in § 951 Abs. 2 BGB für anwendbar erklärte deliktische Schadensersatzanspruch ist erst recht gegeben, wenn der Berechtigte durch eine Bearbeitung sein Eigentum nicht verloren hat. Auch hier steht § 251 Abs. 2 BGB der Naturalrestitution entgegen. Im Streitfall dürfte der Anspruch auf Naturalrestitution zudem an § 251 Abs. 1 BGB scheitern, weil der Erwerber nicht in eine Veränderung der Fahrzeuge einwilligen wird (BGH, Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 17/07, VersR 2008, 1116 Rn. 12 ff).

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(3) Scheidet eine Naturalrestitution aus, kann der verdrängte Rechtsinhaber den Verkehrswert seiner - hier entweder infolge der Verarbeitung oder eines gutgläubigen Erwerbs - untergegangenen Eigentumsrechte beanspruchen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1984 - VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85, 90).

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Die von der Klägerin gelieferten Fahrzeuge waren durch die Aufnahme der Umbauarbeiten nicht wertlos geworden. Ein Verkehrswert der Fahrzeuge ist selbst dann gegeben, wenn allein die Schuldnerin aufgrund ihrer Leistungsschutzrechte und privilegierten Bezugsquellen zu einer wirtschaftlich rentablen Fertigstellung der Fahrzeuge im Stande war. Hierfür spricht bereits der in Fällen eines Eigentumsverlusts nach §§ 946 bis 950 BGB durch die Regelung des § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB gewährte bereicherungsrechtliche Ausgleichanspruch. Der objektive Wert einer Sache richtet sich nicht allein nach dem Interesse des Eigentümers, sondern danach, welche weiteren Interessen Dritte damit verfolgen können (Jahr, AcP 183 (1983), 725, 733 f; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., vor § 249 Rn. 54). Die Befugnis, der Schuldnerin eine rentable Verwendungsmöglichkeit an den Fahrzeugen einzuräumen, war folglich Bestandteil der Eigentumsrechte der Klägerin (Staudinger/Schiemann, BGB, 2004, § 249 Rn. 131).

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Überdies führt die in dem Umbau zum Ausdruck kommende Nachfrage dazu, dass die Fahrzeuge als marktgängig anzusehen sind und daher einen Marktwert repräsentieren. Den Fahrzeugen kann ein Marktwert nicht deshalb abgesprochen werden, weil infolge fehlender technischer Kenntnisse und Zugriffsmöglichkeiten möglicherweise allein die Schuldnerin bzw. der Beklagte für sie Verwendung hatte. Vielmehr kann sich der Marktwert einer Sache gerade darin manifestieren, dass ein einzelner Dritter einen entsprechenden Bedarf hat. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zu dem Beklagten, der zur Vermeidung gegen ihn als (vorläufiger) Insolvenzverwalter gerichteter Schadensersatzansprüche gehalten war, sich im Interesse der Massemehrung mit der Klägerin im Blick auf ihre Aussonderungsrechte zu verständigen und anschließend zwecks einer gewinnbringenden Veräußerung der Fahrzeuge die Umbauarbeiten zu vollenden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 50 ff).

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(4) Da der Schadensersatzanspruch an den von der Klägerin erlittenen Eigentumsverlust anknüpft, ist es ohne Bedeutung, ob die Klägerin ihrerseits infolge der insoweit bestehenden Leistungsschutzrechte der Schuldnerin rechtlich imstande gewesen wäre, die Fahrzeuge umzubauen. Die Ersatzpflicht beruht vielmehr darauf, dass sich der Beklagte fremde Eigentumsrechte im eigenen Erwerbsinteresse zum Zweck der Weiterverarbeitung zunutze gemacht hat. Könnte der Beklagte allein deshalb einer Ersatzpflicht entgehen, weil die Klägerin einen Umbau der Fahrzeuge nicht verwirklichen konnte, wäre einer entschädigungslosen Aneignung fremder Eigentumspositionen, die der Berechtigte selbst im Unterschied zu dem Rechtsverletzer nicht gewinnbringend zu nutzen vermag, Tür und Tor geöffnet. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Beklagte bewusst Eigentumsrechte der Klägerin durch die weitere Umrüstung ihr gehörender Fahrzeuge verletzt hat. Insoweit ist für die Schadensberechnung in Einklang mit der Würdigung des Berufungsgerichts maßgeblich, welcher Wert dem Eigentum der Klägerin für die von dem Beklagten vorgenommenen Umrüstungen zukam.

Kayser                                  Gehrlein                                    Vill

                    Lohmann                                 Fischer