Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 07.03.2013


BGH 07.03.2013 - IX ZR 7/12

Insolvenzanfechtung: Anfechtungsrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen zur kurzfristigen Vorfinanzierung der von der Gesellschaft abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge als Kontokorrentkredit; Prüfungspflicht des ordentlichen Richters im Hinblick auf die Nichtigkeit eines entscheidungserheblichen Rechtsgeschäfts infolge Versagung einer behördlichen Genehmigung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
07.03.2013
Aktenzeichen:
IX ZR 7/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Dresden, 21. Dezember 2011, Az: 13 U 785/11vorgehend LG Zwickau, 28. April 2011, Az: 2 O 357/10
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Gewährt ein Gesellschafter seiner Gesellschaft fortlaufend zur Vorfinanzierung der von ihr abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge Kredite, die in der Art eines Kontokorrentkredits jeweils vor Erhalt des Nachfolgedarlehens mit Hilfe öffentlicher Beihilfen abgelöst werden, ist die Anfechtung wie bei einem Kontokorrentkredit auf die Verringerung des Schuldsaldos im Anfechtungszeitraum beschränkt.

2. Kann ein entscheidungserhebliches Rechtsgeschäft infolge Versagung einer behördlichen Genehmigung nichtig sein, hat der ordentliche Richter selbständig zu prüfen, ob das von der Behörde herangezogene gesetzliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt im Anwendungsfall eingreift (im Anschluss an BGH, 4. Februar 2004, XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 21. Dezember 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu mehr als 42.000 € nebst Zinsen zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom 28. April 2011 zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 16 v.H. und der Kläger 84 v.H.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die beklagte Stadt ist seit 1994 Alleingesellschafterin der Schuldnerin, einer GmbH. Diese Gesellschaft war zur Beschäftigungsförderung innerhalb des Stadtgebiets und seiner Umgebung tätig. Auf einen Antrag der Schuldnerin, der am 28. Dezember 2009 einging, eröffnete das Amtsgericht am 1. März 2010 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

2

Die Beklagte hatte der Schuldnerin am 10. Dezember 2008 ein Darlehen von 17.000 € gewährt, welches am 11. Februar 2009 zurückgezahlt wurde. Ein zweites Darlehen vom 19. Dezember 2008 über 25.000 € tilgte die Schuldnerin bereits am 6. Januar 2009. Danach gewährte die Beklagte der Schuldnerin folgende weitere zehn Darlehen:

Betrag

Auszahlung

Rückzahlung

      

      

      

16.500 €        

25. Februar 2009

6. März 2009

15.200 €

26. März 2009

6. April 2009

12.400 €

28. April 2009

15. Mai 2009

20.700 €

27. Mai 2009

5. Juni 2009

20.000 €

24. Juni 2009

8. Juli 2009

30.200 €

27. Juli 2009

6. August 2009

30.000 €

26. August 2009

7. September 2009

25.000 €

24. September 2009        

6. Oktober 2009

25.000 €

27. Oktober 2009

3. November 2009

30.000 €

25. November 2009

3. Dezember 2009

3

Die Kommunalaufsichtsbehörde versagte durch bestandskräftigen Bescheid vom 28. Mai 2010 die Genehmigung für alle "zinslosen Überbrückungshilfen" zwischen Mai 2008 und November 2009, welche die Beklagte der Schuldnerin gewährt hatte. Mit seiner Klage fordert der Insolvenzverwalter die Tilgungsbeträge der genannten zwölf Darlehen aus dem letzten Jahr vor Eingang des Insolvenzantrags im Gesamtbetrag von 267.000 € nebst Zinsen zur Masse zurück.

4

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist zum größeren Teil begründet und führt in diesem Umfang zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

6

Das Berufungsgericht hat die Anfechtung der Darlehensrückzahlungen nach den §§ 129, 135 Abs. 1 Nr. 2, § 143 InsO für begründet erachtet. Es hat angenommen, es habe sich weder um ein einheitliches Darlehen noch um ein- und dieselbe Rechtsgrundlage für die wiederholte Darlehensgewährung der Beklagten gehandelt. Da die einzelnen Darlehensrückzahlungen keine rechtliche Voraussetzung oder Gegenleistung für die Folgedarlehen gewesen seien, begegne die Anfechtung auch keinem Bargeschäftseinwand gemäß § 142 InsO. Als hypothetische Erwägung habe außer Betracht zu bleiben, dass die Beklagte die ersten kurzfristig gewährten Überbrückungshilfen auch als Dauerdarlehen an die Schuldnerin hätte stehen lassen können und dann nur eine einmalige Darlehenstilgung in der Höhe des Schlussbetrages in Frage gekommen wäre.

7

Das Berufungsgericht hat ferner gemeint, die Darlehen seien jedenfalls auch mit Rücksicht auf die Gesellschafterstellung der Beklagten gewährt worden. Es komme nach geltendem Recht ferner nicht mehr darauf an, ob die gewährten kurzfristigen Überbrückungskredite als kapitalersetzend anzusehen seien. Unerheblich sei schließlich die Frage, ob die kommunalaufsichtliche Genehmigungsversagung die Darlehensverträge der Beklagten mit der Schuldnerin nachträglich gemäß § 134 BGB, § 83 Abs. 1 und 3, § 120 der Sächsischen Gemeindeordnung (GemO-Sachsen) vernichtet habe. Denn die Rückzahlung eines nichtigen Darlehens sei eine wirtschaftlich der Rückgewähr wirksamer Darlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gleichgestellte Handlung.

II.

8

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung zum Grund des Rückgewähranspruchs Stand.

9

1. Die Revision kommt nicht auf den Einwand der Beklagten in den Tatsacheninstanzen zurück, sie habe die kurzfristigen Überbrückungsdarlehen in ihrer Eigenschaft als Gebietskörperschaft im öffentlichen Interesse gewährt, nicht mit Rücksicht auf ihre Gesellschafterstellung zur Schuldnerin. Dieser Einwand ist unerheblich; denn die nicht mehr rechtsbegründende, in diesem Zusammenhang aber weiter beachtliche Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters verbietet eine einschränkende Auslegung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nF, die schon dem Gesetzeszweck der engeren Altfassung zuwiderlief (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. September 1988 - II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 176 zu § 32a KO).

10

2. Die Revision versucht ohne Erfolg, die von der Schuldnerin erbrachten Rückzahlungen an die Beklagte als Erfüllung von Bereicherungsansprüchen zu deuten, die nach ihrer Ansicht dem Gleichstellungserfordernis des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nF zu den Darlehen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nF nicht genügen.

11

a) Es fehlt schon an der vom Berufungsgericht offengelassenen Voraussetzung, dass die genannten Darlehen nach § 134 BGB nichtig waren, als die Schuldnerin sie zurückzahlte. Die Regelungswirkung des bestandskräftigen Versagungsbescheids der kommunalen Aufsichtsbehörde vom 28. Mai 2010 ändert daran nichts. Dem ordentlichen Richter ist dadurch nur die Prüfung abgenommen, ob ein genehmigungsbedürftiges Geschäft hoheitlich zu Unrecht gutgeheißen oder beanstandet worden ist. Wird die behördliche Erlaubnis für ein Geschäft versagt, welches vom Gesetz gar nicht mit entsprechendem Vorbehalt verboten ist, so geht diese Versagung bürgerlich-rechtlich ins Leere. Die Auslegung des Verbotsgesetzes hat der ordentliche Richter in diesem Zusammenhang selbständig vorzunehmen (so im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 9. November 1994 - VIII ZR 41/94, BGHZ 127, 368, 372 ff; dazu K. Schmidt NJW 1995, 2255, 2257 unter II. 2. b). Die gesetzwidrige Erweiterung des Verbotstatbestandes nimmt als Vorfragenbeurteilung an der Regelungswirkung des von der Genehmigungsbehörde erlassenen Bescheides nicht teil (BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 21 ff). Im Ergebnis anders liegt es möglicherweise, wenn bereits die Behörde die Genehmigungsbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts verneint hat. Der Negativbescheid steht unter Umständen in der Rechtswirkung einer erteilten Genehmigung gleich (BGH, Urteil vom 22. September 2009 - XI ZR 286/08, ZIP 2009, 2343 Rn. 17). Dann mag ein schutzwürdiges Interesse beider Rechtsgeschäftsteile daran fehlen, die Unwirksamkeit nach dem Gesetz trotz abweichender Beurteilung der zuständigen Genehmigungsbehörde geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1951 - IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294, 302).

12

Die Vorschriften des § 83 Abs. 2 und 3 GemO-Sachsen erstrecken den Verbotstatbestand nicht auf Kommunaldarlehen, die zugunsten der Darlehensgeberin rückzahlbar sind. Das Verbot der kommunalen Sicherheitenbestellung zugunsten Dritter im weiteren Sinne soll nur verhindern, dass Leistungspflichten für fremde Forderungen gegen politische Gemeinden begründet werden; die Darlehensgewährung steht dem nicht gleich (vgl. SächsOVG, SächsVBl 2011, 284, 289 f unter II. 2. 2. 3.).

13

b) Die Beklagte war schließlich bei Ausreichung der Darlehen an die Schuldnerin nach § 51 Abs. 1 GemO-Sachsen durch ihren Bürgermeister rechtswirksam vertreten. Ein Mitwirkungsmangel durch Nichtbeteiligung des Gemeinderats, wie ihn der Aufsichtsbescheid vom 28. Mai 2010 benannt hat, ändert an der Wirksamkeit der Rechtshandlungen des Bürgermeisters für die Beklagte nichts (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1998 - VIII ZR 129/97, NJW 1998, 3058, 3059 unter II. 1. b).

14

3. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist auch die Tilgung kurzfristiger Überbrückungskredite, die ein Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin gewährt hat. Der Gesetzgeber hat mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Fassung von Art. 9 Nr. 5 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl I S. 2026) bewusst auf das Merkmal kapitalersetzend verzichtet und verweist jedes Gesellschafterdarlehen bei Eintritt der Gesellschaftsinsolvenz in den Nachrang (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 S. 56). Dasselbe gilt nach Maßgabe von Art. 9 Nr. 8 MoMiG für die Neufassung von § 135 InsO. Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen sind innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nF stets anfechtbar (BT-Drucks. 16/6140 S. 57). Die Anfechtung beschränkt sich nicht mehr auf solche Fälle, in denen zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend waren und die Befriedigung der Gesellschafter ihrer Finanzierungsfolgenverantwortung widersprach. Dieses Gesetzesverständnis ist eindeutig und - soweit ersichtlich - auch unumstritten (wie hier etwa HmbKomm-InsO/Schröder, 4. Aufl., § 135 Rn. 18; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 135 Rn. 4; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 3. Aufl., § 39 Rn. 16; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 30 Anh. Rn. 30; vgl. auch OLG Naumburg, ZIP 2011, 677, 679; zweifelnd Gottwald/Haas/Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 428).

III.

15

Die Revision rügt zutreffend, dass das Berufungsgericht zur Höhe der ausgesprochenen Verurteilung unrichtig entschieden hat. Das Berufungsurteil verletzt in dieser Hinsicht § 129 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO. Die Klage ist nur in Höhe von 42.000 € begründet.

16

1. In einem echten Kontokorrent mit vereinbarter Kreditobergrenze scheidet eine Gläubigerbenachteiligung durch einzelne Kreditrückführungen aus, weil ohne sie die Kreditmittel, die der Schuldner danach tatsächlich noch erhalten hat, ihm nicht mehr zugeflossen wären. Nach der Kreditabrede stehen dort die Leistungen des Schuldners an den Gläubiger in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der dem Schuldner eingeräumten Möglichkeit, einen neuen Kredit zu ziehen. Anfechtbar sind solche Kreditrückführungen daher nicht in ihrer Summe, sondern nur bis zur eingeräumten Kreditobergrenze (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 174a). Mehr als die ausgeschöpften Mittel der Kreditlinie war im Schuldnervermögen nie vorhanden und für die Gläubigerbefriedigung einsetzbar.

17

2. Dieser Grundsatz ist hier einschlägig, weil die der Schuldnerin von der Beklagten fortlaufend gewährten Kredite durch ihre gleich bleibenden Bedingungen, ihre kurze Dauer, den mit ihrer Ausreichung verfolgten Zweck und das zwischen den Vertragspartnern bestehende Gesellschaftsverhältnis nach der Art eines Kontokorrentkredits miteinander verbunden sind. Wegen des Gebots, den wirtschaftlichen Vorgang vollständig und richtig zu erfassen, darf die einheitlich angelegte Vermögenszuwendung nicht mangels formaler Führung einer laufenden Rechnung und einer dauernden Kreditlinie sinnwidrig in voneinander unabhängige Einzeldarlehen zerlegt werden. Sonst würde der Masse mehr zurückgewährt, als die Schuldnerin jemals hatte.

18

a) Bei der rechtlichen Würdigung des Streitgegenstandes fällt entscheidend ins Gewicht, dass die Handhabung des Kreditverhältnisses in der Art eines Kontokorrents durch wechselseitige Aus- und Rückzahlungen innerhalb einer Kreditobergrenze verlief und der von der Beklagten verfolgte Zweck, der Schuldnerin fortwährend nur die zur Abführung der monatlich anfallenden Sozialversicherungsbeiträge benötigten Mittel vorzuschießen, allein im Wege der hier monatlich gewährten Kredite verwirklicht werden konnte. War das tatsächliche Ziel einer auf die Vorfinanzierung bestimmter öffentlicher Beihilfen beschränkten Kreditierung ohne zusätzliche Wirkungen nur durch die wiederholte Gewährung von Darlehen umsetzbar, ist es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sachgerecht, den Vorgang anfechtungsrechtlich wie einen Kontokorrentkredit zu behandeln. Der Vorbehalt der Beklagten, jeden Anschlusskredit neu zu bewilligen und keine dauernde Kreditlinie zu eröffnen, begrenzte ihr Kredit- und Insolvenzrisiko. Sie darf deshalb auch anfechtungsrechtlich nicht schlechter als bei einer jederzeit kündbaren unbefristeten Kreditlinie stehen.

19

aa) Der Schuldnerin wurden die in ihrer Eigenschaft als Beschäftigungsgesellschaft für ihre Arbeitnehmer monatlich zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge jeweils kurze Zeit nach Fälligkeit durch öffentliche Beihilfen erstattet. Die Darlehensgewährung durch die Beklagte als Alleingesellschafterin der Schuldnerin diente lediglich dem Zweck, der Schuldnerin diese öffentlichen Beihilfen monatlich kurzfristig vorzufinanzieren, um ihr die pünktliche Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu ermöglichen. Die Beihilfen wurden von der Schuldnerin nach Erhalt jeweils vereinbarungsgemäß zur Rückführung der Darlehen eingesetzt. Damit standen Darlehen und Beihilfen in engem sachlichen Zusammenhang mit der Tilgung der Sozialversicherungsbeiträge. Darlehenshingabe und Darlehensrückzahlung wiederholten sich in der geschilderten Art, weil die Schuldnerin dauerhaft nicht im Stande war, die Sozialversicherungsbeiträge vor Erhalt der Beihilfe aus eigenen Mitteln aufzubringen, und deshalb ständig gegenüber der Beklagten als ihrer Gesellschafterin zweitweise Kredit in Anspruch nahm. Infolge der jeweils nur vorübergehend benötigten Liquidität und des engen zeitlichen Zusammenhangs von Zahlung und Rückzahlung erfolgte die Abwicklung der nacheinander abgelösten Darlehen absprachegemäß in der Art eines Kontokorrentkredits. Der Schuldnerin wurde im Wege des Staffelkredits nicht ein Darlehensbetrag in der Summe der jeweiligen Einzeldarlehen, sondern infolge der jeweils vor erneuter Ausreichung bewirkten Rückführungen ebenso wie bei einem Kontokorrentkredit lediglich im Umfang des sich daraus ergebenden Saldos gewährt. Schon diese Umstände legen nahe, den durch einen sich fortlaufend erneuernden vorübergehenden Liquiditätsbedarf und entsprechende Erstattungszahlungen geprägten Vorgang der Gewährung eines Staffelkredits einer einheitlichen Bewertung im Sinne einer Kreditgewährung in laufender Rechnung zu unterziehen.

20

bb) Ferner kommt die Besonderheit hinzu, dass die Beklagte mit der Kreditgewährung lediglich den Zweck verfolgte, der Schuldnerin in der Art eines Kontokorrentkredits monatlich die zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge benötigten Mittel vorzufinanzieren, aber nicht bereit war, ihr wie eine Bank eine allgemeine, ihrer freien Verwendung überlassene Kreditlinie zu eröffnen. Da sich der Zweck der Darlehensbeteiligten, der Schuldnerin die rechtzeitige Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für ihre Arbeitnehmer zu ermöglichen, ohne Einrichtung eines Kontokorrents vorzugsweise durch laufende, nacheinander abgelöste Staffelkredite verwirklichen ließ, entspricht das Geschäft wirtschaftlich betrachtet der Eröffnung einer Kreditlinie.

21

Zwar hätte sich die Beklagte dazu entschließen können, der Schuldnerin anstelle von Staffelkrediten eine dauernde Kreditlinie einzuräumen. Dann hätte jedoch die Gefahr bestanden, dass die Schuldnerin die Mittel nicht nur zur Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge, sondern auch zur Deckung ihres sonstigen Geldbedarfs einsetzte. Bei Ausschöpfung einer solchen Kreditlinie für andere Zwecke hätten die Mittel dann nicht mehr zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge verwendet werden können. Die verwirklichte Zweckbindung konnte die Beklagte - ohne nähere Erwägung möglicherweise bestehender banktechnischer Alternativen - am ehesten sicherstellen, indem die Gelder monatlich jeweils unmittelbar vor Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge an die Beklagte überwiesen wurden und diese sie anschließend an die Einzugsstelle weiterleitete. Die Staffeldarlehen gingen wirtschaftlich daher nicht weiter als eine der Schuldnerin zweckgebunden für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge eingeräumte Kreditlinie, wobei die Darlehensmittel durch die nachfolgenden öffentlichen Beihilfen zurückgeführt wurden. Konnte dieser Zahlungserfolg ohne Hilfe eines Kontokorrents durch Vergabe von in gleicher Weise wie ein Kontokorrentkredit zurückgeführte Staffeldarlehen verwirklicht werden, so ist der Gesamtvorgang der Darlehensgewährung und Kredittilgung anfechtungsrechtlich wie die Eröffnung einer Kreditlinie zu beurteilen. Die Staffelung der nacheinander abgelösten Darlehen entspricht der Eröffnung eines Kontokorrentkredits, weil nur auf diese Weise ein jeweils aus gleichem Grund kurzfristig wiederkehrender Liquiditätsbedarf fortlaufend befriedigt werden konnte.

22

In diesen Erwägungen liegt nicht - wie die Revisionserwiderung im Anschluss an das Berufungsgericht meint - eine in der Insolvenzanfechtung unstatthafte hypothetische Betrachtungsweise, die eine Gläubigerbenachteiligung weder begründen noch ausschließen kann (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 Rn. 28; vom 19. April 2007 - IX ZR 199/03, WM 2007, 1133 Rn. 19). Maßgebend ist vielmehr der reale Zusammenhang zwischen den wechselseitigen Rechtshandlungen von Schuldnerin und Beklagter, wie er sich in der Kreditpraxis insbesondere bei Kontokorrentkrediten findet. Hierbei sind jedoch im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafterin die laufende Rechnung und die Eröffnung einer dauernden Kreditlinie nicht die anfechtungsrechtlich entscheidenden Gesichtspunkte.

23

b) Die anfechtungsrechtliche Gleichstellung der Finanzierungshilfe der Beklagten mit einem Kontokorrentkredit folgt aus dem weiteren Umstand, dass die Staffelkredite durch das zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestehende Gesellschaftsverhältnis miteinander verbunden wurden.

24

Ein Gesellschafterdarlehen kommt grundsätzlich mit Rücksicht auf das gesellschaftliche Band zwischen dem Gesellschafter und seiner Gesellschaft zustande und dient dem Zweck, die Belange der Gesellschaft zu fördern. Die neben dem Kreditverhältnis bestehende gesellschaftliche Treuepflicht kann einem Gesellschafter verbieten, gegenüber seiner GmbH einen Anspruch auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens durchzusetzen, wenn die Gesellschaft dadurch in eine Krise geriete (RG, JW 1937, 1986; OLG Koblenz, ZIP 1984, 1352, 1354 f; Ulmer/Raiser, GmbHG, § 14 Rn. 88; vgl. auch § 64 Satz 3 GmbHG). Fordert der Gesellschafter das seiner GmbH gewährte Darlehen zurück, kann er wegen einer möglichen Verletzung der Treuepflicht ihm drohende, mindestens auf Fortsetzung der Kredithilfe gerichtete Schadensersatzansprüche nicht ausschließen. Deshalb hatte die Beklagte bereits bei der Rückzahlung des ersten Darlehens auf die absehbare Liquiditätslage der Schuldnerin Bedacht zu nehmen. Erneuert der Gesellschafter zur Vermeidung einer etwaigen Haftung das ihm zurückerstattete Darlehen, sind die Vorgänge untrennbar miteinander verknüpft, weil das Erstdarlehen bei gleichem Ausfallrisiko durch das Zweitdarlehen ersetzt wird (§ 249 Abs. 1 BGB). Entsprechendes gilt für Folgedarlehen. Mithin werden nach Begleichung der vorherigen Kredite ausgereichte Staffeldarlehen durch die Treuepflicht zu einem einheitlichen Kreditverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft verbunden, so dass sich Tilgungsleistungen als Rückführung einer Kreditlinie darstellen.

25

c) Die aus § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO herzuleitende Klageforderung beschränkt sich auf den Betrag von 42.000 €.

26

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat noch unter der Geltung des Eigenkapitalersatzrechts angenommen, dass das ständige Stehenlassen von fälligen Forderungen einem fortlaufend bestehenbleibenden Kredit zwar nicht in Höhe der jeweiligen Einzelforderung, wohl aber in Höhe der Gesamtdurchschnittsforderung gleichsteht (BGH, Urteil vom 28. November 1994 - II ZR 77/93, ZIP 1995, 23, 24 f; vom 11. Oktober 2011 - II ZR 18/10, WM 2011, 2235 Rn. 10; vgl. auch OLG Hamburg, GmbHR 2006, 813, 814). Dieser Wertung kann in Anwendung des anfechtungsrechtlich ausgestalteten § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht uneingeschränkt gefolgt werden (HmbKomm-InsO/Schröder, 4. Aufl., § 135 Rn. 33a; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 30 Rn. 63a; aA Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., §§ 32a/b Rn. 43). Denn es kommt nicht mehr darauf an, in welcher Höhe die wiederkehrenden Darlehen der Beklagten an die Schuldnerin Eigenkapital ersetzend waren. Deshalb bestimmt sich der begründete Teil der Klageforderung auch nicht mehr nach dem durchschnittlich offenen Darlehensbetrag. Bankguthaben oder Zahlungsmittel sind der Masse vielmehr im Umfang des höchsten zurückgeführten Darlehensstandes entzogen worden, was dem von der Beklagten übernommenen Insolvenzrisiko entspricht. Dieser Stand war aufgrund der im Dezember 2008 gewährten Darlehen von 17.000 € und 25.000 € in der Zeit vom 19. Dezember 2008 bis zum 6. Januar 2009 erreicht.

27

In diesem Umfang kommt das vom Berufungsgericht verneinte Bargeschäft gemäß § 142 InsO von vornherein nicht in Frage. Denn es handelt sich bei der Rückführung dieser Darlehen um eine einseitige Deckungshandlung der Schuldnerin, der keinerlei ausgleichende Leistung der Beklagten gegenüberstand (vgl. OLG Celle, ZInsO 2012, 2050, 2051 unter 2.). In Höhe von 42.000 € nebst Zinsen ist deshalb das Berufungsurteil aufrecht zu erhalten. Wegen des weitergehenden Verurteilungsbetrags unterliegt es nach § 563 Abs. 3 ZPO der Aufhebung und Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Vill                             Raebel                             Lohmann

              Fischer                              Pape