Entscheidungsdatum: 18.11.2010
1. Die Klage eines Gläubigers auf Zinszahlung seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach dessen Aufhebung während der Treuhandphase ungeachtet einer möglichen späteren Restschuldbefreiung des Schuldners zulässig .
2. Zinsforderungen auf Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung werden auch dann nicht von der Restschuldbefreiung erfasst, wenn sie mangels Aufforderung zur Anmeldung nachrangiger Forderungen nicht mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind .
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 26. Februar 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
In dem am 7. November 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten (fortan auch Schuldner) meldete die Klägerin Forderungen aus zwei Darlehensverträgen zuzüglich Zinsen bis zur Verfahrenseröffnung zur Tabelle an. Aufgrund rechtskräftigen Anerkenntnisurteils vom 20. Juni 2006 steht fest, dass der beschränkte Widerspruch des Schuldners gegen die Anmeldung der Forderungen als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung durch Urteil beseitigt ist. Am 20. Dezember 2006 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Am 13. August 2008 erteilte das Insolvenzgericht der Klägerin vollstreckbare Ausfertigungen der Insolvenztabelle.
Die Klägerin begehrt Verurteilung des Schuldners zur Zahlung der ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum 31. Dezember 2008 aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 5 v.H. über dem jeweiligen Basiszins, insgesamt 4.139,25 €. Die Klage ist im ersten Rechtszug erfolgreich gewesen. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter.
Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Landgericht meint, die mit der Klage geltend gemachten Zinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nähmen gemäß § 302 Nr. 1 InsO nicht an einer eventuellen Restschuldbefreiung teil. Es reiche aus, dass die Hauptforderungen aus den dem Beklagten gewährten Krediten unter Angabe des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 174 Abs. 2 InsO zur Tabelle angemeldet worden seien. Dagegen sei unerheblich, dass die nach der Insolvenzeröffnung angefallenen Zinsen nicht angemeldet worden seien. Die Zinsforderung nehme an der Restschuldbefreiung nicht teil, weil es sich insgesamt um eine ausgenommene Forderung gemäß § 849 BGB handele. Es komme deshalb nicht darauf an, ob Zinsen, soweit sie als Verzugsfolgen geschuldet würden, nicht unter § 302 Nr. 1 InsO fielen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Die Erhebung einer Leistungsklage durch Insolvenzgläubiger ist nach § 87 InsO nur während des eröffneten Verfahrens ausgeschlossen. Nach Aufhebung des Verfahrens während der Wohlverhaltensphase sind die Insolvenzgläubiger nicht gehindert, ihre Ansprüche klageweise durchzusetzen.
a) Die Klägerin ist mit den im Streit stehenden Zinsansprüchen Insolvenzgläubigerin. Die Vorschrift des § 38 InsO begrenzt den Kreis der Insolvenzgläubiger grundsätzlich auf solche persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO werden jedoch auch die persönlichen Gläubiger erfasst, denen - wie hier der Klägerin - gegen den Schuldner laufende Zinsen und Säumniszuschläge auf Insolvenzforderungen zustehen.
b) Als Insolvenzgläubigerin kann sie gemäß § 201 Abs. 1 InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen - gemäß § 201 Abs. 3 InsO vorbehaltlich der Vorschriften über die Restschuldbefreiung - gegen den Schuldner geltend machen. Die laufende Wohlverhaltensphase steht dem nicht entgegen.
c) Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO hat keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer Klageerhebung (LG Arnsberg NZI 2004, 515; FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl., § 294 Rn. 20; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl., § 294 Rn. 5; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 294 Rn. 10). Soweit es in Einzelfällen für zumutbar gehalten wird, den Gläubiger mit seiner Klage auf die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verweisen, wenn er seine Forderung nicht angemeldet hat und deshalb kein schutzwürdiges Interesse an einer Titulierung während der Wohlverhaltensphase bestehen soll (vgl. HK-InsO/Landfermann aaO), kommt es hierauf vorliegend nicht an. Die Klägerin konnte ihre - nachrangige - Zinsforderung im Verfahren nicht anmelden (vgl. § 174 Abs. 3 InsO). Ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung schon während der Wohlverhaltensphase ist damit gegeben. Da die spätere Erteilung der Restschuldbefreiung nicht feststeht, brauchte die Klägerin für den Streitgegenstand keine titelergänzende Feststellung des Rechtsgrunds zu erwirken, obwohl die Rechtskraft des Anerkenntnisurteils sich auf die hier im Streit stehenden Zinsen nicht erstreckt.
2. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es nicht darauf an, ob die Zinsen der Restschuldbefreiung unterliegen. Die Forderung wird erstmals tituliert. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass von einer nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommenen Forderung auch die auf diese Forderung nach Verfahrenseröffnung entfallenden Zinsen erfasst werden, ohne dass es der Anmeldung der Zinsforderung nach § 174 Abs. 2 InsO bedarf, wenn es zu der besonderen Aufforderung nach § 174 Abs. 3 InsO nicht kommt.
a) Nach § 302 Nr. 1 InsO werden Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von der Restschuldbefreiung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Hauptforderungen der Klägerin und der bis zur Verfahrenseröffnung angefallenen Zinsansprüche geschehen. Aufgrund rechtskräftigen Anerkenntnisurteils steht fest, dass die Klägerin insoweit über ausgenommene Forderungen verfügt. Jedenfalls bei nicht anmeldbaren Nebenforderungen (vgl. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) zu einer entsprechend angemeldeten Hauptforderung erhält sich der Insolvenzgläubiger seine Rechte aus § 302 Nr. 1 InsO auch ohne Anmeldung.
Eine Anmeldung der nach Verfahrenseröffnung anfallenden Zinsen konnte nicht erfolgen, weil es sich insoweit um nachrangige Insolvenzforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO handelt. Nachrangige Forderungen können gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO nur angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht besonders dazu auffordert. Zu einer solchen Aufforderung, die regelmäßig nur ergeht, wenn die Insolvenzmasse ausreicht, um alle nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger zu befriedigen, und ein Überschuss verbleibt (vgl. Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 174 Rn. 51), ist es nicht gekommen. Die Klägerin muss gleichwohl auch im Hinblick auf die Zinsen nach Verfahrenseröffnung als Inhaberin einer ausgenommenen Forderung angesehen werden. Das Erfordernis der Anmeldung der Forderung mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gilt nur hinsichtlich der Hauptforderung und vor Verfahrenseröffnung angefallener Zinsen, nicht aber der aufgrund dieser Hauptforderung entstehenden Zinsen, die nach Verfahrenseröffnung fällig werden.
b) Es ist weder der Ursprungsfassung der Insolvenzordnung noch der durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 (BGBl. I S. 2710) geänderten Fassung zu entnehmen, dass der Gesetzgeber Gläubiger, die über eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gegen den Schuldner verfügen, nur hinsichtlich der Hauptforderung von der Restschuldbefreiung ausnehmen wollte. Nach der Ursprungsfassung der Insolvenzordnung waren sämtliche Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Dass hierzu auch Zinsen gehörten, konnte keinen Zweifeln unterliegen. Ziel der Änderung des § 302 Nr. 1 InsO durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 war nach dessen Begründung (BT-Drucks. 14/5680, S. 27, 29), dem Interesse des Schuldners an einer möglichst frühzeitigen Information über den Umfang der Forderungen Rechnung zu tragen, die nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden. Dieser Zweck gebietet es nicht, dem Gläubiger einer ausgenommenen Forderung nur dann das Privileg des § 302 Nr. 1 InsO zukommen zu lassen, wenn er auch die Nebenforderungen, wie etwa die hier in Rede stehenden Zinsen, mit dem Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet hat. Eine solche Beschränkung des Umfangs der ausgenommenen Forderungen sollte mit dem am 1. Dezember 2001 in Kraft getretenen Insolvenzrechtsänderungsgesetz nicht verbunden sein. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber es von der durch den Gläubiger nicht zu beeinflussenden Frage, ob das Vermögen des Schuldners ausreicht, um zu einer Aufforderung nach § 174 Abs. 3 InsO zu kommen, abhängig machen wollte, ob der Gläubiger nach Verfahrenseröffnung anfallende Zinsen auf eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung anmelden kann. § 302 Nr. 1 InsO ist deshalb so zu verstehen, dass die von der Restschuldbefreiung nach dieser Vorschrift ausgenommenen Verbindlichkeiten insgesamt erfasst werden, wenn die jeweilige Hauptforderung mit dem entsprechenden Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet ist. Der Schuldner ist auch wegen der nicht anmeldefähigen Nebenforderungen durch die Anmeldung der Hauptforderung und ihres Rechtsgrunds hinreichend gewarnt.
3. Das Berufungsgericht hat die sachlichen Voraussetzungen des § 302 Nr. 1 InsO mit Recht bejaht. Ob seine Annahme, die Verzinsung mit einem Zinssatz von 5 %-Punkten über dem Basiszins sei hier schon aus § 849 BGB abzuleiten, richtig ist, kann dahingestellt bleiben, weil der Zinsanspruch als Nebenforderung (vgl. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) an der Qualifizierung der Hauptforderung als solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung teilnimmt.
a) Die Frage, ob Zinsen auf einen Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung von § 302 Nr. 1 InsO erfasst werden oder ungeachtet der Ausnahmeregelung der Restschuldbefreiung unterliegen, wird unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Zinsen und Kosten, die im Zusammenhang mit einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung entstünden, nähmen grundsätzlich an der Restschuldbefreiung teil und fielen deshalb nicht unter § 302 Nr. 1 InsO. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Zinsen nicht als Verzugsfolgen, sondern aus § 849 BGB geltend gemacht werden würden (KG, ZInsO 2009, 280, 282; FK-InsO/Ahrens, aaO, § 302 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl., § 302 Rn. 8; Rinjes, DZWIR 2002, 415). Nach anderer Ansicht sollen Nebenforderungen wie Zinsen und Kosten dagegen in vollem Umfang von der Restschuldbefreiung ausgenommen sein, weil sie insoweit das Schicksal der Hauptforderung teilten (LG Köln NZI 2005, 406, 407; HK-InsO/Landfermann, aaO, § 302 Rn. 11; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 184 Rn. 54 ff; Uhlenbruck/Vallender, aaO, § 302 Rn. 2a).
b) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Der Schutz des durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung geschädigten Gläubigers durch § 302 Nr. 1 InsO wäre unvollständig, würde man nur die Hauptforderung, nicht aber die durch die Handlung verursachten Nebenforderungen von der Restschuldbefreiung ausnehmen. Der Schuldner könnte wegen dieser Verbindlichkeiten nicht mehr in Anspruch genommen werden, obwohl nach dem Wortlaut des § 302 Nr. 1 InsO grundsätzlich alle Verbindlichkeiten, die auf eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zurückzuführen sind, nicht an der Restschuldbefreiung teilhaben sollen. Anders als im Fall der Parallelvorschrift des § 850f Abs. 2 BGB, bei der ebenfalls um die Frage gestritten wird, ob nur wegen der Hauptforderung oder auch wegen der weiteren Nebenforderungen in den Vorrechtsbereich vollstreckt werden darf (vgl. Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, § 850f Rn. 42 f; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 850f Rn. 8), wäre bei Erstreckung der Restschuldbefreiung auf die Nebenforderungen nicht nur die Vollstreckung in den Vorrechtsbereich ausgeschlossen. Vielmehr könnte der Gläubiger hier seine Ansprüche nach Erteilung der Restschuldbefreiung überhaupt nicht mehr durchsetzen (vgl. Pape/Schaltke aaO).
c) Diese Auslegung entspricht der zum Anwendungsbereich des § 393 BGB vertretenen Rechtsauffassung, der ebenso wie § 302 Nr. 1 InsO dazu dient, die Durchsetzbarkeit von Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zu sichern und zu erhalten. Zu den Passivforderungen, die durch das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB privilegiert werden, gehören auch Forderungen auf Erstattung von Folgeschäden eines vorsätzlichen Delikts wie etwa Kostenerstattungsansprüche bei der gerichtlichen Durchsetzung der Schadensersatzforderung sowie der Anspruch auf Verzugszinsen (OLG Karlsruhe MDR 1969, 483; OLG Köln NJW-RR 1990, 829 f; Staudinger/Gursky, BGB 13. Bearb. 2006, § 393 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Schlüter, 5. Aufl., § 393 Rn. 3; Erman/Wagner, BGB 12. Aufl., § 393 Rn. 2; vgl. auch BFHE 178, 532, 537). Entsprechendes muss auch für die Ausnahme von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO gelten.
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape