Entscheidungsdatum: 24.09.2015
Tilgt der Schuldner eine zum Zwecke des Forderungseinzugs treuhänderisch abgetretene Forderung gegenüber einem Inkassounternehmen als Forderungszessionar, kann die Zahlung nach Weiterleitung an den ursprünglichen Forderungsinhaber nur diesem gegenüber und nicht gegenüber dem Inkassounternehmen angefochten werden.
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 4. Dezember 2014 gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.
Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, bis zum 30. November 2015 Stellung zu nehmen.
Der Streitwert wird auf 25.000 € festgesetzt.
I.
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag vom 11. August 2011 über das Vermögen der W. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 27. September 2011 eröffneten Insolvenzverfahren.
Die Schuldnerin setzte die Beklagte zu 1 als Lieferantin von Fensterelementen bei einem Bauvorhaben als Subunternehmerin ein. Aus der Geschäftsbeziehung standen zugunsten der Beklagten zu 1 Ende des Jahres 2010 erhebliche Rechnungsbeträge offen. Nachdem mehrere Mahnungen gegenüber der Schuldnerin fruchtlos blieben, übertrug die Beklagte zu 1 den Forderungseinzug auf die Beklagte zu 2, die ein Inkassounternehmen betreibt. Im Rahmen einer mit der Beklagten zu 2 getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung entrichtete die Schuldnerin von Februar bis Juni 2011 insgesamt 25.000 € auf die Forderung der Beklagten zu 1.
Der Kläger nimmt die Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung als Gesamtschuldner auf Erstattung dieses Betrages zuzüglich Nebenforderungen in Anspruch. Das Oberlandesgericht hat der Klage gegenüber der Beklagten zu 1 stattgegeben und sie gegenüber der Beklagten zu 2 abgewiesen. Die Verurteilung der Beklagten zu 1 ist rechtskräftig, nachdem der Senat ihre Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen hat. Mit der insoweit von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren gegen die Beklagte zu 2 weiter.
II.
Der Senat beabsichtigt, nach § 552a ZPO zu verfahren. Ein Zulassungsgrund greift nicht durch, weil die hier zu entscheidende Rechtsfrage in Übereinstimmung mit der zutreffenden rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts geklärt ist.
Tilgt der Schuldner eine zum Zwecke des Forderungseinzugs treuhänderisch abgetretene Forderung gegenüber einem Inkassounternehmen als Forderungszessionar, kann die Zahlung - wie sich aus dem Senatsurteil vom 3. April 2014 (IX ZR 201/13, WM 2014, 1009) ergibt - nach Weiterleitung an den ursprünglichen Forderungsinhaber nur diesem gegenüber und nicht gegenüber dem Inkassounternehmen angefochten werden. An dieser Würdigung, die durch die Einwände des Klägers nicht in Frage gestellt wird, hält der Senat auch im Streitfall fest.
1. Wird ein Dritter als Empfangsbeauftragter des Gläubigers eingeschaltet, ist der Gläubiger und nicht der Empfangsbeauftragte als Leistungsempfänger zur Rückgewähr verpflichtet. Aufgrund der treuhänderischen Pflicht zur Weiterleitung des Betrages ist nicht der Treuhänder, sondern der Treugeber als Gläubiger der Forderung Leistungsempfänger. Hat der Treugeber mit dem Eingang der Zahlung auf dem Konto des Treuhänders gegen diesen aus dem Treuhand- und Auftragsverhältnis einen Herausgabeanspruch aus § 667 BGB erworben, ist er unmittelbarer Empfänger der Schuldnerleistung und damit Rückgewährschuldner gemäß § 143 Abs. 1 InsO geworden. Dies gilt nach gefestigter Rechtsprechung auch, wenn die Zahlung einem uneigennützigen Treuhänder zu dem Zweck zugewandt wird, sie insgesamt an den Gläubiger zu übertragen (BGH, Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZR 85/06, WM 2009, 811 Rn. 2; vom 16. Juli 2009 - IX ZR 53/08, NZI 2010, 320 Rn. 2; Urteil vom 17. Dezember 2009 - IX ZR 16/09, NZI 2010, 295 Rn. 12; vom 3. April 2014, aaO Rn. 14; Kayser in Festschrift Ganter, 2010, S. 221, 231).
2. Diese Bewertung greift auch dann durch, wenn ein Dritter die Forderung des ursprünglichen Inhabers nicht lediglich als Empfangsberechtigter, sondern im Wege einer Inkassozession einzieht. Auch hier ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Zedent, dem die Forderung nach Einzug durch den Inkassozessionar vereinbarungsgemäß ausgekehrt wurde, alleiniger Empfänger der Schuldnerleistung (BGH, Urteil vom 3. April 2014, aaO Rn. 15 ff).
a) Der Schuldner wird von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn er die Forderung - nach Maßgabe der jeweiligen gewählten rechtlichen Gestaltung - gegenüber dem Inkassozessionar als Abtretungsempfänger oder gegenüber dem Forderungsinhaber durch Zahlung an den Inkassoermächtigten begleicht (BGH, aaO Rn. 21). Im Hinblick auf die Befreiungswirkung ist es für den Schuldner ohne Bedeutung, dass bei der Inkassozession wegen der damit verbundenen Vollabtretung Erfüllung unmittelbar im Verhältnis zu dem Inkassozessionar (§ 362 Abs. 1 BGB) und bei der Einziehungsermächtigung im Verhältnis zu dem Forderungsinhaber durch Zahlung an den Ermächtigten (§ 362 Abs. 1, § 185 BGB) bewirkt wird (BGH, aaO Rn. 22).
b) Der Inkassozessionar ist kraft des Treuhandverhältnisses gemäß §§ 667, 675 BGB verpflichtet, die Forderung für Rechnung und im Interesse des Zedenten einzuziehen. Gleiches gilt für den Ermächtigten im Verhältnis zu dem Forderungsinhaber (BGH, aaO Rn. 22). Vor dem Hintergrund der für das Anfechtungsrecht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird in beiden Gestaltungen die Forderung auf Rechnung des Zedenten oder Forderungsinhabers eingezogen. Die Zahlung an einen Inkassozessionar als Geheißperson ist der Zahlung an den Gläubiger gleichzustellen. Anfechtungsgegner ist nur, wer im Ergebnis gegenüber der Gläubigergesamtheit bevorzugt wurde. Dies ist der Zedent, an den der Inkassozessionar die empfangene Leistung treuhänderisch weitergeleitet hat (BGH, aaO).
c) Für diese Würdigung ist es nicht ausschlaggebend, ob die Inkassogesellschaft die Zahlungen des Schuldners über ein Treuhandkonto oder - wie im Streitfall - über ihr allgemeines Geschäftskonto eingezogen hat. Die aus §§ 667, 675 BGB folgende Pflicht des Inkassounternehmens zur Auskehr der empfangenen Beträge bildet den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt, den ursprünglichen Forderungsinhaber als Leistungsempfänger im Sinne des § 143 Abs. 1 InsO einzustufen. Insoweit ist die dingliche Zuordnung des eingezogenen Erlöses bedeutungslos (BGH, aaO Rn. 23).
d) Eine andere Beurteilung folgt schließlich nicht daraus, dass bei der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Steuern die Einzugsstelle auch insoweit Anfechtungsgegner ist, als die Mittel von ihr im Innenverhältnis an einen anderen Rechtsträger abzuführen sind. Wesentlicher Grund hierfür ist, dass im Außenverhältnis der Einzugsstelle zu dem Beitragsschuldner dieser nur an die Einzugsstelle mit befreiender Wirkung leisten kann. Deshalb ist die Einzugsstelle wie eine Vollrechtsinhaberin anzusehen. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Empfangszuständigkeit des Leistungsempfängers erst durch eine Verfügung des Forderungsinhabers - sei es eine Abtretung oder die Erteilung einer Einziehungsermächtigung - begründet wird. Da in dieser Konstellation der ursprüngliche Forderungsinhaber aus freiem Entschluss einen Dritten mit dem treuhänderischen Forderungseinzug betraut hat, muss er sich weiterhin als Leistungsempfänger behandeln lassen (BGH, aaO Rn. 24).
e) Diese rechtliche Würdigung entspricht den Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs, dem für die Insolvenzanfechtung in Mehrpersonenverhältnissen Leitbildfunktion zukommt (BGH, aaO Rn. 24). Bei einer rechtsgrundlosen Zahlung auf eine abgetretene Forderung richtet sich der bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsanspruch grundsätzlich nicht gegen den Abtretungsempfänger (Zessionar), sondern gegen den Zedenten als vermeintlichen ursprünglichen Forderungsinhaber (BGH, aaO). Bei dieser Sachlage ist es zutreffend, die Beklagte zu 1 als wirtschaftliche Forderungsinhaberin der Anfechtung zu unterwerfen.
f) Es kann dahinstehen, ob in besonders gelagerten Fällen ausnahmsweise eine Anfechtung unmittelbar gegen den Inkassozessionar durchgreift. Dies könnte etwa zu erwägen sein, wenn der Anfechtungsanspruch gegen ihn geltend gemacht wird, weil er die eingezogenen Gelder an den Inkassozedenten abgeführt hat (vgl. Kayser in Festschrift Ganter, 2010, S. 221, 231). Eine derartige Konstellation ist indessen vorliegend - soweit die Beklagte zu 2 von dem an die Beklagte zu 1 abgeführten Betrag ihre Vergütung abgezogen hat - nicht gegeben. Dank der entgeltlichen Einschaltung der Beklagten zu 2 wurde zugunsten der Beklagten zu 1 ein Forderungsbetrag von 25.000 € erlöst. Soweit die Beklagte zu 2 hiervon ihre Provision in Abzug bringt, beruht dies auf der eigenverantwortlichen Entscheidung der Beklagten zu 1, die Beklagte zu 2 als Inkassogesellschaft mit dem Forderungseinzug zu betrauen. Der Forderungseinzug setzte die Beklagte zu 1 in den Stand, die Vergütung der Beklagten zu 2 aus dem eingezogenen Betrag zu begleichen, ohne auf sonstige Mittel zurückgreifen zu müssen. Darum hat die Beklagte zu 1 bei wertender Betrachtung, zumal sie von dem gegen sie gerichteten anfechtungsrechtlichen Erstattungsanspruch nicht die an die Beklagte zu 2 gezahlte Provision in Abzug bringen kann (BGH, aaO Rn. 43), den vollen Betrag erlangt.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Bär
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.