Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 10.07.2014


BGH 10.07.2014 - IX ZR 287/13

Insolvenzeröffnungsverfahren: Insolvenzrechtliche Unerheblichkeit der Zahlungsunwilligkeit des Insolvenzschuldners


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
10.07.2014
Aktenzeichen:
IX ZR 287/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Düsseldorf, 22. November 2013, Az: I-22 U 78/13vorgehend LG Krefeld, 24. April 2013, Az: 5 O 387/12
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. November 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 93.296 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsrund auf. Die angefochtene Entscheidung wird bereits durch die Hauptbegründung getragen, dass die Aufrechnung der Beklagten an § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 133 Abs. 1 InsO scheitert.

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1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass § 133 Abs. 1 InsO eingreift, weil der Schuldner mit einem von der Beklagten erkannten Benachteiligungsvorsatz vorgegangen ist.

3

a) Der Schuldner handelt dann mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Er muss also entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder aber sich diese Folge als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 84; vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, WM 2007, 1579 Rn. 8). Hat der Schuldners sich die Benachteiligung nur als möglich vorgestellt, so ist zu unterscheiden, ob er den Fall, dass sie nicht eintrete, erwartet und wünscht, oder ob er die Benachteiligung in Kauf nimmt, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen. Im ersteren Fall hat er die Benachteiligung nicht gewollt, im zweiten dagegen ist der Benachteiligungsvorsatz gegeben (BGH, Urteil vom 26. Februar 1969 - VIII ZR 41/67, WM 1969, 374, 376).

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b) Danach sind die Voraussetzungen eines Benachteiligungsvorsatzes im Streitfall erfüllt. Der Schuldner hat, wie die Beklagte erkannte, eine Gläubigerbenachteiligung gebilligt, weil er in Kenntnis der gegen ihn gerichteten Forderungen seiner Arbeitnehmer, ohne die gerichtliche Klärung der bereits anhängigen Rechtsstreitigkeiten abzuwarten, die Beklagte bevorzugt befriedigt hat. Selbst wenn er die Forderungen der Arbeitnehmer persönlich als unbegründet erachtete, hat er in Kauf genommen, dass diese Forderungen, wenn sie - wie tatsächlich geschehen - rechtskräftig zuerkannt werden, infolge der vorherigen Befriedigung der Beklagten einen Ausfall erleiden.

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2. Die Feststellung einer Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) des Schuldners scheitert nicht - wie die Beklagte geltend macht - daran, dass dieser lediglich zahlungsunwillig war.

6

Die im Insolvenzrecht unerhebliche Zahlungsunwilligkeit liegt nur vor, wenn gleichzeitig Zahlungsfähigkeit gegeben ist. Lag eine Zahlungseinstellung vor, wird gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet, dass nicht lediglich Zahlungsunwilligkeit, sondern Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Die Zahlungsunfähigkeit kann vom Prozessgegner widerlegt werden. Dazu ist es ihm unbenommen, der auf eine Zahlungseinstellung gestützten Annahme der Zahlungsunfähigkeit etwa durch den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens oder auf Vernehmung vom Zeugen zum Nachweis entgegenzutreten, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum für den Schuldner eine Deckungslücke von weniger als 10 v.H. auswies (BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, WM 2012, 711, Rn. 18). Einen solchen Antrag hat die Beklagte ausweislich ihres Beschwerdevorbringens nicht gestellt.

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3. Der geltend gemachte Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht gegeben.

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Insoweit ist das Vorbringen der Beklagten bereits widersprüchlich, weil sie einerseits geltend macht, von der Unbegründetheit der weiteren gegen den Schuldner gerichteten Forderungen ausgegangen zu sein, die Gehörsrüge hingegen darauf stützt, von diesen Forderungen überhaupt keine Kenntnis gehabt zu haben. Davon abgesehen kann die Beklagte mit diesem Vorbringen nicht durchdringen, weil das Berufungsgericht eine Kenntnis der Forderungen festgestellt hat. Diese tatbestandlichen Feststellungen können mangels Einlegung eines Tatbestandsberichtigungsantrags (§ 320 ZPO) in dem Beschwerdeverfahren nicht mehr mit Verfahrensrügen angegriffen werden, sondern sind als bindend zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 12; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, WM 2013, 1115 Rn. 19).

9

4. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Kayser                       Gehrlein                      Lohmann

               Fischer                         Pape