Entscheidungsdatum: 21.12.2010
1. Wer sich im Internet als Rechtsnachfolger eines Unternehmens ausgibt, hat gegenüber gutgläubigen Dritten für dessen Verbindlichkeiten einzustehen .
2. Provisionen für den Vertrieb eines Anlagemodells unterliegen als objektiv unentgeltliche Leistung der Anfechtung, wenn der Betrag der an Anleger ausgezahlten Scheingewinne ihre Berechnungsgrundlage bildet .
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. März 2010 gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.
Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, bis zum 4. März 2011 Stellung zu nehmen.
Der Streitwert wird auf 106.632,40 € festgesetzt.
I.
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Juli 2005 über das Vermögen der P. GmbH (fortan: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.
Die Schuldnerin bot Kunden ab dem Jahr 1992 mit der Beteiligung P. M. (PM.) die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 vom Hundert und 14,07 vom Hundert. Die Gelder der Anleger wurden von der Schuldnerin, die tatsächlich nur Verluste erwirtschaftete, lediglich zu einem geringen Teil und später gar nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Den Anlegern wurden in betrügerischer Weise manipulierte Kontoauszüge zugeleitet, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" dazu, Auszahlungen an Altkunden sowie Zahlungen für laufende Geschäfts- und Betriebskosten zu bestreiten.
Die Schuldnerin schloss zur Förderung des Absatzes ihres Anlagemodells PM. am 26. April 1994 mit der I. (nachfolgend GbR) eine Vertriebsvereinbarung. Danach wurde der GbR zum einen eine Abschlussprovision für das Zustandekommen von Verträgen mit Anlegern gewährt. Außerdem enthielt § 6 Nr. 2 des Vertrages folgende Regelung: "Als Folgeprovision erhält der Vermittler für jede Abrechnungsperiode (ein Monat) 0,4 % des arithmetischen Mittelwertes der Einlage der von ihm betreuten Kunden zu Beginn der Abrechnungsperiode und der Einlage zu Beginn der folgenden Abrechnungsperiode".
Mit vorliegender Klage verlangt der Kläger im Wege der Anfechtung von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der GbR Erstattung empfangener Folgeprovisionen in Höhe von 105.581,69 € sowie von 1.417,13 US-Dollar. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung bei ZIP 2010, 938 abgedruckt ist, die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
II.
Der Senat beabsichtigt, nach § 552a ZPO vorzugehen. Ein Zulassungsgrund greift nicht durch, weil die hier zu entscheidenden Rechtsfragen anhand bereits ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung beantwortet werden können. Auch hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden (§ 552a ZPO).
1. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf eine fehlende Passivlegitimation. Dieser Einwand ist nicht zu berücksichtigen, weil sich die Beklagte damit treuwidrig mit eigenem Verhalten in Widerspruch setzt.
a) Eine Rechtsscheinhaftung kann in Betracht kommen, wenn der Anschein entsteht, dass zwei voneinander unabhängige Rechtssubjekte eine Einheit bilden (Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht 1971 § 15 III., S. 177 f). Mithin muss ein Unternehmen einen zurechenbar erzeugten Rechtsschein, mit einem anderen Unternehmen identisch zu sein, gegen sich gelten lassen (Röhricht in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB 3. Aufl. Anh. § 5 Rn. 26). Erweckt ein Unternehmen im Geschäftsverkehr den Eindruck, ein fast namensgleiches Unternehmen fortzuführen, so verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn es geltend macht, für einen gegen das andere Unternehmen gerichteten Schadensersatzanspruch nicht passivlegitimiert zu sein (BGH, Urt. v. 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335; v. 7. Dezember 1989 - VII ZR 130/88, NJW-RR 1990, 417, 418; vgl. auch BGH, v. 15. Januar 1986 - VIII ZR 6/85, NJW-RR 1986, 456, 457). Tritt ein Unternehmen aufgrund der nach außen angezeigten Rechtsnachfolge als Schuldner einer Forderung auf, ist ihm folglich der Einwand fehlender Passivlegitimation verwehrt (vgl. Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. § 6 Rn. 83).
b) Die Beklagte hat die Darstellung des Klägers zu den Vertragsbeziehungen der Parteien in der Klageerwiderung zunächst ausdrücklich unstreitig gestellt. Erst in einem nachfolgenden Schriftsatz wurde die Passivlegitimation in Abrede genommen. Tatsächlich hat sich die Beklagte auf ihrer Website ausdrücklich als Rechtsnachfolgerin der GbR bezeichnet. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass als Grund für die Rechtsnachfolge "neue Gesetzgebungen im europäischen Versicherungsrecht" angegeben wurden. Aufgrund dieser Erklärung darf der gutgläubige Rechtsverkehr, mithin auch der Kläger, auf eine umfassende, nicht auf den Versicherungssektor begrenzte Rechtsnachfolge der Beklagten vertrauen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte und die GbR über die weitgehende Identität ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer hinaus nahezu namensgleich sind.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Der Kläger kann gemäß § 134 Abs. 1 InsO von der Beklagten Erstattung der Folgeprovisionen beanspruchen, weil es sich dabei um unentgeltliche Leistungen handelt.
a) Die Regelung des § 134 Abs. 1 InsO will Gläubiger entgeltlich begründeter Rechte gegen die Folgen unentgeltlicher Verfügungen des Schuldners innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vor Insolvenzeröffnung schützen. Die Interessen der durch eine unentgeltliche Leistung Begünstigten sollen den Interessen der Gläubigergesamtheit weichen. Dieser Zweck gebietet eine weite Auslegung des Begriffs der Unentgeltlichkeit (BGHZ 113, 393, 396; BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 - IX ZR 429/97, ZIP 1999, 316, 317). Unentgeltlich ist danach eine Leistung, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert zufließen soll (BGHZ 113, 98, 101; BGH, Urt. v. 13. März 2008 - IX ZR 117/07, WM 2008, 1033, Rn. 7). Der insolvenzrechtliche Begriff der unentgeltlichen Leistung setzt eine Einigung über die Unentgeltlichkeit als solche nicht voraus. Maßgebend ist in erster Linie der objektive Sachverhalt. Erst wenn feststeht, dass der Zuwendungsempfänger einen Gegenwert für seine Zuwendung erbracht hat, ist zu prüfen, ob gleichwohl der Hauptzweck des Geschäfts Freigiebigkeit gewesen ist (BGHZ 162, 276, 280 f m.w.N.). Danach kann der Insolvenzverwalter die Auszahlung von in Schneeballsystemen erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung anfechten, weil einseitigen Vorstellungen des Leistungsempfängers über eine Entgeltlichkeit der Leistung selbst dann keine Bedeutung zukommt, wenn der Irrtum durch den Schuldner hervorgerufen worden ist (BGHZ 113, 98, 102 ff; 179, 137, 140 Rn. 6).
b) Die der Beklagten auf der Grundlage der Auszahlung von Scheingewinnen gewährten Folgeprovisionen stellen danach eine unentgeltliche Leistung dar.
aa) Nach § 6 der Vertriebsvereinbarung erhält die Beklagte für jede Abrechnungsperiode (ein Monat) 0,4 % des arithmetischen Mittelwerts der Einlage der von ihr betreuten Kunden zu Beginn der Abrechnungsperiode und der Einlage zu Beginn der folgenden Abrechnungsperiode. Damit bemisst sich die Folgeprovision nach der Höhe der Gewinne, die den Anlegern gutgeschrieben wurden. Insoweit handelt es sich jedoch um Scheingewinne, die ihrerseits nach § 134 InsO der Anfechtung unterliegen. Diese Gewinne können mithin bei der Berechnung der Folgeprovision nicht berücksichtigt werden. Bei dieser Sachlage entbehren die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte einer vertraglichen Grundlage und sind mithin rechtsgrundlos (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgt. Bei Zahlung auf eine Nichtschuld fehlt es, selbst wenn einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch § 814 BGB entgegensteht, an der Entgeltlichkeit der Leistung. Der von der Schuldnerin bei der Beklagten hervorgerufene Irrtum über eine Entgeltlichkeit der Provisionszahlungen ist unbeachtlich (BGHZ 179, 137, 140 Rn. 6; Uhlenbruck/Hirte, InsO 13. Aufl. § 134 Rn. 36; Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 134 Rn. 46).
bb) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, für die Provisionszahlungen durch die Betreuung der Kunden Gegenleistungen erbracht zu haben. Ob der Schuldner einen Gegenwert erlangt hat, unterliegt einer objektiven Bewertung (BGHZ 113, 98, 102; 113, 393, 397; 162, 276, 281; BGH, Urt. v. 10. Mai 1978 - VIII ZR 32/77, WM 1978, 671, 674). Es muss also auf die tatsächlichen Gegebenheiten abgestellt werden (BGHZ 113, 98, 103). Die Betreuungsdienste der Beklagten waren objektiv ohne Wert, weil das Anlagemodell wegen seines betrügerischen Charakters von vornherein keine tatsächlichen Gewinne erwirtschaftet hat. Die Beklagte wurde nicht für die Betreuungsleistungen als solche, sondern in Abhängigkeit vom jeweiligen Beteiligungswert der Anlage vergütet. Insoweit knüpfte die Vergütung an einen tatsächlichen Erfolg an, der sich in Wahrheit nicht realisiert hat. Bei dieser Sachlage kommt den Betreuungsdiensten der Beklagten ein objektiver Wert nicht zu. Deswegen sind auch Zahlungen auf eine auf Scheingewinnen beruhende Vermittlungsprovision unentgeltlich (Gottwald/Huber, Insolvenzrecht-Handbuch, 4. Aufl. § 49 Rn. 11).
3. Da die vorliegende Anfechtungsklage auf Zahlung gerichtet ist, kann ein Grundurteil (§ 304 Abs. 1 ZPO) ergehen (BGH, Urt. v. 15. Dezember 1994 - IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093, 1095).
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.