Entscheidungsdatum: 15.04.2010
Lassen sich hinsichtlich einer im Strafbefehlsverfahren verhängten Geldstrafe wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung des Mandanten keine konkreten Feststellungen zur subjektiven Tatbestandsseite treffen, so kann der Steuerberater, der unrichtige Angaben bei der Steuererklärung gemacht hat, verpflichtet sein, den durch die verhängte Geldstrafe entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen.
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Oktober 2009 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Inhaber eines Einzelunternehmens für Sicherheitstechnik, das in seinem Wohnhaus untergebracht ist. Der betrieblich genutzte Teil macht etwa 40 Prozent aus; die übrige Nutzung ist privater Art. Der beklagte Steuerberater fertigte seit 1997 die privaten und gewerblichen Steuererklärungen des Klägers an. Ende 2004 führte die Finanzbehörde beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002 durch. Hierbei wurde festgestellt, dass der Kläger die private Nutzung eines PKW sowie den privaten Anteil der Kosten für Heizung und Strom seines Anwesens nicht angegeben hatte. Die hierdurch verursachten Fehlbeträge an Einkommen- und Umsatzsteuer beliefen sich für das Jahr 2000 auf 8.192 DM, für 2001 auf 7.174 DM und für 2002 auf 4.257 €. Die entsprechenden Steuernachzahlungen erbrachte der Kläger. Gegen ihn wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, das mit dem Erlass eines Strafbefehls abgeschlossen wurde. Unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Finanzamts wurde gegen den Kläger wegen Hinterziehung von Einkommen- und Umsatzsteuer eine Gesamtgeldstrafe von 65 Tagessätzen festgesetzt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit 110 € in Ansatz gebracht. Einschließlich der Kosten für das Strafbefehlsverfahren entrichtete der Kläger insgesamt 7.218,93 € an die Staatskasse. Ferner zahlte er auf die hinterzogenen Steuern einen Zinsbetrag in Höhe von 1.021 € an die Finanzkasse.
Der Kläger nimmt den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung auf Zahlung beider Beträge, insgesamt 8.239,93 €, in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von einem Drittel - in Höhe von 5.493,28 € stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei den vom Kläger geltend gemachten Beträgen handele es sich um einen erstattungsfähigen Schaden. Es sei grundsätzlich anerkannt, dass ein derartiger Schaden auch in einer staatlich verhängten Strafe bestehen könne. Soweit vertreten werde, dies gelte nicht für eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehung, überzeuge dies nicht in Fällen, in denen weder im Ermittlungsverfahren noch im Strafbefehl tatsächliche Feststellungen zum subjektiven Tatbestand getroffen worden seien. Dass der Kläger nicht bloß fahrlässig auf die Richtigkeit der Angaben des Steuerberaters vertraut, sondern er die Unrichtigkeit gekannt habe und Steuern habe hinterziehen wollen, könne nicht nachvollzogen werden. Selbst wenn das ungeprüfte Unterschreiben der vom Beklagten falsch ausgefüllten Steuererklärungen durch den Kläger als billigende Inkaufnahme einer Steuerverkürzung anzusehen sei, könne hierdurch die Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten nicht entfallen. Die Bewertung des Mitverschuldensanteils des Klägers durch das Landgericht mit einem Drittel erweise sich als beanstandungsfrei. Das Gewicht der Verletzung eigener Kontrollpflichten seitens des Klägers bleibe hinter dem der Verletzung der vertraglichen Pflicht des Steuerberaters zurück.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Schaden werde vom Schutzzweck der verletzten Beratungsverpflichtung des Beklagten erfasst, ist rechtlich zutreffend. Eine Abänderung der vom Berufungsgericht in Ansatz gebrachten Mitverschuldensquote zu Lasten des Klägers ist entgegen der Auffassung der Revision nicht gerechtfertigt.
1. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für die Beraterhaftung anerkannt, dass ein Anspruch des Mandanten auf Erstattung einer gegen ihn festgesetzten Geldbuße oder Geldstrafe in Betracht kommen kann (RGZ 169, 267, 269 f; BGHZ 23, 222, 225; BGH, Urt. v. 14. November 1996 - IX ZR 215/95, WM 1997, 328, 329).
Wer eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, muss zwar die deswegen gegen ihn verhängte Sanktion nach deren Sinn und Zweck in eigener Person tragen und damit auch eine ihm auferlegte Geldstrafe oder -buße aus seinem eigenen Vermögen aufbringen. Das schließt indessen für sich allein einen Anspruch gegen einen anderen auf Ersatz für einen solchen Vermögensnachteil nicht aus. Die Erstattung einer vom Täter schon gezahlten Geldstrafe ist nicht verboten; sie ist nicht als Begünstigung (§ 257 StGB) strafbar (RGZ 169, 267 f). Selbst derjenige, der dem Täter im Voraus die zur Zahlung der Strafe erforderlichen Geldmittel zur Verfügung stellt, macht sich, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, nicht wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB) strafbar (BGHSt 37, 226). Es kann deshalb, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, für die Frage eines Ersatzanspruchs allein darauf ankommen, ob ein solcher sich aus den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts ergibt. Der Umstand, dass eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit von mehreren Tätern begangen wird, bietet freilich noch keine Grundlage für einen Ersatzanspruch eines der Täter gegen einen anderen; die §§ 830, 840 , 426 BGB sind, soweit es um die den einzelnen Tätern auferlegten Sanktionen geht, nicht anwendbar. Das schließt aber eine Einstandspflicht desjenigen, der vertraglich verpflichtet war, den Täter vor der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit und deren Folgen zu schützen, nicht aus (BGHZ 23, 222, 225; BGH, Urt. v. 14. November 1996 - IX ZR 215/95, aaO.)
2. Eine solche vertragliche Verpflichtung besteht grundsätzlich auch für den Steuerberater im Verhältnis zu seinem Mandanten, soweit es um die richtige Darstellung der steuerlich bedeutsamen Vorgänge gegenüber dem Finanzamt geht. Er kann insbesondere seinem Mandanten gegenüber - vertraglich - verpflichtet sein, diesen davor zu bewahren, dass er seine eigenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen dem Finanzamt gegenüber vernachlässigt. Dies gilt namentlich dann, wenn sich der Steuerpflichtige eines steuerlichen Fachberaters bedient, weil die steuerrechtliche Lage vielschichtig und für einen Laien undurchsichtig ist. In diesem Falle besteht die Aufgabe des Beraters nicht nur darin, die seinem Mandanten zustehenden Steuervorteile auszuschöpfen, sondern er hat ihn auch davor zu bewahren, sich durch Überschreitung des zulässigen Rahmens der steuerstrafrechtlichen Verfolgung auszusetzen. Diese Schutzpflicht gilt regelmäßig auch bei leichtfertigem Verhalten des Mandanten. Ist er sich allerdings über die Rechtswidrigkeit eines bestimmten Vorgehens im Klaren, dann bedarf er keiner Aufklärung seitens des Beraters. Begeht der Mandant - allein oder gemeinsam mit dem Steuerberater oder von diesem angestiftet - eine vorsätzliche Steuerhinterziehung, so kann er die sein Vermögen treffenden steuerstrafrechtlichen Folgen also nicht auf seinen Berater abwälzen (BGH, Urt. v. 14. November 1996 - IX ZR 215/95, aaO S. 330).
3. Das Berufungsgericht ist aufgrund der von ihm festgestellten besonderen Umstände zu Recht davon ausgegangen, dass die gegen den Kläger im Wege des Strafbefehlsverfahrens verhängte Geldstrafe gemäß § 249 BGB erstattungsfähig ist. Das Berufungsgericht vermochte hinsichtlich des subjektiven Tatbestands der dem Kläger angelasteten Steuerhinterziehung keine Feststellungen zu treffen, die darauf schließen lassen, dass sich der Kläger über die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens im Klaren gewesen ist. Aus den vorgelegten Unterlagen der zuständigen Finanzbehörden sowie aus der summarischen Tatumschreibung im Strafbefehl vom 28. August 2007 ergeben sich hierzu, wie das Berufungsgericht im Anschluss an die Ausführungen des Landgerichts dargelegt hat, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger davon ausgegangen sein könnte, die vom Beklagten in den Steuererklärungen aufgeführten Angaben könnten sachlich unzutreffend sein. Auch die Prozessparteien haben hierzu keine weiterführenden Umstände vorzutragen vermocht. Bleibt offen, ob der Mandant vorsätzlich gehandelt hat, gereicht dies dem Steuerberater zum Nachteil, weil er die Voraussetzungen für die Einschränkung der ihn grundsätzlich treffenden Schutzpflicht darlegen und beweisen muss.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts "Selbst wenn man das ungeprüfte Unterschreiben der falsch ausgefüllten Steuererklärungen durch den Kläger als billigendes Inkaufnehmen der Steuerverkürzung ansieht, kann hierdurch die Kausalität der Pflichtverletzung des Steuerberaters für die Falschangaben nicht entfallen" könnten allerdings darauf hindeuten, dass das Berufungsgericht das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes unterstellt hat. Dabei handelt es sich jedoch um eine nicht tragende Hilfserwägung.
4. Auch zum Mitverschulden ist das Berufungsurteil rechtsfehlerfrei.
a) Prozessual ist der Einwand des Mitverschuldens keine Einrede, sondern nach einhelliger Ansicht eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung (BGH, Urt. v. 20. Juli 1999 - X ZR 139/96, NJW 2000, 217, 219), sofern sich die entsprechenden Tatsachen aus dem Vortrag auch nur einer Partei ergeben. Die Frage des mitwirkenden Verschuldens ist daher von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz zu prüfen (BAG NJW 1998, 2923, 2924). Die Haftungsverteilung des Tatrichters ist allerdings mit der Revision nur begrenzt angreifbar. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde liegen und der Tatrichter dabei alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen hat (BGH, Urt. v. 30. September 1982 - III ZR 110/81, NJW 1983, 622, 623; Beschl. v. 21. Dezember 1988 - III ZR 54/88, NJW-RR 1989, 676, 677). Die Abwägung darf insbesondere nicht schematisch erfolgen, sondern muss alle festgestellten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen (BGH, Urt. v. 28. September 2006 - I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282, 1285 Rn. 32; v. 3. Juli 2008 - I ZR 183/06; NJW-RR 2009, 46, 48 Rn. 24).
b) Im Falle eines Beratungsvertrages kann dem zu Beratenden regelmäßig nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750; v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 304; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; v. 6. Februar 2003 - IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1141; v. 20. März 2008 - IX ZR 238/06, WM 2008, 950, 952 Rn. 17; Zugehör, in: Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 1235). Dies gilt auch im Verhältnis des steuerlichen Beraters zu seinem Mandanten (Zugehör, aaO Rn. 1235). Die steuerliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Mandats obliegt allein dem Steuerberater. Selbst wenn ein Mandant über steuerrechtliche Kenntnisse verfügt, muss er darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden steuerrechtlichen Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, aaO; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, aaO; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141, 1143 Rn. 21). Der Berater, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung verletzt hat, kann deshalb gegenüber dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Mandanten nach Treu und Glauben nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urt. v. 4. Mai 2000 - IX ZR 142/99, WM 2000, 1591, 1595 unter Bezugnahme auf BGHZ 134, 100, 114 f).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann dem Kläger hinsichtlich der von den Instanzgerichten für maßgeblich erachteten Gesichtspunkte ersichtlich keine höhere Mitverschuldensquote angelastet werden.
c) Ein anrechenbares Mitverschulden des geschädigten Mandanten kann sich ferner daraus ergeben, dass er es in vorwerfbarer Weise versäumt hat, den durch die Verletzungshandlung entstandenen Schaden durch Einlegung zulässiger, aussichtsreicher und zumutbarer Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel abzuwenden oder zu mindern (BGH, Urt. v. 20. Februar 2003 -IX ZR 384/99, WM 2003, 1623, 1625; Zugehör, aaO Rn. 1236; Gräfe, in: Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 4. Aufl. Rn. 753). Wer dagegen einen aussichtslosen Rechtsbehelf nicht einlegt, handelt seinen eigenen Interessen niemals zuwider, so dass bei einer derartigen Fallgestaltung ein Mitverschulden des Mandanten von vorneherein ausscheidet (BGH, Urt. v. 6. Oktober 2005 - IX ZR 111/02, NJW 2006, 288, 289 Rn. 12).
Im Streitfall wäre Raum für den Mitverschuldenseinwand nur dann, wenn der Kläger mit Aussicht auf Erfolg Einspruch gegen den Strafbefehl hätte einlegen können. Schon dies ist fraglich. Da der Schädiger für die Voraussetzungen des Mitverschuldens darlegungs- und beweispflichtig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 21. Juli 2005 - IX ZR 6/02, WM 2005, 1904, 1907; v. 11. Januar 2007 - III ZR 116/06, NJW 2007, 1063 Rn. 14), hätte der Beklagte dartun müssen, dass im Einspruchsverfahren der Vorwurf des Vorsatzes hätte entkräftet werden können.
Hinzu kommt, dass die Berücksichtigung eines Mitverschuldens letztlich auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruht (BGHZ 34, 355, 363 ff; 135, 235, 240). Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt Bedeutung, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, dass es Sache des Beklagten gewesen wäre, auf etwaige Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs hinzuweisen, nachdem er die Schadensverursachung zu verantworten und im Ermittlungsverfahren ausdrücklich im Namen des Klägers eine schriftsätzliche Stellungnahme gegenüber der Bußgeld- und Strafsachenstelle des zuständigen Finanzamts abgegeben hatte, in der eine vorsätzliche Begehungsweise in Abrede gestellt wurde.
Ganter Vill Lohmann
Fischer Pape