Entscheidungsdatum: 30.09.2010
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. August 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Die Beklagte wurde im Vorverfahren rechtskräftig verurteilt, an die Schuldnerin 84.600,77 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe einer bestimmten Software einschließlich Lizenzen und Handbüchern. Mit der Software wollte die Beklagte ein Internetportal erstellen, das sie jedoch später auf anderem Weg realisierte.
Nach dem Urteil des Vorverfahrens war die Software in der Version 1.0 zu übergeben, die jedoch nicht mehr existiert und erhältlich ist. Die Annahme einer Version 1.5 verweigert die Beklagte als nicht erfüllungsgeeignet.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Version 1,5 zur Erfüllung der Lieferverpflichtung aus der Zug-um-Zug-Verurteilung geeignet sei. Im Berufungsverfahren hat er außerdem - auf Anregung des Berufungsgerichts - die Feststellung beantragt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befinde. Der Kläger behauptet, die Version 1.5 sei mit der Version 1.0 identisch bzw. höherwertig. Der Titel aus dem Vorverfahren sei so auszulegen, dass auch diese Version übergeben werden könne. Die Beklagte bestreitet die Identität und die Gleichwertigkeit.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben und zusätzlich den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage für zulässig erachtet. Könne der Gerichtsvollzieher - wie vorliegend - auch mit sachverständiger Hilfe nicht klären, ob die angebotene Leistung zur Erfüllung der tenorierten Leistungsverpflichtung geeignet sei, sei die Feststellungsklage das geeignete Instrument des Verpflichteten und das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Das gelte nicht nur bei nicht hinreichender Bestimmtheit eines Titels, sondern auch dann, wenn zu klären sei, ob eine Leistung, die von der geschuldeten, jedoch nicht mehr möglichen, abweiche, gleichermaßen zur Erfüllung geeignet sei.
Die Feststellungsklage sei auch begründet. Zwar müsse im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung die Gegenleistung grundsätzlich wie geschuldet angeboten werden. Die Version 1.5 entspreche schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht der Version 1.0. Jedoch könne nicht allein auf die technische Identität abgestellt werden, wenn unter Billigkeitsgesichtspunkten eine andere Version zur Erfüllung geeignet sei. Ob dies hier der Fall sei, könne jedoch dahinstehen.
Die Beklagte handele jedenfalls rechtsmissbräuchlich, wenn sie unter Berufung auf mögliche Abweichungen zwischen den Versionen 1.0 und 1.5 die Abnahme der Version 1.5 verweigere. Denn es stehe fest, dass sie die Software unabhängig von ihren Eigenschaften ohnehin keinesfalls mehr nutzen werde. Das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gelte auch im Vollstreckungsverfahren. Der Beklagten komme es auf die Gegenleistung nicht mehr an; die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts diene allein dazu, die Vollstreckung des rechtskräftigen Titels durch den Gläubiger zu verhindern. Die Beklagte habe sich bereits unmittelbar nach Vertragsschluss im Jahre 2000 aus dem Vertrag lösen wollen. Sie habe ausdrücklich erklärt, dass die Software für sie in jedem Fall nutzlos, weil total veraltet und unbrauchbar sei.
II.
Die Revision ist zulässig und begründet.
1. Sie ist insbesondere statthaft, weil sie vom Berufungsgericht zugelassen worden ist, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Hieran ist das Revisionsgericht gebunden, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO, ohne dass es darauf ankäme, ob Zulassungsgründe tatsächlich vorliegen (BGH, Urt. v. 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, ZIP 2003, 1240, 1241). Auf die entsprechenden Einwendungen der Revisionserwiderung kommt es deshalb nicht an.
2. Sie ist auch begründet.
a) Zutreffend ist - entgegen der Rüge der Revision - die Annahme beider Vordergerichte, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Zwar bestehen hier weder Zweifel über den vollstreckbaren Inhalt einer Urteilsformel noch über Art und Umfang der bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung bezeichneten Gegenleistung (zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage in diesen Fällen vgl. BGH, Urt. v. 20. September 1961 - IV ZR 59/61, BGHZ 36, 11, 13 f; v. 23. September 1976 - VII ZR 14/75, WM 1976, 1195, 1196; v. 11. September 2007 - XII ZB 177/04, NJW 2008, 153, 156 Rn. 30). Die Feststellungsklage ist jedoch auch dann zulässig, wenn zweifelhaft ist, ob die tatsächlich angebotene Gegenleistung der konkret ausgeurteilten entspricht (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 756 Rn. 14 Fn. 79).
Ist die Einrede "Zug um Zug" materiell-rechtlich entfallen, kann zwar erneut Leistungsklage ohne Zug-um-Zug-Antrag erhoben werden. Die Rechtskraft des Ersturteils stünde nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1; Münzberg in Stein/Jonas, aaO Rn. 14). Der Kläger begehrt jedoch nicht die vorbehaltlose Verurteilung der Beklagten, sondern (lediglich) die Feststellung, dass die im Urteil des Berufungsgerichts näher bezeichneten Gegenstände dem Vollstreckungstitel entsprechen und sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet. Das wäre für die weitere Zwangsvollstreckung ausreichend, die gemäß § 756 Abs. 1 ZPO voraussetzt, dass der Kläger die ihm obliegende Leistung in einer den Vollzug begründenden Weise anbietet oder die Beklagte sich insoweit bereits im Verzug der Annahme befindet. Einer erneuten Leistungsklage bedarf es daher nicht.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte handele rechtsmissbräuchlich, wenn sie die vom Kläger angebotene Version ablehne, obwohl feststehe, dass sie die Software unabhängig von ihren Eigenschaften keinesfalls mehr einsetzen oder nutzen werde, hält dagegen rechtlicher Prüfung nicht stand.
aa) Zutreffend ist allerdings auch hier der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auch im Prozessrecht und im Vollstreckungsverfahren gilt. Das wird von der Revision auch im Grundsatz nicht in Frage gestellt und entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Mai 2007 - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218 Rn. 12 f m.z.N.; BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452, 1453 Rn. 7).
Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist danach die Ausübung einer prozessualen oder vollstreckungsrechtlichen Befugnis, wenn sie nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen, nicht notwendig unerlaubten, aber funktionsfremden und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient (BGH, Beschl. v. 10. Mai 2007 aaO Rn. 12 m.w.N.).
bb) Rechtsmissbräuchlichkeit in diesem Sinne liegt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Der Umstand, dass die Beklagte die Annahme der angebotenen Version als nicht erfüllungsgeeignet abgelehnt hat, erfüllt die genannten Voraussetzungen nicht. Die Verwendung einer Kaufsache oder eines von dem Besteller erstellten Werkes liegt grundsätzlich im Belieben des Käufers oder Bestellers. Auch wenn sich ein Kauf aus der Sicht des Käufers als Fehler erweist und er den Kaufgegenstand nicht mehr nutzen will oder kann, ändert dies nichts an der Lieferverpflichtung des Verkäufers, wenn er Anspruch auf die Gegenleistung erhebt. Die weggefallene Absicht der Verwendung lässt die Lieferpflicht nicht entfallen. Es kann auch in diesem Falle nicht in das Belieben des Verkäufers gestellt werden, ob oder was er liefern will. Verlangt der Verkäufer entsprechend seinen vertraglichen Rechten Bezahlung Zug-um-Zug gegen Lieferung der verkauften Sache, hat er für seine Lieferfähigkeit Sorge zu tragen. Dem Käufer steht, auch wenn er die Sache selbst nicht mehr nutzen will, gleichwohl das Recht zu, diese auf Mängel zu untersuchen und gegebenenfalls Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Andernfalls würde es dem Verkäufer ermöglicht, den vollen Kaufpreis zu beanspruchen, obwohl er seinerseits zur Erbringung einer vertragsgemäßen Leistung außerstande ist.
Da Rechtsmissbräuchlichkeit der Beklagten nicht vorliegt, besteht auch der vom Berufungsgericht hierauf gegründete Annahmeverzug nicht.
c) Entscheidend für die Begründetheit der Klage ist sonach, ob die vom Kläger angebotene Version von der Beklagten im Wege der Zug-um-Zug-Vollstreckung als erfüllungsgeeignet akzeptiert werden muss.
aa) Im Grundsatz geht das Berufungsgericht wiederum zutreffend davon aus, dass im Rahmen einer Zug-um-Zug-Vollstreckung die Leistung vom Gläubiger grundsätzlich so angeboten werden muss, wie sie im Vollstreckungstitel beschrieben ist (BGH, Beschl. v. 7. Juli 2005 - I ZB 7/05, WM 2005, 1954, 1955; Musielak/Lackmann, aaO § 756 Rn. 4).
Ein solches Angebot konnte nicht erfolgen, weil nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die vom Kläger zur Übergabe an die Beklagte zur Verfügung gestellte Version mit der in dem vollstreckbaren Urteil bezeichneten Version nicht identisch ist.
bb) Zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die vom Kläger angebotene Version 1.5 habe von der Beklagten im Sinne des zu vollstreckenden Titels als erfüllungsgeeignet akzeptiert werden müssen, wenn diese Version unter funktionalen Aspekten tatsächlich gleich oder höherwertig ist und gegenüber der geschuldeten Version keinerlei andere Nachteile, etwa die Systemumgebung betreffend, aufweist. Dies ergibt sich aus dem auch im Vollstreckungsverfahren herrschenden Verbot rechtsmissbräuchlichen Handelns.
Die Revision wendet dagegen ein, ein derartiger Titel sei wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig; eine Zug-um-Zug-Verurteilung könne nicht in der Weise ausgesprochen werden, dass dem Schuldner ein bestimmter Gegenstand oder ein lediglich vergleichbarer anderer Gegenstand anzubieten sei. Das mag zutreffen. Darum geht es hier aber nicht. Vorliegend soll allein festgestellt werden, ob vom Kläger eine andere Version angeboten werden kann, die ihrerseits wiederum in gleicher Weise individualisiert bezeichnet ist wie die zunächst ausgeurteilte Version.
cc) Das Berufungsgericht hat die erforderliche Gleich- oder Höherwertigkeit bei gleichzeitigem Fehlen von Nachteilen für die Beklagte nicht festgestellt, sondern offen gelassen. Die erforderlichen Feststellungen werden nunmehr nachzuholen sein.
Ganter |
Gehrlein |
Vill |
||
Lohmann |
Fischer |