Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.09.2011


BGH 22.09.2011 - IX ZR 169/09

Überprüfung einer berufungsgerichtlichen Entscheidung zur Rechtsanwaltshaftung: Bestimmung des Zeitpunkts der Mandatsbeendigung nach Abschluss eines Prozessvergleichs


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
22.09.2011
Aktenzeichen:
IX ZR 169/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Stuttgart, 8. September 2009, Az: 12 U 123/08, Urteilvorgehend LG Stuttgart, 29. April 2008, Az: 9 O 493/02
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 8. September 2009 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 130.806,83 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg.

2

1. Die von der Beschwerde in verschiedener Hinsicht gerügten Verstöße des Berufungsgerichts gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) liegen nicht vor.

3

Willkür liegt nur vor, wenn die Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfGE 4, 1, 7; 70, 93, 97). Dies ist bei einer fehlerhaften Rechtsanwendung der Fall, die schlechthin unhaltbar ist (BVerfGE 58, 163, 167 f), weil sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar erscheint (BVerfG WM 2003, 2370, 2372). Von Willkür kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfGE 87, 273, 278 f; 89, 1, 13 f; 96, 189, 203; BVerfG, NJW 2001, 1125 f). Willkür ist hinsichtlich der von der Beschwerde gerügten Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts nicht gegeben.

4

2. Die behauptete Divergenz zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1978 (VI ZR 115/77, NJW 1979, 264 ff) ist nicht gegeben. Die Entscheidung der Frage, ob das Mandat mit Abschluss des Vergleichs beendet war, beruht auf der Würdigung der Umstände des Einzelfalles. Dass später noch das Vergleichsprotokoll übersandt wurde und das Landgericht den Streitwert festsetzte, steht der Annahme des Berufungsgerichts nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2002 - IX ZR 34/01, Rn. 2 zitiert nach juris).

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3. Auch die geltend gemachte Divergenz zu dem Senatsurteil vom 7. Februar 2008 (IX ZR 149/04, NJW 2008, 2041 Rn. 36) besteht nicht. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung des Senats zutreffend zugrunde gelegt. Danach kann eine sekundäre Hinweispflicht auch aus einem neuen Mandat über denselben Gegenstand oder in derselben Angelegenheit erwachsen.

6

Ob im Rahmen des neuen Mandats für den Anwalt ein begründeter Anlass zur Prüfung bestand, ob er den Mandanten bei Bearbeitung des vorangegangenen Mandats durch eine Pflichtverletzung geschädigt habe, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Der Anwalt muss wegen des neuen Mandats Anlass haben, sich mit den Fragen erneut zu befassen, bei deren Bearbeitung im vorangegangenen Mandat ihm die vorgeworfene Pflichtverletzung unterlaufen sein soll (vgl. Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 1384 mwN). Das Berufungsgericht hat dies mit ausführlicher Begründung zum Einzelfall verneint. Eine Rechtssatzabweichung liegt nicht vor.

7

4. Das Grundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör ist nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden.

8

5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Kayser                                            Raebel                                        Vill

                        Lohmann                                           Pape