Entscheidungsdatum: 25.06.2015
Auf die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Am 30. August 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröffnet und M. zum Insolvenzverwalter bestellt. Weiter setzte das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss einen Gläubigerausschuss ein und bestellte die Beklagten zu dessen Mitgliedern.
Der Verwalter richtete bei der I. ein Insolvenzverfahrenssonderkonto als Hinterlegungskonto ein und zog auf diesem Konto Gelder für die Masse ein. Von diesem Hinterlegungskonto überwies er über ein Zwischenkonto Gelder auf ein eigenes als Anderkonto eingerichtetes Festgeldpoolkonto bei der C. , auf dem er Gelder aus verschiedenen Insolvenzmassen sammelte. Von diesem Poolkonto vereinnahmte er Gelder für sich oder für von ihm beherrschte Gesellschaften.
Der Gläubigerausschuss tagte unter Beteiligung der Beklagten ein erstes Mal am 25. September 2002 und bestimmte den Beklagten zu 3 zum Kassenprüfer. Auch verständigten die Beklagten sich - in Anwesenheit des Verwalters - darauf, dass die erste Kassenprüfung vor der zweiten Gläubigerausschusssitzung erfolgen solle. In der ersten Gläubigerversammlung am 30. Oktober 2002 wurde beschlossen, den eingesetzten Gläubigerausschuss beizubehalten und das vom Verwalter eingerichtete Hinterlegungskonto fortzuführen.
In der Zeit vom 15. Oktober 2002 bis zum 30. Mai 2005 überwies der Verwalter in fünfzehn unterschiedlichen Teilbeträgen insgesamt 1.765.928,39 € auf das Poolkonto, ein erstes Mal kurz vor der ersten Gläubigerversammlung 240.0 €, am 28. Januar 2003 den Betrag von 15.928,39 € und am 8. April 2003 den Betrag von 300.000 €. Am 31. Oktober 2002, kurz nach der ersten Gläubigerversammlung, überwies er vom Poolkonto 240.000 € zurück auf das Hinterlegungskonto und im Herbst 2004 insgesamt 40.500 €, so dass die Insolvenzmasse um 1.485.428,39 € geschädigt ist.
Die erste Kassenprüfung des Beklagten zu 3 fand am 10. März 2004 statt und umfasste den Zeitraum vom 30. August 2002 bis zum 27. Februar 2004. Die zweite Kassenprüfung fand am 31. März 2005 statt und umfasste den Zeitraum vom 28. Februar 2004 bis zum 18. Februar 2005. Bei beiden Prüfungen gab sich der Beklagte zu 3 hinsichtlich des Poolkontos mit internen Abrechnungen des Verwalters zufrieden, die den wahren Stand des Poolkontos nicht wiedergaben.
Am 27. Juni 2005 zeigte sich der Verwalter selber bei der Staatsanwaltschaft Hannover an, mit Schreiben vom 28. Juni 2005 legte er seine sämtlichen Ämter als Insolvenzverwalter nieder. Am 30. Juni 2005 entließ das Insolvenzgericht ihn und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Durch Strafurteil vom 16. Oktober 2007 wurde der ehemalige Verwalter wegen Untreue in 106 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, weil er zahlreichen Insolvenzmassen Geld für eigene Zwecke entnommen hatte. Grundlage dieser Verurteilung waren auch Abbuchungen zu Lasten der Schuldnerin in der Zeit vom 8. April 2003 bis zum 11. April 2005 in Höhe von 1.210.000 €.
Der Kläger verklagte die C. wegen der Veruntreuungen vom Poolkonto in Höhe von 1.765.928,39 € auf Schadensersatz. Die Klage wurde zwischenzeitlich rechtskräftig abgewiesen.
Der Kläger verlangt von den Beklagten als Mitgliedern des Gläubigerausschusses Schadensersatz in Höhe von 1.485.428,39 €, Zug um Zug gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die C. wegen des Poolkontos. Er wirft ihnen vor, ihre Pflichten durch nachlässige und nicht zeitgerechte Prüfungen verletzt und dadurch die Masse geschädigt zu haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagten verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner (1.485.428,39 € - 15.928,39 € - 300.000 € =) 1.169.500 € nebst Zinsen zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 315.928,39 € nebst Zinsen erreichen, während die Beklagten mit ihrer Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils anstreben.
Revision und Anschlussrevision sind begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagten hafteten für die Überweisungen ab dem 14. Mai 2003, weil die Kassenprüfungen viel zu spät und nur zwei Mal erfolgt seien. In der Regel müsse man eine kontinuierliche Kontrolle und Überwachung durch den Gläubigerausschuss fordern, die etwa alle drei Monate stattzufinden habe. Auch seien die Prüfungen inhaltlich völlig unzureichend gewesen. In Bezug auf die Überweisungen Ende Januar 2003 und Anfang April 2003 sei ein kausaler Schaden allerdings nicht entstanden, weil bis dahin eine erste Kassenprüfung nicht notwendig hätte durchgeführt werden müssen und die Abbuchungen deswegen nicht mehr zu verhindern gewesen seien. Eine Ersatzpflicht komme insoweit nur in Betracht, wenn der veruntreute Betrag - später aufgedeckt - noch hätte zurückgezahlt werden können. Diese Möglichkeit der nachträglichen Rückführung des veruntreuten Betrages habe jedoch nicht bestanden. In Bezug auf die Überweisungen ab Mai 2003 seien die Pflichtverletzungen der Beklagten kausal für den eingetretenen Schaden gewesen. Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass der Verwalter bei einer sorgfältigen Überwachung die Veruntreuungen nicht vorgenommen hätte. Diesen Anscheinsbeweis hätten die Beklagten nicht erschüttert.
II.
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten, soweit es die Berufung des Klägers in Höhe von 315.928,39 € nebst Zinsen zurückgewiesen hat, rechtlicher Prüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung hätte der vom Kläger geltend gemachte weitergehende Schadensersatzanspruch wegen der Überweisungen auf das Poolkonto am 28. Januar 2003 über 15.928,39 € und am 8. April 2003 über 300.000 € aus § 71 InsO nicht verneint werden dürfen.
1. Die Beklagten haben auch in Bezug auf die im Januar und April 2003 erfolgten Überweisungen schuldhaft die ihnen nach der Insolvenzordnung obliegenden Pflichten verletzt. Welche Pflichten nach § 69 InsO ein Mitglied des Gläubigerausschusses hat und unter welchen Voraussetzungen es nach § 71 InsO haftet, hat der Senat grundlegend in seinem Urteil vom 9. Oktober 2014 geklärt (IX ZR 140/11, BGHZ 202, 324). Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen. Den dort aufgestellten Anforderungen genügte die von dem Beklagten zu 3 als gewähltem Kassenprüfer entfaltete Prüfungstätigkeit nicht. Auch die übrigen Mitglieder des Gläubigerausschusses, die Beklagten zu 1 und 2, haben ihre (Überwachungs-) Pflichten schuldhaft verletzt.
a) Die zeitliche Ausgestaltung der durch den Beklagten zu 3 vorgenommenen Kassenprüfungen war pflichtwidrig. Die erste Prüfung erfolgte ohne ersichtlichen Grund erst nach einem Jahr und vier Monaten nach seiner Wahl zum Kassenprüfer in der ersten Sitzung des Gläubigerausschusses, über ein Jahr nach der Bestätigung des Gläubigerausschusses durch die erste Gläubigerversammlung und damit nicht unverzüglich. Die zweite Prüfung fand erst nach einem weiteren Jahr statt. Dies entsprach nicht dem vom Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als notwendig festgestelltem Prüfungsintervall von drei Monaten. Darin liegt zugleich eine Pflichtverletzung aller Beklagten als Mitglieder des Gläubigerausschusses. Denn sie haben einerseits in der ersten Sitzung des Gläubigerausschusses bestimmt, dass die erste Kassenprüfung durch den Beklagten zu 3 als Kassenprüfer nicht unverzüglich, sondern erst vor der nächsten Sitzung des Gläubigerausschusses zu erfolgen habe. Zwar ist nicht festgestellt, wann diese stattfinden sollte. Aber entweder hat der Beklagte zu 3 entsprechend dieser Regelung im März 2004 zeitnah vor der zweiten Ausschusssitzung die Kassenprüfung vorgenommen, dann aber hätten die Beklagten als Ausschussmitglieder nicht dafür Sorge getragen, dass die Kassenprüfung unverzüglich aufgenommen wird. Oder aber sie hätten nicht dafür Sorge getragen, dass der Beklagte zu 3 in Vollzug des alsbald angesetzten Termins für die zweite Gläubigerausschusssitzung die Kassenprüfungen unverzüglich aufnahm. Im Übrigen haben die Beklagten zu 1 und 2 nicht gegenüber dem Beklagten zu 3 auf einer engmaschigeren Prüfung bestanden. Nötigenfalls hätten sie den Beklagten zu 3 von seiner Aufgabe entbinden und eine andere Person mit der Prüfung betrauen müssen (vgl. BGH, aaO Rn. 31).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte der Beklagte zu 3 mit der Aufnahme der Kassenprüfung auch nicht bis Mitte Mai 2003, also etwa acht Monate nach seiner Wahl zum Kassenprüfer, zuwarten dürfen. Vielmehr hätte mit der Prüfung von Geldverkehr und -bestand bis spätestens Mitte November 2002 begonnen werden müssen, nämlich zwei Wochen nach der ersten Gläubigerversammlung, in der die Beklagten als Mitglieder des Gläubigerausschusses in ihrem Amt bestätigt worden waren (vgl. BGH, aaO Rn. 40). Dafür hätten sämtliche Beklagten als Mitglieder des Gläubigerausschusses durch eine klare Absprache während ihrer ersten Ausschusssitzung Sorge tragen müssen.
b) Schon anlässlich der ersten Kassenprüfung vom 10. März 2004 stellte der Beklagte zu 3 fest, dass sich der wesentliche Teil des Barvermögens der Schuldnerin, nämlich 931.635,58 € (95 v.H.), auf einem Festgeldpoolkonto befand, über das Bankbelege nicht vorhanden waren, sondern nur interne Abrechnungen des Verwalters. Damit hätte er sich jedoch nicht begnügen dürfen. Er hätte aufgrund der vom Verwalter ihm bei der Kassenprüfung überlassenen Unterlagen feststellen können, dass es sich bei dem Poolkonto nicht um ein Sonderkonto der Masse, sondern um ein Konto des Verwalters handelte. Ausweislich des Protokolls der ersten Gläubigerversammlung durfte der Verwalter zwar weitere Hinterlegungskonten einrichten; dass er Gelder der Insolvenzmasse auf ein Treuhandkonto, gar ein Sammelkonto, überweisen dürfe, ergibt sich aus dem Beschluss der Gesellschafterversammlung aber nicht. Der Beklagte zu 3 hätte bezüglich des Poolkontos sofort Nachforschungen anstellen und die Beklagten zu 1 und 2 unverzüglich über den Missstand in Kenntnis setzen müssen. Als Mitglieder des Gläubigerausschusses hätten die Beklagten, nachdem sie aufgrund des Protokolls über die Kassenprüfung erkannt hatten, dass der Verwalter Beträge auf Poolkonten verschob, auf denen eine Zuordnung zum einzelnen Verfahren und eine gesonderte Kontenführung für jedes Verfahren nicht mehr gewährleistet war, unverzüglich einschreiten müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2013 - IX ZR 109/10, ZInsO 2013, 986 Rn. 3).
2. Die verzögerte Aufnahme der Prüfungen und die geringe Prüfungsintensität waren kausal für die Untreuehandlungen des ehemaligen Verwalters.
a) Denn dieser wäre durch ordnungsgemäß durchgeführte Prüfungen von den Veruntreuungen abgehalten worden. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins, der vorliegend zur Anwendung kommt, wie der Senat in der bereits genannten Entscheidung dargelegt hat (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 140/11, BGHZ 202, 324 Rn. 36 ff). Nach diesen Grundsätzen spricht im Streitfall der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Verwalter die Gelder auf dem Hinterlegungskonto auch in den Monaten Januar und April 2003 unangetastet gelassen hätte, wenn er ordnungsgemäß überwacht worden wäre. Die aufgeführten Pflichtverstöße rechtfertigten aus der Sicht des Verwalters die Erwartung, Veruntreuungen würden nicht alsbald aufgedeckt. Dadurch, dass mit der Prüfung von Geldverkehr und Geldbestand weder unverzüglich begonnen noch die erforderlichen Prüfungsintervalle eingehalten wurden, brachten der Beklagte zu 3 und die übrigen Mitglieder des Gläubigerausschusses zum Ausdruck, dass man es mit der Überwachung des Verwalters nicht so genau nehme. Zudem konnte er annehmen, dass die jeweils nächste Prüfung auch nicht rechtzeitig und mit der notwendigen Intensität erfolgen würde und deshalb Handlungsspielraum für Veruntreuungen bestand.
Vor der Überweisung von Ende Januar 2003 in Höhe von 15.028,39 € hätte bereits die erste Prüfung, vor der Überweisung vom 8. April 2003 über 300.0 € hätte bereits eine weitere Prüfung stattgefunden haben müssen. Wenn der Beklagte zu 3 die Kassenprüfungen Mitte November 2002 und Mitte Februar 2003 sorgfältig durchgeführt hätte, hätte ihm die Überweisung von 240.0 € vom Sonderkonto über das Zwischenkonto auf das Poolkonto und zurück im Monat Oktober 2002 auffallen müssen. Schon diese Transaktion hätte ihm Anlass geben müssen, Nachforschungen über das Poolkonto anzustellen und die Beklagten zu 1 und 2 über dieses Konto zu informieren. Alle Beklagten hätten dann dem Verwalter untersagen müssen, das Poolkonto in Zukunft zu nutzen. Gegebenenfalls hätten sie das Insolvenzgericht über den Vorgang informieren müssen.
b) Der Anscheinsbeweis kann entkräftet werden durch die Darlegung und erforderlichenfalls den Nachweis von Tatsachen, die für ein atypisches Verhalten des Verwalters im Falle seiner ordnungsgemäßen Überwachung durch die Mitglieder des Gläubigerausschusses sprechen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014, aaO Rn. 42). Dies ist den Beklagten nicht gelungen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts findet ihre Behauptung, der Verwalter sei ohnehin zur Veruntreuung erheblicher Finanzmittel bereit gewesen, im Sachverhalt keine Stütze. Diese tatrichterliche Würdigung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Es ist daher davon auszugehen, dass eine ordnungsgemäße Überwachung des Verwalters durch die Mitglieder des Gläubigerausschusses alle streitbefangenen Veruntreuungen verhindert hätte. Die Beklagten haben nicht aufgezeigt, dass die Würdigung des Berufungsgerichts insoweit fehlerhaft ist.
aa) Sie legen nicht dar, dass sie - vom Berufungsgericht übergangene - erhebliche Tatsachen vorgetragen hätten, die für ein atypisches Verhalten des Verwalters im Falle seiner ordnungsgemäßen Überwachung durch die Mitglieder des Gläubigerausschusses sprechen könnten.
(1) Ihren Vortrag, der Verwalter sei ohnehin zur schädigenden Handlung fest entschlossen gewesen, hat das Berufungsgericht nicht übergangen. Ihr Vortrag, für den Verwalter habe es kein Zurück mehr gegeben, nachdem er mit den Untreuehandlungen im Jahr 1999 begonnen und gewusst habe, die veruntreuten Werte nicht mehr zurückführen zu können, reicht für die Widerlegung des Anscheinsbeweis ebenfalls nicht aus. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dem Verwalter sei durch die oberflächlichen und wenigen Kontrollen das Gefühl vermittelt worden, sich ohne Gefahr der Entdeckung an der Masse vergreifen zu können. Es hat sich beanstandungsfrei davon überzeugt, dass er bei sorgfältiger Kontrolle und Überwachung von Untreuehandlungen zu Lasten der streitgegenständlichen Masse abgehalten worden wäre, weil ansonsten sein System der Masseschädigung über das Poolkonto frühzeitig entdeckt worden wäre. Das Landgericht hat unter Verweis auf das Strafurteil ausgeführt, der Verwalter hätte aus Furcht vor dem öffentlichen Zusammenbruch seines Lebenswerks und vor dem Niedergang seines persönlichen und beruflichen - ihm äußerst wichtigen - Ansehens alles erdenklich Mögliche unternommen, um eine Entdeckung, gar einen öffentlichen Ansehensverlust zu vermeiden. Eine solche Person hätte bei enger Kontrolle und dem Verbot, Gelder an das Poolkonto abzuführen, diesen Weg der Veruntreuung nicht gewählt, weil sie wegen der regelmäßigen und sorgfältigen Kontrollen jederzeit mit der Aufdeckung ihrer Untreuehandlungen auch in anderen Insolvenzverfahren, mit dem daraus folgenden Ansehensverlust, aber auch mit dem Verlust der für sie äußerst ergiebigen Einnahmequelle hätte rechnen müssen. Wie der ehemalige Verwalter bei ordnungsgemäßen Kontrollen sich an der Masse hätte bereichern können, haben die Beklagten nicht dargelegt.
(2) Der Beweis des ersten Anscheins wird entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht dadurch entkräftet, dass der Verwalter Mitte Oktober 2002 ein erstes Mal 240.000 € auf das Poolkonto überwiesen hat. Die Beklagten meinen, zu diesem Zeitpunkt habe er noch gar nicht erahnen, geschweige denn wissen können, mit welcher Intensität und Genauigkeit er von den Mitgliedern des eingesetzten Gläubigerausschusses überwacht werde. Dabei übersehen sie, dass bereits am 25. September 2002 in Anwesenheit des damaligen Verwalters die erste Ausschusssitzung stattgefunden hatte. In dieser Sitzung haben die Beklagten vereinbart, die erste Kassenprüfung solle vor der zweiten Ausschusssitzung erfolgen. Dem Verwalter war mithin der zeitliche Kontroll- rahmen bekannt. Zudem hatte er hinsichtlich der ersten Überweisung auf das Poolkonto Vorsorge getroffen durch Abschluss eines Festgeldvertrages zwischen sich als Insolvenzverwalter und als Privatperson in einem Insichgeschäft. Er zahlte diesen Geldbetrag auch zeitig zurück, nämlich im zeitlichen Zusammenhang mit der ersten Gläubigerversammlung. Daraus lässt sich in Ergänzung der Würdigung des Berufungsgerichts folgern, dass er einen ersten Versuch unternommen hat, ob diese Transaktion Insolvenzgericht oder Gläubigerausschuss auffallen werde.
(3) Entsprechendes gilt für den Vortrag der Beklagten, der ehemalige Verwalter habe bei seinen Untreuehandlungen nicht danach unterschieden, ob in den unterschiedlichen Insolvenzverfahren Gläubigerausschüsse eingerichtet worden seien. Gerade in den mit Gläubigerausschüssen besetzten Verfahren hätten die vom Verwalter verursachten Schäden die in den anderen Verfahren entstandenen um ein Vielfaches überstiegen. Aus diesem Vortrag ergibt sich nämlich weder, ob die Mitglieder der Gläubigerausschüsse in den anderen Verfahren den Verwalter ordnungsgemäß überwacht haben und es dennoch zu Untreuehandlungen gekommen ist, noch, ob die höhere Schadenssumme in den Verfahren mit Gläubigerausschuss sich nicht dadurch erklärt, dass Gläubigerausschüsse nur in den Verfahren mit den größeren Massen bestellt werden.
bb) Ebenso wenig ist dem Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Annahme der Kausalität ein Verfahrensfehler unterlaufen. Es hat nicht gegen seine Hinweispflicht verstoßen (§ 139 ZPO). Allerdings darf eine Partei darauf vertrauen, dass ein Berufungsgericht keine Überraschungsentscheidung trifft. Das Berufungsgericht muss daher eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf hinweisen, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält. Doch liegen diese Voraussetzungen wie hier nicht vor, wenn eine Partei in erster Instanz obsiegt hat, die dem Urteil zugrunde liegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts jedoch als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des Berufungsklägers anschließt. Denn in diesem Fall muss die in erster Instanz erfolgreiche Partei von vornherein damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist; seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein. Das Berufungsgericht hat regelmäßig keinen Anlass zu der Annahme, trotz der in der Berufung zentral geführten Auseinandersetzung über den Streitpunkt bestehe noch Aufklärungsbedarf und müsse der Partei Gelegenheit zu weiterem Vortrag und Beweisantritt gegeben werden (BGH, Urteil vom 19. August 2010 - VII ZR 113/09, NZBau 2010, 691 Rn. 18).
3. Ob auch die übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs aus § 71 InsO vorliegen, kann anhand der bisher durch das Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Sache ist deswegen nicht zur Endentscheidung reif. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 71 InsO sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses nur den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern zum Schadensersatz verpflichtet (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014, aaO Rn. 44). Die Klage kann deshalb nur insoweit Erfolg haben, als durch die Veruntreuungen die zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehende Masse vermindert worden ist. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen der ohne die Veruntreuungen anzunehmenden (Soll-)Quote und der aufgrund der noch vorhandenen Masse zu erwartenden (Ist-)Quote. Beträge, die auf vorrangig zu befriedigende Gläubiger entfielen, stellen bei der Schadensberechnung nur einen fiktiven Berechnungsposten dar. Ersatzfähig nach § 71 InsO ist nur die Masseminderung, die sich in einer verminderten Befriedigung der nach § 71 InsO Anspruchsberechtigten tatsächlich niedergeschlagen hat. Freilich darf die so berechnete Schadensersatzleistung als Sondermasse auch nur zur Befriedigung dieser Anspruchsberechtigten verwendet werden. Die aufgrund der Bildung und Verteilung der Sondermasse verursachten Kosten einschließlich der Kosten der Einziehung der zu verteilenden Beträge sind vorab der Sondermasse zu entnehmen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014, aaO Rn. 45). Eine Schadensberechnung im vorstehenden Sinne hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Es fehlt auch an den hierfür erforderlichen Feststellungen.
4. Weiter wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass nach der Rechtsprechung des Senats den Beklagten gegebenenfalls zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Quotenerhöhung im Urteil vorbehalten werden muss, ihre Rechte gegen den Insolvenzverwalter nach Erfüllung der Schadensersatzansprüche zu verfolgen. Der den Beklagten vorliegend gegen den Kläger zustehende Anspruch ist die Summe etwaig eintretender Quotenerhöhungen. Die den Beklagten haftende Masse speist sich dabei aus dem, was der Kläger in Verfolgung der fraglichen Ansprüche gegen die beteiligten Banken erzielt, abzüglich der auf vorrangig zu befriedigende Gläubiger entfallenden Beträge (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014, aaO Rn. 51 f).
III.
Die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig und hat ebenfalls Erfolg.
1. Die Anschlussrevision ist zulässig. Im Hinblick auf die Regelung des § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nach der die Statthaftigkeit der Anschließung nicht voraussetzt, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist, kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht. Unzulässig ist sie nur dann, wenn sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 38 ff; vom 11. Februar 2009 - VIII ZR 328/07, JZ 2010, 44 Rn. 31; vom 25. Juni 2009 - IX ZR 98/08, BGHZ 181, 361 Rn. 15; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 353/09, NZV 2011, 333 Rn. 12; vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12, BGHZ 202, 258 Rn. 69 f).
So liegt es hier nicht. Entgegen der Ansicht der Revision besteht zwischen den Streitgegenständen der Haupt- und der Anschlussrevision der erforderliche rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang. Den Beklagten wird vorgeworfen, den Verwalter als Gläubigerausschussmitglieder nicht sorgfältig genug überwacht zu haben, wobei nur die ersten beiden Untreuehandlungen des Verwalters Gegenstand der Hauptrevision sind. Sämtliche Untreuehandlungen wurden jedoch durch das einheitliche schädigende Verhalten der Beklagten ermöglicht, nämlich die unzureichende Überwachung des Verwalters in dem Zeitraum von der ersten Gläubigerausschusssitzung bis zu dessen Abberufung, die es diesem ermöglich hat, in immer gleicher Weise Gelder der Masse zu entziehen. Die Rechtsfragen, die sich stellen, sind für Haupt- und Anschlussrevision die nämlichen. Die unsorgfältige Überwachung des Verwalters über den gesamten Zeitraum mit der Folge der verschiedenen Untreuehandlungen wohnt deshalb ein rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang inne (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 - VIII ZR 328/07, JZ 2010, 44 Rn. 32). Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. März 2014 (II ZR 24/13, ZIP 2014, 1019 Rn. 16).
2. Die Anschlussrevision hat bezogen auf den ausgeurteilten Betrag aus den nämlichen Gründen, die verhindern, dass über den weiteren Anspruch des Klägers durch den Senat abschließend entschieden werden kann, ebenfalls Erfolg. Sie greift nicht durch, soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Pflichtwidrigkeit der Beklagten zu 1 und 2 und die Kausalität der Pflichtverletzung aller Beklagten bejaht. Insoweit wird auf die Ausführungen unter II. 1. und 2. Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass in der ersten durch den Beklagten zu 3 durchgeführten Kassenprüfung im März 2004 die Überweisungen auf das Poolkonto und die Eigenbelege des Verwalters nicht beanstandet worden sind. Diesem wurde dadurch vermittelt, seine Untreuehandlungen würden auch in Zukunft nicht aufgedeckt werden. Deswegen erhielt er Gelegenheit, bis zur nächsten Prüfung 279.500 € (320.000 € abzüglich 40.500 € Rücküberweisungen) von der Insolvenzmasse abzuzweigen. Entsprechend wurde er durch die zweite im Februar 2005 stattfindende Prüfung bestärkt und veruntreute auf dieselbe Weise weitere 290.000 €.
Mit Recht rügt die Anschlussrevision jedoch, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 71 InsO getroffen hat (vgl. II. 3.). Zutreffend führt sie weiter aus, dass nach der Rechtsprechung des Senats den Ausschussmitgliedern zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Quotenerhöhung im Urteil vorbehalten werden muss, ihre Rechte gegen den Insolvenzverwalter nach Erfüllung der Schadensersatzansprüche zu verfolgen (vgl. II. 4.).
IV.
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Kayser Gehrlein Lohmann
Pape Möhring