Entscheidungsdatum: 15.07.2010
1. In § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO muss das Tatbestandsmerkmal der lebenslangen Leistung sowohl bei der Alternative des Leistungsbeginns nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres als auch der Alternative des Leistungsbeginns mit Eintritt der Berufsunfähigkeit vorliegen .
2. § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfasst auch Leistungen ab Eintritt der Berufsunfähigkeit, wenn diese selbst zwar nicht lebenslang erbracht, aber zusammen mit den sich unmittelbar anschließenden Leistungen zur Versorgung im Alter geschuldet werden, und beide zusammen lebenslang in regelmäßigen Zeitabständen eine im Wesentlichen gleich bleibende Leistung erbringen .
3. Wird hinsichtlich der Altersrente ein Kapitalwahlrecht gewährt, lässt dies nach § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO den Pfändungsschutz auch hinsichtlich einer vor der Altersrente gewährten und mit dieser zusammen der Existenzsicherung dienenden Berufsunfähigkeitsrente entfallen .
4. § 850b ZPO ist nicht nur auf Renten, Einkünfte und Bezüge von Arbeitnehmern und Beamten, sondern auch von anderen Personen, insbesondere Selbständigen, anwendbar .
5. Eine nach § 850b ZPO bedingt pfändbare Berufsunfähigkeitsrente fällt insoweit in die Insolvenzmasse, als sie im Rahmen einer Billigkeitsprüfung für pfändbar erklärt wird (Festhalten an BGH, Urt. v. 3. Dezember 2009, IX ZR 189/08) .
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Mai 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter in dem am 5. September 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Dieser war selbständig tätig und betrieb einen Handel mit Türen und Fenstern einschließlich Service und Montage.
Im Jahre 1994 schloss der Schuldner mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag über Rentenleistungen. Dabei handelte es sich um eine Lebensversicherung über eine lebenslang zu zahlende Rente in Höhe von monatlich 91,30 €, zahlbar ab dem 1. Oktober 2025, oder die Zahlung einer Kapitalabfindung von 14.325 € zum 1. Oktober 2025. Zusätzlich wurde für den Fall der Berufsunfähigkeit die Zahlung einer Rente in Höhe von monatlich 912,11 € bis zum 1. Oktober 2020, fällig vierteljährig im Voraus, und Beitragsbefreiung bis 1. Oktober 2020 vereinbart. Der Beitrag bis 1. Oktober 2025 sollte monatlich 102,27 € betragen.
In der Folgezeit wurde der Schuldner berufsunfähig. Die Beklagte leistet seitdem Rentenzahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung in der vereinbarten Höhe.
Auf die Forderung des Klägers im Insolvenzeröffnungsverfahren, den Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung und die laufenden Renten aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung an ihn zu leisten, zahlte die Beklagte lediglich den Rückkaufswert der Lebensversicherung in Höhe von 4.811,27 € an ihn aus.
Mit Schreiben vom 21. September 2006 informierte der Kläger die Beklagte über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und forderte erfolglos die Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente an die Insolvenzmasse.
Mit der Klage macht er die Rentenleistungen vom Januar 2007 bis März 2008 in Höhe von monatlich 912,11 € sowie außergerichtliche Kosten geltend. Er hält die Rente für pfändbar und deshalb für massezugehörig.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren bezüglich der Rentenzahlungen für die Zeit vom April 2007 bis März 2008 weiter.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht (dessen Urteil veröffentlicht ist in ZInsO 2009, 2339) hat für den Zeitraum von Januar bis März 2007 das Senatsurteil vom 15. November 2007 (IX ZB 34/06, ZIP 2008, 338) zugrunde gelegt, wonach gemäß § 850 ZPO private Versorgungsrenten von selbständig oder freiberuflich tätig gewesenen Personen nicht den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen genießen.
Für den in der Revision noch streitigen Zeitraum von April 2007 bis März 2008 ist gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO die Vorschrift des § 851c ZPO entsprechend anwendbar.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die Voraussetzungen des § 851c ZPO seien nicht gegeben. Ob sich Bedenken schon aus § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO ergäben, weil statt der monatlichen Altersrente die Zahlung einer Kapitalleistung wahlweise vereinbart war, hat es dahingestellt sein lassen.
Jedenfalls lägen schon die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht vor, weil die Vorschrift für beide der dort genannten Alternativen eine lebenslange Leistung in regelmäßigen Zeitabständen voraussetze, also sowohl bei der Alternative des Leistungsbeginns mit Vollendung des 60. Lebensjahres, als auch bei der Alternative des Leistungsbeginns bei Eintritt der Berufsunfähigkeit. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut wie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Für die Berufsunfähigkeitsrente sei aber eine lebenslange Leistung nicht vorgesehen gewesen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
Das Insolvenzverfahren erfasst gemäß § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören jedoch gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Für die Beurteilung der Pfändbarkeit ist auch § 851c ZPO entsprechend anzuwenden, § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO.
§ 851c ZPO ist durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 368) eingeführt worden. Die Vorschrift ist gemäß Art. 4 des Gesetzes am Tag nach der am 30. März 2007 erfolgten Verkündung und damit am 31. März 2007 in Kraft getreten.
Aus ihr ergibt sich jedoch nicht die Unpfändbarkeit der Berufsunfähigkeitsrente des Schuldners für die Zeit ab April 2007.
1. Der von § 851c Abs. 1 ZPO angeordnete Pfändungsschutz setzt voraus, dass die in Nr. 1 bis 4 angeordneten Voraussetzungen kumulativ eingehalten sind. Die Vordergerichte sind im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass schon die Voraussetzung nach Nr. 1 nicht gegeben ist.
a) Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift liegt es nahe, dass das Tatbestandsmerkmal "lebenslang" sich sowohl auf die Alternative des Leistungsbeginns "nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres" wie auch auf die Alternative des Leistungsbeginns "nur bei Beginn der Berufungsunfähigkeit" bezieht. Aus der Gesetzesgeschichte ergibt sich dies sogar eindeutig.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 16/886) hatte in Art. 1 Nr. 2 für § 851c Abs. 1 ZPO folgende Regelung vorgesehen:
"§ 851c
Pfändungsschutz bei Altersrenten
(1) Renten, die auf Grund von Verträgen gewährt werden, dürfen nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, wenn
1. die lebenslange Rente nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder nur bei Eintritt der Berufungsunfähigkeit gewährt wird,
2. über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf,
3. die Bestimmung eines Dritten als Berechtigtem ausgeschlossen ist und
4. die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, nicht vereinbart wurde."
Zur Begründung wurde auf S. 8 unter anderem ausgeführt:
"... Das Vorsorgekapital kann dann nicht missbräuchlich anderen Zwecken zugeführt werden, wenn gewährleistet ist, dass die Leistungen aus dem angesparten Kapital erst mit dem Eintritt des Rentenfalles, also nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder bei Eintritt der Berufsunfähigkeit, und ausschließlich als lebenslange Rente erbracht werden. Zwar gibt es zur Zeit keine Versicherungsprodukte, die die Zahlung einer lebenslangen Rente bei Eintritt der Berufungsunfähigkeit vorsehen. Gleichwohl ist es das Ziel des Gesetzes, den Pfändungsschutz für Altersvorsorgevermögen nicht auf bestimmte, bestehende Versicherungsprodukte zu beschränken, sondern ihn für neue Formen der Altersvorsorge offen zu halten. ..."
Aus dem vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut und der Begründung ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzesentwurf auch für Leistungen wegen Berufsunfähigkeit eine lebenslange Zahlung voraussetzte.
Der Bundesrat hat sich zu der Bestimmung insoweit nicht geäußert (BT-Drucks. 16/886 S. 16).
Auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages ist der Wortlaut der Vorschrift gegenüber dem Gesetzentwurf jedoch geändert worden (vgl. BT-Drucks. 16/3844 S. 4).
Zur Begründung hat der Rechtsausschuss auf Seite 12 ausgeführt:
"Der bisher dem § 851c ZPO zugrunde gelegte Begriff "Rente" erwies sich als zu eng, weil er die Auslegung zugelassen hat, dass nur Lebensversicherungen oder private Rentenversicherungen erfasst sein könnten. Es wird deshalb die neutralere Formulierung "Ansprüche auf Leistungen" gewählt."
Die Frage, worauf sich das Tatbestandsmerkmal "lebenslang" bezieht, wird hier nicht erörtert. Insoweit sollte gegenüber dem Entwurf ersichtlich nichts geändert werden. In diesem war aber völlig eindeutig, dass sich der Begriff "lebenslange Rente" auf beide folgende Alternativen - Altersrente und Berufsunfähigkeitsrente - bezog.
b) Eine derartige lebenslange Leistung liegt im Streitfall nicht vor. Allerdings kann eine zeitlich beschränkte Berufsunfähigkeitsrente - anders als das Berufungsgericht meint - den Pfändungsschutz des § 851c ZPO genießen, sofern sie Bestandteil einer lebenslangen Rente ist. Kein Pfändungsschutz kommt in Betracht, wenn nach Ende der Berufsunfähigkeitsrente keine Altersrente einsetzt.
aa) Für die Auffassung des Berufungsgerichts spricht nicht die Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucks. 16/886 S. 8), dass zur Zeit keine Versicherungsprodukte auf dem Markt seien, die die Zahlung einer lebenslangen Rente bei Eintritt der Berufsunfähigkeit vorsehen. Diese Aussage kann sich auch lediglich auf isolierte Berufsunfähigkeitsversicherungen beziehen.
§ 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO setzt seinem Wortlaut nach nicht voraus, dass im Falle des Leistungsbeginns bei Eintritt der Berufsunfähigkeit lebenslang eine Berufsunfähigkeitsrente bezahlt werden muss, um den Pfändungsschutz zu begründen. Gefordert wird vielmehr, dass aufgrund eines Vertrages (irgend-)eine Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang erbracht werden muss. Lediglich hinsichtlich des Beginns dieser lebenslangen regelmäßigen Leistung werden zwei Alternativen ermöglicht.
Gewährt ein Vertrag eine lebenslange Leistung in regelmäßigen Abständen, die ab Eintritt der Berufsunfähigkeit gezahlt wird, sind die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfüllt. Daran ändert sich nichts dadurch, dass ab einem späteren Zeitpunkt, der nicht vor Beginn des 60. Lebensjahres liegen darf, die Leistung als Altersversorgung bezahlt wird, also ab diesem Zeitpunkt unabhängig von den Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit. Ist also lediglich der Leistungsbeginn - unter der Voraussetzung der Berufsunfähigkeit - vorgezogen, greift die Pfändungsschutz-Voraussetzung des § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO ein (Wimmer ZInsO 2007, 281, 282; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO 2. Aufl. § 851c Rn. 18; Hasse, VersR 2007, 870, 884; ebenso wohl auch Kessal-Wulf in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. § 851c ZPO Rn. 3).
Es muss sich insgesamt um lebenslange Leistungen wegen eines alters- oder (vorausgehenden) gesundheitsbedingten Ausscheidens aus dem Berufsleben handeln (vgl. Hk-ZPO/Kemper, 3. Aufl. § 851c Rn. 5). Auch in dieser Konstellation wird der gesetzgeberische Zweck erfüllt, der sichergestellt sehen will, dass das Vorsorgekapital nicht zu anderen Zwecken als der Altersvorsorge genutzt und nur in einer Höhe vor dem Gläubigerzugriff geschützt wird, die notwendig ist, um dem Versicherungsnehmer den für die Existenzsicherung im Alter notwendigen Bedarf zu sichern. Das damit geschützte Vorsorgekapital kann auch dann nicht missbräuchlich anderen Zwecken zugeführt werden, wenn gewährleistet ist, dass die Leistungen erst mit dem Beginn der Altersversorgung, also nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres, oder bei Eintritt der Berufsunfähigkeit, und ausschließlich als lebenslange Leistung erbracht werden (vgl. BT-Drucks. 16/886 S. 7 f).
Der Schutzzweck bezieht sich auf eine - bei Berufsunfähigkeit lediglich im Bezugsbeginn vorgezogene - Altersrente. Es muss sich dementsprechend um eine - zumindest im Wesentlichen - gleich bleibende und sich nur an verändernde Umstände vertragsgemäß anzupassende Leistung handeln. Wird aufgrund eines Vertrages lebenslang eine im Wesentlichen gleich bleibende Leistung bezahlt, wenn auch zunächst als Berufsunfähigkeitsrente und erst unmittelbar anschließend als Altersrente, bestehen keine Bedenken, die Leistungen insgesamt mit § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu erfassen, auch hinsichtlich der Leistungen wegen der Berufsunfähigkeit.
bb) Um eine derartig fortlaufende einheitliche lebenslange Leistung handelt es sich im vorliegenden Fall jedoch nicht. Die zunächst zu gewährende Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 912,11 € steht mit der anschließend zu gewährenden Altersrente von 91,30 € nicht in dem erforderlichen Zusammenhang. Beide bilden keine einheitliche, lediglich aus gesundheitlichen Gründen vorgezogene Alterssicherung. Vielmehr wurden mit der Berufsunfähigkeitsrente offensichtlich andere Absicherungszwecke verfolgt als mit der späteren Altersrente. Das ergibt sich zum einen aus der extrem unterschiedlichen Höhe der Leistungen. Diese sollten auch nicht lebenslang in regelmäßigen Zeitabständen erbracht werden. Denn die Leistungen wegen Berufsunfähigkeit sollten bis 1. Oktober 2020 erbracht werden, die Leistungen für die Alterssicherung aber erst ab 1. Oktober 2025. Zwischenzeitlich sollten fünf Jahre von der Beklagten keine Leistungen erbracht werden. Die Schuldnerin sollte im Gegenteil in diesen fünf Jahren wieder verpflichtet sein, Beiträge von monatlich 102,27 € zu erbringen, während für die Zeit der Leistungen wegen Berufsunfähigkeit Beitragsfreiheit vereinbart war.
2. Im Übrigen liegen, was die Vordergerichte offen gelassen haben, auch nicht die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO vor. Danach darf die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen für den Todesfall, nicht vereinbart worden sein. Es darf dem Versicherungsnehmer insbesondere kein Kapitalwahlrecht eingeräumt worden sein (BT-Drucks. 16/886 S. 10).
Ein solches Kapitalwahlrecht ist hier hinsichtlich der Altersrente vereinbart worden. Zweifelsfrei waren deshalb hinsichtlich der Altersrente die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO nicht erfüllt. Zu Recht hat die Beklagte den Rückzahlungswert an den Kläger ausbezahlt.
Das Kapitalwahlrecht hinsichtlich der Altersrente lässt aber den Pfändungsschutz des § 851c ZPO auch hinsichtlich der Berufsunfähigkeitsrente entfallen. Denn es darf insgesamt wegen aller dem Pfändungsschutz des § 851c Abs. 1 ZPO unterstellten Ansprüche keine Zahlung einer Kapitalleistung vereinbart werden. Zum einen schließt dies die von § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorausgesetzte lebenslange Leistung in regelmäßigen Zeitabständen aus. Zum anderen ist damit nicht mehr sichergestellt, dass der Versicherungsnehmer das Vorsorgekapital insgesamt nicht zu anderen Zwecken als dem der Altersvorsorge nutzen kann (zu diesem Zweck vgl. BT-Drucks. 16/886 S. 7).
Die einheitliche Betrachtung der lebenslang zu erbringenden Leistung kann zwar einerseits zur Einbeziehung auch einer vorangehenden Berufsunfähigkeitsrente in den einheitlichen Pfändungsschutz führen; sie lässt aber andererseits den Pfändungsschutz insgesamt entfallen, wenn die lebenslange Leistung, die als Existenzsicherung im Alter dienen soll, nicht mehr gewährleistet ist.
III.
Das Berufungsurteil kann gleichwohl keinen Bestand haben. Es fehlt die erforderliche Prüfung des Umfangs einer möglichen Pfändbarkeit nach § 850b Abs. 2 ZPO, die zur Massezugehörigkeit führen würde. Das hat der Senat auch ohne Revisionsrüge zu berücksichtigen, § 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend gesehen, dass private Versicherungsrenten von selbständig oder freiberuflich tätig gewesenen Personen nicht den Pfändungsschutz für Arbeitnehmereinkommen gemäß § 850 Abs. 3 Buchst. b ZPO genießen (BGH, Beschl. v. 15. November 2007 - IX ZB 34/06, ZIP 2008, 338, 339, Rn. 17 f).
2. Es hat jedoch nicht geprüft, ob eine eingeschränkte Pfändbarkeit nach § 850b ZPO in Betracht kommt. Das Landgericht hatte die Anwendbarkeit dieser Vorschrift verneint, weil diese in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht für entsprechend anwendbar erklärt ist und § 850b ZPO nicht für Einkünfte Selbständiger gelte. Diese Bedenken des Landgerichts, die sich das Berufungsgericht womöglich stillschweigend zu eigen machen wollte, greifen jedoch nicht durch.
a) Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, fällt eine nach den Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts bedingt pfändbare Berufsunfähigkeitsrente im Insolvenzverfahren insoweit in die Insolvenzmasse, als sie im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung für pfändbar erklärt wird. Die Billigkeitsprüfung nach § 850b Abs. 2 ZPO, bei der alle in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles zu würdigen sind, obliegt zwar dem Insolvenzgericht, wenn der Insolvenzverwalter beantragt, bedingt pfändbare Bezüge des Schuldners für pfändbar zu erklären, um sie wie Arbeitseinkommen zur Masse zu ziehen. Streiten Insolvenzverwalter und Schuldner um die Massezugehörigkeit von bedingt pfändbaren Einkünften des Schuldners oder ist die Frage der Pfändbarkeit im Rahmen eines Anfechtungsprozesses zu beantworten, muss die Billigkeitsentscheidung aber vom Prozessgericht getroffen werden (BGH, Urt. v. 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293 ff, Rn. 10, 13 ff). Nichts anderes gilt dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Insolvenzverwalter und der Drittschuldner, der die Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen hat, über die Massezugehörigkeit streiten.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionserwiderung ist § 850 b ZPO nicht lediglich auf Renten, Einkünfte oder Bezüge von Arbeitnehmern oder Beamten anwendbar. Zwar bestimmt § 850 Abs. 1 ZPO, Arbeitseinkommen könnten nur nach Maßgabe der §§ 850 a bis 850i ZPO gepfändet werden. Aus § 850b ZPO selbst folgt jedoch, dass sich jedenfalls diese Pfändungsregel nicht auf Arbeitseinkommen bezieht. Die Norm knüpft nicht an den in § 850 Abs. 2 und 3 ZPO definierten Begriff des Arbeitseinkommens an, sondern erweitert den Pfändungsschutz für andersartige Einkünfte ("Unpfändbar sind ferner…"). Von einer Beschränkung auf Ansprüche von Arbeitnehmern oder Beamten ist im gesamten Wortlaut des § 850b ZPO nicht die Rede. In § 850b Abs. 2 ZPO heißt es vielmehr, die vorgenannten Bezüge könnten nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden. Sie sind mithin selbst gerade keine Arbeitseinkommen (so auch BGH, Beschl. v. 5. April 2005 - VII ZB 15/05, WM 2005, 1185, 1186; Prütting/Gehrlein/Ahrens, aaO, § 850b Rn. 1; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl. Rn. 1005; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl. § 850b Rn. 5; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl. § 56 III). Wenn sie aber nicht als Arbeitseinkommen anzusehen sind, gibt es keinen Grund, den Pfändungsschutz nur Arbeitnehmern und Beamten zukommen zu lassen. Teilweise würde eine solche Beschränkung geradezu zur Unanwendbarkeit der Norm führen: So stehen die in § 850b Abs. 1 Nr. 3 ZPO genannten Ansprüche aufgrund eines Altenteils typischerweise Landwirten zu, die ihren Hof an einen Nachfolger übergeben haben. Solche Landwirte sind keine Arbeitnehmer.
Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergeben sich keine Hinweise auf eine Beschränkung auf Ansprüche von Arbeitnehmern oder Beamten. Soweit ersichtlich, ist zu keiner der Vorgängervorschriften des § 850b ZPO (insbesondere weder zu § 850g ZPO in der Fassung vom 24. Oktober 1934, RGBl I 1070, 1072, noch zu § 4 der Lohnpfändungsverordnung vom 30. Oktober 1940, RGBl I, 1451) jemals vertreten worden, sie sei nur auf Forderungen von Arbeitnehmern oder Beamten anzuwenden. Das Landgericht hat zur Begründung Bezug genommen auf eine Äußerung von Hasse (VersR 2007, 870, 883). Diese trägt die Auffassung des Landgerichts jedoch nicht. Sie befasst sich lediglich mit Altersvorsorgeverträgen, nicht mit Berufsunfähigkeitsrenten. Altersvorsorgeverträge werden von § 850b ZPO aber ohnehin nicht erfasst. Demgegenüber hat der Gesetzgeber bei Einführung der Neuregelung des § 851c ZPO ausdrücklich klargestellt, dass der Pfändungsschutz des § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO durch § 851c ZPO nicht berührt werde (BT-Drucks. 16/886, S. 8, li.Sp.). Das lässt nur den Rückschluss zu, dass er die Regelung des § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO als auch auf Selbstständige anwendbar ansah, denn diese Personengruppe stand im Mittelpunkt seines Gesetzgebungsvorhabens (Wollmann ZInsO 2009, 2319, 2323).
Der Regelungszweck des § 850b ZPO steht einer Beschränkung des Pfändungsschutzes auf Ansprüche von Arbeitnehmern oder Beamten entgegen. Der Pfändungsschutz von Geldrenten, die wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, dient der Sicherung der Existenz des Schuldners. Es soll verhindert werden, dass er seine Existenzgrundlage verliert (BGHZ 70, 206, 211; vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Rixecker, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 46 Rn. 214). Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum dieser Schutz nur Arbeitnehmern zugute kommen soll, nicht aber Selbstständigen. Die von § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfassten Haftpflicht- und Berufsunfähigkeitsrenten treten ganz oder zum Teil an die Stelle des bisherigen Einkommens des Schuldners. Die Situation der Berufsunfähigkeit unterscheidet sich für einen zuvor Selbstständigen nicht wesentlich von der eines Arbeitnehmers. Beide sind auf die Rente angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Selbstständige sind in dieser Hinsicht - anders als bezüglich der allgemeinen Altersvorsorge (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 15. November 2007 aaO) - auch nicht deshalb in geringerem Maße schutzbedürftig, weil mit ihrer bisherigen Tätigkeit regelmäßig höhere Erwerbschancen verknüpft waren. Die genannten Renten stehen dem Schuldner in einer Notsituation zu, die in der Regel unabhängig von seiner bisherigen Erwerbstätigkeit eintritt. Im Gegensatz zur Altersvorsorge ist die Vorsorge für eine solche Notlage auch nicht langfristig planbar, weil sie schon in jüngerem Alter eintreten kann, bevor etwaige erhöhte Erwerbschancen eine ausreichende Absicherung erlaubt haben.
IV.
Das angefochtene Urteil ist damit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aufgrund des von den Parteien zu ergänzenden Vortrags wird das Berufungsgericht zu entscheiden haben, in welchem Umfang die Pfändung der Ansprüche des Schuldners gegen die Beklagte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gemäß § 850b Abs. 2 ZPO der Billigkeit entspricht.
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