Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 08.05.2014


BGH 08.05.2014 - IX ZR 128/12

Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Forderungsschuldners: Vom Lieferanten abgeleiteter Eigentumsvorbehalt des Factors beim echten Factoringvertrag


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
08.05.2014
Aktenzeichen:
IX ZR 128/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 8. Mai 2012, Az: 5 U 513/11vorgehend LG Erfurt, 3. Juni 2011, Az: 9 O 1698/10
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Der vom Lieferanten abgeleitete Eigentumsvorbehalt des Factors im Rahmen eines echten Factoringvertrags berechtigt in der Insolvenz des Forderungsschuldners zur Aussonderung des Vorbehaltseigentums (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 27. März 2008, IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86 ff).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 8. Mai 2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin und die M.                  GmbH (M.      ; fortan: Lieferantin) waren durch einen "Vertrag über den Ankauf von Forderungen" aus dem Jahre 2002 (fortan: Factoringvertrag) miteinander verbunden. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin zum laufenden Ankauf aller bestehenden und künftigen Forderungen der Lieferantin aus Kaufverträgen gegenüber den mit ihr vertraglich verbundenen Händlern. Der Kaufpreis entsprach dem Bruttobetrag der Forderungssumme abzüglich einer Verwaltungsgebühr. Die Klägerin trug das Delkredere-Risiko. Die Lieferantin garantierte, dass die zum Kauf angebotene Forderung einschließlich aller Nebenrechte abtretbar, frei von Rechten Dritter und nicht mit Einreden oder Einwendungen behaftet war und nicht nachträglich durch Einreden oder Eiwendungen oder Zurückbehaltungsrechte in ihrem rechtlichen Bestand verändert wurde. Durch Abtretung der Herausgabeansprüche gegen die Händler übertrug die Lieferantin jegliches gegenwärtige und künftige Eigentum an den Fahrzeugen auf die Klägerin.

2

Mit den Händlern schloss die Lieferantin jeweils einen "Händlervertrag PKW". Dazu gehörte eine Vereinbarung über Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, nach denen sich die Lieferantin das Eigentum an den ausgelieferten Fahrzeugen bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vorbehielt. Für den Fall des Zahlungsverzugs, der Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin sollten der Händlervertrag beendet und die Lieferantin oder das Finanzierungsinstitut berechtigt sein, die Vertragsware von der Schuldnerin heraus zu verlangen.

3

Am 2. Februar 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Vertragshändlerin A.          GmbH (fortan: Schuldnerin) eröffnet und die Beklagte zur Verwalterin bestellt. Bereits zuvor, am 7. Januar 2009, hatte die Klägerin der Beklagten als vorläufige Verwalterin gegenüber den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Herausgabe von zehn Neu- und Vorführwagen verlangt. Die Parteien kamen überein, dass die Klägerin die Fahrzeuge veräußern und der Beklagten anschließend vom Verwertungserlös - abhängig vom Ausgang eines nachfolgenden Rechtsstreits zur Klärung des Absonderungs- bzw. Aussonderungsrechts - 4 v.H. Feststellungskosten, 2,5 v.H. Verwertungskosten und 19 v.H. Umsatzsteuer, überweisen solle. Nach Verwertung der Fahrzeuge zahlte die Klägerin aufgrund der Vereinbarung, aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, 33.078,44 € an die Beklagte.

4

Nunmehr verlangt die Klägerin die Rückzahlung dieses Betrages. In den Vorinstanzen hatte die Klage Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6

Nach Ansicht des Berufungsgerichts stand der Klägerin aufgrund des abgetretenen Vorbehaltseigentums ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO an den verwerteten Fahrzeugen zu. Die Beklagte habe daher keinen Anspruch auf Abführung der Feststellungs- und Verwertungskosten sowie der Umsatzsteuer gehabt. Die Klägerin sei durch Abtretung Inhaberin der Kaufpreisansprüche einschließlich des gesetzlichen Rücktrittsrechts nach §§ 323 f BGB geworden. Das vorbehaltene Eigentum an den Fahrzeugen habe auch nach seiner Übertragung auf die Klägerin nicht einen Geldkredit der Schuldnerin gesichert, sondern einen Warenkredit.

II.

7

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

8

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Höhe von 33.078,44 € zu, weil ihre Leistung ohne rechtlichen Grund erfolgt ist.

9

1. Die Klägerin war Vorbehaltseigentümerin der zehn Neu- und Vorführwagen.

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a) Zunächst war die Lieferantin Eigentümerin dieser Fahrzeuge. Sie hat die Fahrzeuge sodann unter Eigentumsvorbehalt an die Schuldnerin geliefert. Der Übergang des Eigentums auf die Schuldnerin hing von der vollständigen Begleichung der Kaufpreisforderung ab (§ 449 Abs. 1 BGB). Diese Bedingung ist nicht eingetreten. Insbesondere führten die Zahlungen der Klägerin an die Lieferantin nicht zu einem Erlöschen der Kaufpreisforderungen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Klägerin zahlte nicht auf die Kaufpreisverbindlichkeit der Schuldnerin (§ 267 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern auf ihre eigene Verbindlichkeit aus dem Ankauf der Forderung (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1964 - VIII ZR 305/62, BGHZ 42, 53, 56; Roth, KTS 2008, 526, 528).

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b) Die Lieferantin hat ihr Vorbehaltseigentum gemäß § 929 Satz 1, § 931 BGB durch dingliche Einigung und Abtretung ihres Herausgabeanspruchs, der gemäß § 346 BGB aufgrund eines nach § 449 Abs. 2 BGB ausgeübten Rücktrittsrechts entsteht (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2008 - IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86 Rn. 16 ff), auf die Klägerin übertragen. Das Eigentum blieb nach dieser Übertragung weiterhin Vorbehaltseigentum, weil die Händler als Vorbehaltskäufer auch gegenüber der neuen Eigentümerin ihr Recht zum Besitz gemäß § 986 Abs. 2 BGB hätten geltend machen können, solange es nicht zum Rücktritt vom Vertrag gekommen war (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2008, aaO Rn. 16 f).

12

2. Zutreffend ist auch die Annahme der Vorinstanzen, dass der von der Lieferantin abgeleitete Eigentumsvorbehalt der Klägerin nicht nur ein Absonderungsrecht entsprechend § 51 Nr. 1 InsO, sondern ein Aussonderungsrecht im Sinne von § 47 InsO begründet.

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a) Grundsätzlich kann eine Sache, die unter einfachem Eigentumsvorbehalt veräußert worden ist, in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers, der den Kaufpreis noch nicht vollständig entrichtet hat, gemäß § 47 InsO vom Verkäufer ausgesondert werden (BGH, Urteil vom 27. März 2008, aaO Rn. 24). Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat bewusst davon abgesehen, dem Vorbehaltsverkäufer im Falle der Insolvenz des Käufers nur ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO einzuräumen (vgl. RegE BT-Drucks. 12/2443 S. 125 zu § 58; so schon zur Konkursordnung BGH, Urteil vom 10. Februar 1971 - VIII ZR 188/69, NJW 1971, 799; Kilger/K. Schmidt, KO, 17. Aufl., § 43 Rn. 3; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 43 Rn. 28). Der Warenkreditgeber, der die ihm gehörende Kaufsache dem Schuldner übergibt, ohne die vollständige Gegenleistung zu erhalten, erschien ihm schutzbedürftiger als ein Geldkreditgeber, dem eine Sache als Sicherheit überlassen wird und der damit nur ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO erlangt.

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Der Kreis der Aussonderungsberechtigten wurde indes auf die Inhaber eines einfachen Eigentumsvorbehalts beschränkt. Die Verlängerungs- und Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts sollten wie zuvor als Sicherungsübereignung behandelt werden, also nur zur abgesonderten Befriedigung berechtigen (RegE BT-Drucks. 12/2443 S. 125 zu § 58).

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b) Diesem restriktiven Verständnis des Aussonderungsrechts und diesem Gesetzeszweck entsprechend geht der Senat davon aus, dass Vorbehaltseigentum nach seiner Überleitung auf einen Geldkreditgeber nicht mehr zur Aussonderung nach § 47 InsO berechtigt, wenn die Sicherheit hierdurch einen Bedeutungswandel erfahren hat und seiner Funktion nach nunmehr einem Sicherungseigentum gleichgestellt ist (BGH Urteil vom 27. März 2008, aaO Rn. 23 ff). Während das originäre Eigentum des Vorbehaltsverkäufers noch ausschließlich dessen Anspruch auf Rückgewähr der Kaufsache im Rücktrittsfall, also seinen Warenkredit, sichert (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 1970 - VIII ZR 24/69, BGHZ 54, 214, 219), entfällt dieser Sicherungszweck ab der Übertragung des Eigentums auf einen Darlehensgeber des Käufers. Dieser tritt selbst dann, wenn ihm sicherungshalber auch der Kaufpreisanspruch abgetreten wird, nicht in den Kaufvertrag ein; er kann somit nicht vom Kaufvertrag zurücktreten (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2008, aaO Rn. 29 f; MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl., § 47 Rn. 96b mwN; Staudinger/Beckmann, BGB, 2014, § 449 Rn. 113; Roth, KTS 2008, 526, 527). Der übergeleitete Eigentumsvorbehalt sichert dann ausschließlich den Darlehensrückzahlungsanspruch, aus dem der Geldkreditgeber vorrangig die Befriedigung zu suchen hat. Erst wenn feststeht, dass der Sicherungsfall eingetreten ist, kann er auf den abgetretenen Kaufpreisanspruch oder das abgeleitete Vorbehaltseigentum zurückgreifen (BGH, Urteil vom 27. März 2008, aaO Rn. 33 ff).

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c) Einen vergleichbaren Bedeutungswandel hat der Eigentumsvorbehalt nach seiner Überleitung auf die Klägerin im Rahmen des Factoringvertrags nicht erfahren. Das Vorbehaltseigentum sicherte auch nach seiner Übertragung auf die Klägerin noch den Rückgewähranspruch an der Kaufsache im Rücktrittsfall und damit einen Warenkredit. Er berechtigte die Klägerin somit zur Aussonderung der Fahrzeuge gemäß § 47 InsO.

17

aa) Der Klägerin wurde das Vorbehaltseigentum an den Fahrzeugen im Rahmen eines echten Factoringvertrags übertragen. Dem echten Factoring kommt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine wichtige Finanzierungsfunktion zu (Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 102 Rn. 2; Staudinger/Busche, BGB, 2012, Einl. zu §§ 398 Rn. 146; Brink in Hagenmüller/Sommer/Brink, Factoring-Handbuch, 3. Aufl., S. 195). Gleichwohl handelt es sich nicht um einen Darlehensvertrag, sondern um einen Kaufvertrag über Rechte im Sinne von § 453 BGB (BGH, Urteil vom 19. September 1977 - VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 254, 257; vom 15. April 1987 - VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353, 358).

18

bb) Die Kaufpreisforderungen, welche die Klägerin im Rahmen dieses Factoringvertrags von der Lieferantin ankaufte, sind nicht durch Erfüllung erloschen, sondern gemäß § 398 BGB im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen. Zugunsten der Klägerin kann mit dem Berufungsgericht, an dessen Vertragsauslegung der Senat grundsätzlich gebunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 178/05, NZI 2007, 407 Rn. 22; vom 8. Januar 2009 - IX ZR 229/07, NJW 2009, 840 Rn. 9; vom 25. April 2013 - IX ZR 62/12, NJW 2013, 2429 Rn. 16), angenommen werden, dass die Abtretung das gesetzliche Rücktrittsrecht des Verkäufers gemäß §§ 323 ff BGB einschloss (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1985 - V ZR 134/84, NJW 1985, 2640, 2641). Damit erfüllte das auf die Klägerin übergeleitete Vorbehaltseigentum wie zuvor bei der Lieferantin den Zweck, einen durch den Rücktritt vom Kaufvertrag aufschiebend bedingten Herausgabeanspruch nach § 449 Abs. 2 BGB zu sichern. Von dieser Sicherheit machte die Klägerin anstelle der Lieferantin sodann Gebrauch, als sie mit Schreiben vom 7. Januar 2009 die Fahrzeuge herausverlangte und damit zugleich den Rücktritt von den Kaufverträgen erklärte. Mit Blick auf den fortbesehenden Zweck des Sicherungsmittels, diesen Herausgabeanspruch an der Ware zu sichern, hat das Vorbehaltseigentum seine ursprüngliche Funktion beibehalten. Es ist damit nicht gerechtfertigt, der Klägerin

im Gegensatz zum Vorbehaltsverkäufer kein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO zuzubilligen.

Kayser                       Vill                          Pape

               Grupp                    Möhring