Entscheidungsdatum: 01.06.2017
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Mai 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter in dem über das Vermögen des H. (nachfolgend: Schuldner) auf Antrag vom 5. April 2013 am 25. Juli 2013 eröffneten Insolvenzverfahren. Der Schuldner betrieb zwei Spielhallen. Aufgrund offener Steuerverbindlichkeiten erließ der Beklagte im Zeitraum vom 22. September 2011 bis zum 30. Mai 2012 insgesamt sechs Pfändungs- und Überweisungsverfügungen gegen den Schuldner, welche dessen einziges Geschäftskonto betrafen. Die kontoführende Bank zahlte zwischen dem 19. Oktober 2011 und dem 2. Oktober 2012 insgesamt 42.151,93 € auf diese Verfügungen an den Beklagten. Die diesen Auszahlungen zugrundeliegenden Zahlungseingänge beruhten darauf, dass der Schuldner den Besuchern der Spielhallen auf deren Wunsch das in den Kassen vorhandene Bargeld auszahlte und das Girokonto des jeweiligen Besuchers in Höhe der an ihn erfolgten Barauszahlung mittels EC-Karte belastet sowie ein entsprechender Betrag anschließend dem Konto des Schuldners gutgeschrieben wurde.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein auf § 133 Abs. 1 InsO gestützter Rückgewähranspruch des Klägers scheide aus, weil den streitgegenständlichen Zahlungen keine Rechtshandlung des Schuldners zugrunde liege. Der Schuldner habe weder durch aktives Tun noch durch Unterlassen zur Befriedigung des Beklagten beigetragen. Durch die Beibehaltung der bisherigen Geschäftspraxis, wonach auf Kundenwunsch gegen EC-Kartenzahlung Bargeld aus der Kasse herausgegeben wurde, habe der Schuldner nicht bewusst das Pfändungspfandrecht des Beklagten werthaltig gemacht. Er habe nur den bisherigen Zahlungsweg beibehalten und hingenommen, dass die Kunden Zahlungen auf das gepfändete Konto erbrachten. Die unterbliebene Eröffnung eines weiteren Kontos stelle auch kein der Rechtshandlung gleichgestelltes, notwendigerweise zielgerichtetes Unterlassen dar, denn er habe seinen Geschäftsbetrieb in der üblichen Art und Weise fortgeführt.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich das Vorliegen einer Rechtshandlung nicht verneinen, die Entscheidung hierüber bedarf weiterer Feststellungen.
1. Die Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO setzt eine Rechtshandlung des Schuldners und damit dessen willensgeleitetes, verantwortungsgesteuertes Handeln voraus. Der Schuldner muss darüber entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt oder verweigert. Grundsätzlich fehlt es an einer solchen Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann anfechtbar sein, wenn dazu zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat. Fördert der Schuldner eine Vollstreckungsmaßnahme, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 79; vom 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 ff; vom 3. Februar 2011 - IX ZR 213/09, WM 2011, 501 Rn. 5, 12; vom 19. September 2013 - IX ZR 4/13, WM 2013, 2074 Rn. 9; vom 21. November 2013 - IX ZR 128/13, WM 2014, 44 Rn. 7; vom 16. Januar 2014 - IX ZR 31/12, WM 2014, 272 Rn. 7). Eine durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers erlangte Zahlung kann daher der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn eine Schuldnerhandlung oder eine der Handlung gleichstehende Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme beigetragen hat. Ausreichend ist eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners, ohne dass sie die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bilden muss (BGH, Urteil vom 16. Januar 2014, aaO mwN).
b) Für Fälle, in denen der Gläubiger Vermögen des Schuldners durch eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung erlangt, hält der Senat an dieser Rechtsprechung nicht uneingeschränkt fest. Nicht jeder auch nur entfernte Mitwirkungsbeitrag des Schuldners rechtfertigt es, die vom Gläubiger durch eine Vollstreckungsmaßnahme erwirkte Vermögensverlagerung auch als Rechtshandlung des Schuldners zu werten. Andernfalls wäre für die Pfändung künftiger Forderungen, die selten ohne eine Mitwirkung des Schuldners entstehen, regelmäßig der Anwendungsbereich des § 133 Abs. 1 InsO eröffnet. Dies stünde nicht im Einklang mit dem Zweck dieser Norm, außerhalb des Zeitraums von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 130, 131 InsO) die prinzipiell gleichen Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger auch durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu gewährleisten. Dies hat der Senat mit Urteil vom 1. Juni 2017 im Verfahren IX ZR 48/15 (zVb) näher ausgeführt, hierauf wird Bezug genommen.
Gegenstand der Anfechtung ist in Vollstreckungsfällen die vom Gläubiger mit Zwangsmitteln bewirkte Verlagerung von Schuldnervermögen und nicht lediglich ein dabei mitwirkender Verursachungsbeitrag des Schuldners. Die Mitwirkung des Schuldners kann es aber rechtfertigen, die Vollstreckung auch als Handlung des Schuldners anzusehen und sie einer freiwillig gewährten Befriedigung gleichzustellen. Eine solche Gleichstellung setzt voraus, dass der Beitrag des Schuldners bei wertender Betrachtung dazu führt, dass die Vollstreckungstätigkeit zumindest auch als eigene, willensgeleitete Entscheidung des Schuldners anzusehen ist. In dieser Hinsicht muss der Beitrag des Schuldners ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers zumindest vergleichbares Gewicht erreichen.
Daran fehlt es, wenn der Schuldner sich darauf beschränkt, die berechtigte Vollstreckung eines Gläubigers hinzunehmen, und sich angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhält, als er dies auch ohne die Vollstreckungsmaßnahme getan hätte. Dies ist in aller Regel anzunehmen, wenn sich der Schuldner in Kenntnis der Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhält als zuvor und seinen Geschäftsbetrieb in der bisher geübten Weise fortsetzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2014, aaO Rn. 9 f).
c) Entsprechendes gilt, soweit an ein Unterlassen des Schuldners an-geknüpft werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 - IX ZR 48/15, zVb). Nach § 129 Abs. 2 InsO steht dieses einer Rechtshandlung gleich. Voraussetzung ist nur, dass die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruht, also bewusst und gewollt erfolgt. An einer Schuldnerhandlung fehlt es, wenn der Schuldner es lediglich unterlässt, seinen Forderungseinzug nach der Pfändung seines Geschäftskontos umzustellen, etwa auf einen Einzug über ein bestehendes oder neu zu eröffnendes anderes Bankkonto oder durch Bar- oder Scheckzahlung.
2. Nach diesen Maßstäben kann es im Streitfall an einer Schuldnerhandlung nach § 133 Abs. 1 InsO fehlen. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat jedoch nicht möglich, weil es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlt.
a) Zunächst zutreffend stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass durch das Zurverfügungstellen der EC-Kartenzahlungsmöglichkeit im electronic-cash-Verfahren das gepfändete Konto aufgefüllt wurde, was mitursächlich erst die Befriedigung des Beklagten ermöglichte. Weiter zutreffend sieht das Berufungsgericht, dass nicht jeder Mitwirkungsbeitrag des Schuldners als dessen Rechtshandlung gewertet werden kann. Ob indes die maßgebliche Frage, wie sich der Schuldner auch ohne die Pfändung verhalten hätte, in den Blick genommen wurde, lassen die getroffenen Feststellungen nicht hinreichend erkennen. Soweit das Berufungsgericht feststellt, der Schuldner habe seinen Geschäftsbetrieb lediglich in der üblichen Art und Weise fortgesetzt, ist dies nicht näher ausgeführt. An anderer Stelle stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass der Schuldner eine auch schon vor der Pfändung bestehende Zahlungsmöglichkeit genutzt habe. Allein das Verwenden eines vor der Pfändung bereits bestehenden Zahlungswegs, der zu Zahlungseingängen auf dem gepfändeten Konto führt, lässt jedoch keinen tragfähigen Schluss darauf zu, ob sich der Schuldner darauf beschränkt hat, seine Geschäftstätigkeit in gleicher Weise fortzusetzen, wie er es auch ohne Pfändung getan hätte.
b) Der Senat kann auch nicht aufgrund weiterer Umstände das Vorliegen einer Rechtshandlung abschließend beurteilen. Die in Nummer 2 der Bedingungen für die Teilnahme am electronic-cash-System der deutschen Kreditwirtschaft geregelte Akzeptanzpflicht, der sich der Schuldner notwendigerweise unterworfen hatte, begründet keinen Kontrahierungszwang (vgl. Koch in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 68 Rn. 7) dergestalt, dass allein hiermit das Vorliegen einer Schuldnerhandlung verneint werden könnte. Andererseits sind weder der Umstand, dass ein dem unmittelbaren Gläubigerzugriff unterliegender Vermögensgegenstand (Bargeld) weggegeben wurde, noch dass die den Kunden erbrachte Leistung und der dafür angebotene bargeldlose Zahlungsweg nicht unabdingbare Voraussetzung zur Fortführung des Geschäftsbetriebs sind oder damit in unabdingbarem Zusammenhang stehen, noch dass die Teilnahme am electronic-cash-System unter Umständen gesonderter Erlaubnis bedarf oder Aufsicht unterliegt, maßgebliche Kriterien, um zu beurteilen, wie sich der Schuldner ohne Pfändung tatsächlich verhalten hätte. Allein hierauf gestützt kann das Vorliegen einer Schuldnerhandlung also nicht bejaht werden.
c) Die Bedeutung des Gesichtspunkts, ob der Schuldner nach erfolgter Kontenpfändung seine Geschäftstätigkeit unverändert fortgeführt und sich damit auf die Hinnahme der berechtigten Zwangsvollstreckung des Beklagten beschränkt hat, konnte der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entnommen werden. Den Parteien ist deshalb Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern und ihren Vortrag zu ergänzen (§ 139 Abs. 2 ZPO).
III.
Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben und zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).
Kayser |
|
Lohmann |
|
Pape |
|
Möhring |
|
Meyberg |
|