Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 06.10.2011


BGH 06.10.2011 - IX ZR 105/09

Haftung des Insolvenzverwalters: Anforderungen an die Prognoseentscheidung zur Fortführung des Schuldnerunternehmens


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
06.10.2011
Aktenzeichen:
IX ZR 105/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 4. Dezember 2008, Az: 15 U 136/02vorgehend LG Marburg, 11. April 2002, Az: 1 O 207/00
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Dezember 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 46.957,93 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

2

1. Ob der Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision überhaupt rechtfertigen könnte, soweit die Beschwerdeführer beanstanden, das Berufungsurteil weiche von der Rechtsprechung des Senats zur Haftung des Konkursverwalters wegen Liquidationsverschleppung gemäß §§ 60, 82 KO (Urteil vom 4. Dezember 1986 - IX ZR 47/86, BGHZ 99, 151; vom 14. April 1987 - IX ZR 260/86, BGHZ 100, 346) ab, erscheint nicht zweifelsfrei, weil sich die Rechtslage seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999, somit bereits vor mehr als zwölf Jahren, geändert hat (vgl. § 61 InsO).

3

Dies braucht jedoch nicht entschieden zu werden, weil dem Berufungsurteil ein zutreffendes Verständnis der maßgeblichen Rechtsprechung des Senats zum damaligen Rechtszustand zugrunde liegt. Es ist sachverständig beraten zu der Überzeugung gelangt, dass dem bisher defizitär arbeitenden Unternehmen des Schuldners auch bei Durchführung der so genannten Pachtvertragslösung mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des pachtenden Unternehmens keine positive Fortführungsprognose gestellt werden konnte und dass damit feststand, dass die bei einer Betriebsfortführung entstehenden Masseverbindlichkeiten nicht würden getilgt werden können.

4

2. Es besteht kein Bedarf, im Wege der Rechtsfortbildung zu klären, in welchem Umfang ein Konkurs- oder Insolvenzverwalter vor einer übertragenden Sanierung die Wirtschaftskraft des Übernehmers zu prüfen hat. Die grundsätzlichen Anforderungen an den vom Insolvenzverwalter gemäß § 61 Satz 2 InsO zu erbringenden Entlastungsbeweis hat der Senat in den Urteilen vom 6. Mai 2004 (IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104, 115 ff) und vom 17. Dezember 2004 (IX ZR 185/03, WM 2005, 337, 338) geklärt. Danach ist der Verwalter vor der Entscheidung zur Fortführung des Schuldnerunternehmens unter anderem zu einer realistischen Einschätzung der Werthaltigkeit bestehender und künftig zu begründender Masseforderungen verpflichtet. Welche Überprüfungen der Verwalter im Einzelnen anstellen muss, ist eine Frage des Einzelfalls, die verallgemeinernden Rechtssätzen nicht zugänglich ist.

5

3. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Berufungsurteil ein Rechtssatz zugrunde liegt, der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Schadensrecht (BGH, Urteil vom 12. Mai 1958 - II ZR 103/57, BGHZ 27, 241, 248 f; vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08, ZIP 2009, 870 Rn. 14) abweicht. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob die Verurteilung der Beklagten von Amts wegen auf eine Schadensersatzzahlung Zug um Zug gegen Abtretung des Erfüllungsanspruchs der Klägerin gegen die Masse beschränkt werden musste, in den Urteilsgründen nicht auseinander gesetzt. Möglicherweise hat es sich damit der rechtsirrtümlichen Auffassung des Landgerichts anschließen wollen, es handele sich um ein Gegenrecht nach § 255 BGB, welches gemäß § 273 BGB nur als Einrede zu berücksichtigen sei. Möglicherweise hat es die Ansprüche der Klägerin gegen die Masse mangels Werthaltigkeit außer Betracht gelassen oder die Problematik schlicht übersehen. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass eine Vorteilsausgleichung nur auf die Einrede des Schädigers hin erfolgen könne, enthält das Berufungsurteil jedoch nicht.

6

4. Die von der Beschwerde erhobenen Gehörsrügen hat der Senat geprüft. Sie sind unbegründet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Kayser                                    Gehrlein                                       Vill

                       Fischer                                       Grupp