Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.09.2011


BGH 22.09.2011 - IX ZR 1/11

Rechtsbeständigkeit eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses: Anspruch aus einem sich im Grenzbereich eines gesetzlichen Verbotes bewegenden Rechtsverhältnis


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
22.09.2011
Aktenzeichen:
IX ZR 1/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Frankfurt, 19. November 2010, Az: 2-1 S 232/09, Urteilvorgehend AG Frankfurt, 25. Juni 2009, Az: 32 C 854/09-41, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Erkennt der Schuldner einen Anspruch aus einem Rechtsverhältnis an, welches sich im Grenzbereich eines gesetzlichen Verbotes bewegt, dessen Eingreifen indes ernstlich zweifelhaft ist, so geschieht dies mangels anderer Anhaltspunkte auch, um eine etwaige rechtshindernde Einwendung infolge des Verbotes auszuräumen, wenn dem Schuldner dieses Risiko des Gläubigers bewusst ist. Die Rechtsbeständigkeit eines solchen schuldbestätigenden (deklaratorischen) Anerkenntnisses und seine Wirkungen richten sich nach den gleichen Grundsätzen wie bei einem Vergleichsvertrag .

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 2010 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelinstanzen als Gesamtschuldner zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Gemeinderat in O.             . Er verlangt von den beklagten, in Sozietät verbundenen Rechtsanwälten Vergütung für seine Mitarbeit bei einer von ihnen vertretenen Verwaltungsstreitsache gegen den Freistaat Bayern, in welcher die Gemeinde O.      wegen ihres versagten kommunalen Einvernehmens notwendig beigeladen war. Der Beklagte zu 1 übersandte dem Kläger Anfang März 2008 das stattgebende Urteil mit dem handschriftlichen Vermerk: "Ich bitte um ½ Gegenrechnung".

2

Der Kläger übersandte im August 2008 eine entsprechende Berechnung, die einschließlich Umsatzsteuererstattung zu einer Forderung von 3.279,10 € kam. Nach weiterem Austausch antwortete der Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 15. Dezember 2008: "Wir werden Ihre Rechnung unter Berücksichtigung meiner heutigen Notarkostenberechnung in Sachen (Name des Klägers ./. N.) kurzfristig ausgleichen". Letztere belief sich auf einen Betrag von 286,20 €. Die Beklagten bezahlten die verbleibende Forderung des Klägers von 2.992,90 € in der Folge nicht, sondern erhoben Einwendungen.

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Die Klage hatte vor dem Amtsgericht Erfolg. Das Landgericht hat sie abgewiesen und dagegen die Revision zugelassen. Mit seinem Rechtsmittel erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

4

Revision und Klage sind begründet.

I.

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Das Landgericht hat gemeint, dem Schreiben des Beklagten zu 2 vom 15. Dezember 2008 könne zwar ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis entnommen werden. Dieses sei aber nicht anspruchsbegründend, weil eine Mitarbeitervergütung zwischen den Parteien hier wegen des kommunalen Vertretungsverbotes gemäß Art. 50 BayGO nicht wirksam habe vereinbart werden können. Der Kläger sei daran als Ratsmitglied der beteiligten Gemeinde O.     gehindert gewesen. Art. 50 BayGO enthalte ein gesetzliches Verbot, welches nach § 134 BGB die Nichtigkeit entgegenstehender Vereinbarungen bewirke. Das Verbot greife hier ein, obwohl das Verwaltungsstreitverfahren von den Beklagten gegen den Freistaat Bayern geführt worden sei. Die notwendige Beiladung der Gemeinde auf Seiten des beklagten Freistaates genüge. Der Kläger habe für die Mandanten der Beklagten den baurechtlichen Genehmigungsanspruch auch geltend gemacht; denn der Begriff des Geltendmachens umfasse beratende Tätigkeiten, sobald sie wenigstens mittelbar die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Gemeinde unterstützen.

II.

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Die Annahmen des Berufungsgerichts halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.

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1. Keiner Entscheidung bedarf die vom Berufungsgericht mit Recht als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage, ob Verträge über Rechtsdienstleistungen infolge eines Verstoßes gegen die landesrechtlichen kommunalen Vertretungsverbote nach § 134 BGB nichtig sein können (befürwortend etwa: Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze Loseblatt, Art. 50 GO, Stand April 2009, Rn. 4; Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 50, Stand Januar 2002, Rn. 1; Stober, BayVBl 1981, 161, 166 f; wohl auch OVG Münster, VerwRspr 23 Nr. 199). Schon wegen der Unschärfe des möglichen Verbotstatbestandes drängt sich eine solche Gesetzesauslegung nicht auf (vgl. Schoch, Das Kommunale Vertretungsverbot, S. 274 ff). Das historische Vorbild in § 20 des Preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 (PrGS S. 427) kannte nur eine kommunalrechtliche Sanktion (für ein entsprechendes Gesetzesverständnis in neuerer Zeit etwa von Mutius, VerwArch 1977, 73, 81; vgl. ferner BadWürtt VGH, VBl 1973, 137, 138). Zweifelhaft ist aber auch, ob ein totales kommunales Vertretungsverbot nicht selbst in manchen Fällen als Übermaß gewertet werden müsste. Sind kritische und klagebereite Bürger imstande, ihre Prozessvertretung in die Hand eines sachlich erfahrenen Rechtsanwaltes zu legen, dem als Gemeinderat die Fälle umstrittener Gesetzesanwendung in dem hier betroffenen Bereich des § 22 BauGB bekannt sind, so kann das der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung letztlich sogar dienen.

8

2. Nach dem Zweck des kommunalen Vertretungsverbotes ist es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht eindeutig, ob die im Streit stehende Mitwirkung des Klägers von den Verbotsfolgen betroffen ist.

9

Das kommunale Vertretungsverbot des Art. 50 BayGO will sachfremde Einflüsse auf die Verwaltung fernhalten und das Vertrauen der Bürger zur Verwaltung stärken. Die persönlichen, politischen und sachlichen Beziehungen kommunaler Mandatsträger zu Bürgermeistern und Angehörigen der Gemeindeverwaltung sollen nicht zur Durchsetzung von Ansprüchen Dritter und für eigene berufliche Interessen genutzt werden; den Mandatsträgern selbst soll mit der verwehrten Doppelfunktion der drohende Interessenwiderstreit erspart bleiben (BVerwGE 3, 127, 128; BVerwG NJW 1984, 377; NJW 1988, 1994; BVerfGE 41, 231, 241; 52, 42, 54 f; 56, 99, 108; 61, 68, 74; BVerfG NJW 1988, 694, 695). Dieser Gesetzeszweck rechtfertigt nicht, auch die interne Mitwirkung eines Gemeinderatsmitglieds an der anwaltlichen Geltendmachung von Ansprüchen Dritter gegen die Gemeinde unterschiedslos zu missbilligen (für eine einzelfallbezogene Betrachtung dieser Frage Schoch, aaO S. 173). Das Bundesverfassungsgericht hat es zwar in einer Kammerentscheidung als verfassungsrechtlich beanstandungsfrei bezeichnet, wenn die Tätigkeit eines Korrespondenzanwaltes von dem Vertretungsverbot erfasst werde (BVerfG NJW 1988, 694, 695). Daraus folgt jedoch nicht, dass eine derart weite Auslegung des Gesetzestatbestandes, Ansprüche Dritter gegen die Gemeinde geltend zu machen, allgemein zutrifft. Hier war der Kläger nicht einmal Korrespondenzanwalt. Er war von den Klägern des Verwaltungsstreitverfahrens, welche die Beklagten vertraten, persönlich in keiner Weise beauftragt. In Ermangelung eines Mandatsvertrages kam auch das anwaltsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO hier nicht in Betracht.

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3. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die zutreffende Bestimmung und Abgrenzung der Verbotswirkungen des Art. 50 BayGO für den Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Denn das mit Wirkung für beide Beklagte am 15. Dezember 2008 abgegebene Anerkenntnis hatte auch dann Bestand, wenn die vom Berufungsgericht vertretene weitere Auslegung von Art. 50 BayGO richtig wäre.

11

Das Berufungsgericht hat das Anerkenntnis vom 15. Dezember 2008 nach dem Rechtsgrundsatz des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 29. Juni 2005 (VIII ZR 299/04, NJW 2005, 2991, 2993 unter B. 1. c, aa) für unwirksam gehalten. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist danach nicht nur nichtig, soweit es selbst gegen die guten Sitten verstößt, sondern grundsätzlich auch, soweit es sich auf ein sittenwidriges Ausgangsverhältnis bezieht und die Nichtigkeitsgründe bei seiner Abgabe noch fortbestehen (vgl. ferner BGH, Urteil vom 16. März 1988 - VIII ZR 12/87, BGHZ 104, 18, 24). Die einschlägige Rechtssatzbildung des Berufungsgerichts ist jedoch unvollständig und seine Subsumtion fehlerhaft.

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a) Das Berufungsgericht hat übersehen, dass eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz dann gilt, wenn gerade über die etwaige Gesetz- oder Sittenwidrigkeit des Ausgangsverhältnisses ernsthaft Streit oder Zweifel herrschten, die durch das Anerkenntnis behoben werden sollten. Insoweit sind die gleichen Erwägungen maßgebend wie bei einem Vergleichsvertrag, durch den die Ungewissheit darüber, was der Gesetzeslage entspricht, durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird (Staudinger/Marburger, BGB, 13. Aufl., § 781 Bearbeitung Januar 2009, Rn. 21 a.E.). Ein solcher Vergleich ist nach dem vom Gesetzgeber (vgl. § 55 VwVfG) und von der Rechtsprechung (vgl. RG JW 1935, 1009; BGH, Urteil vom 22. Mai 1975 - KZR 9/74, BGHZ 65, 147, 151; vom 9. November 2006 - IX ZR 285/03, NJW-RR 2007, 263 Rn. 17; BVerwGE 49, 359, 364 f; 84, 157, 165 f; BVerwG, NJW 1975, 1751) entwickelten Maßstab trotz eines Widerspruchs zu zwingendem Recht wirksam, wenn der Vergleichsinhalt den Bereich nicht verlässt, der bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn beide Seiten auch in der Vorstellung gehandelt haben, durch den Vergleich ihrem Rechtsverhältnis keinen anderen Inhalt gegeben zu haben, als ihm bei richtiger Gesetzesauslegung zugekommen sein kann.

13

Hier hat das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, Feststellungen zum Zweck des Anerkenntnisses vom 15. Dezember 2008 nicht getroffen. Unstreitig ist jedoch, dass die Parteien von dem kommunalen Vertretungsverbot, welches den Kläger betraf, schon Jahre zuvor Kenntnis hatten und mit seiner Wirkung rechneten. Ferner zeichneten sich Meinungsverschiedenheiten darüber ab, in welchem Umfang und aufgrund welcher - möglicherweise konkludenten - Vereinbarung der Kläger bei der Mandatswahrnehmung der Beklagten mitgearbeitet hatte und auf welcher Berechnungsgrundlage mit welchem Satz diese Mitarbeit zu vergüten war. Aus dem Empfängerhorizont des Klägers war daher das Anerkenntnis vom 15. Dezember 2008 so aufzufassen, als sollte durch einen entsprechenden, konkludent anzunehmenden Feststellungsvertrag möglichem Streit über Grund und Höhe des Klageanspruchs der Boden entzogen werden. Sein vergleichsartiger Inhalt wird noch dadurch verdeutlicht, dass der Kläger sich seinerseits den Abzug der gegengerechneten Notarkosten gefallen lassen hat.

14

Den Beklagten sind danach sämtliche in diesem Rechtsstreit erhobenen Einwendungen versagt. Das kommunale Vertretungsverbot des Art. 50 BayGO war, wenn es doch das Recht des Klägers gehindert hätte, hier in seiner Wirkung nach jeder Richtung hin zumindest zweifelhaft, wie oben ausgeführt.

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b) Selbst auf den Feststellungszweck des Anerkenntnisses der Beklagten zur Überwindung einer möglichen Nichtigkeitsfolge aus § 134 BGB kommt es letztlich nicht an. Bestünde ein vertraglicher Vergütungsanspruch des Klägers danach nicht, hätten die Beklagten als Gesamtschuldner das aus seiner Mitarbeit rechtsgrundlos Erlangte nach § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB herauszugeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2000 - IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560, 1562 unter II. 2. b, aa mwN). Wenn unterstellt wird, dass Art. 50 BayGO die Mitarbeit des Klägers an der Geltendmachung von Mandantenrechten durch die Beklagten unter notwendiger Beiladung der Gemeinde O.       hier gehindert hätte, würde der Verbotszweck es jedenfalls nicht rechtfertigen, dass die Beklagten hieraus einen Vermögensvorteil ziehen.

16

Entgegen ihrer Ansicht ist das nicht nach § 817 Satz 2 BGB auszuschließen. Für ein vorsätzlich verbotswidriges Handeln des Klägers fehlt angesichts der ungewissen Rechtslage jeder Anhaltspunkt. Die vom Kläger vertretene Ansicht, die Beklagten verbotsfrei bei der Geltendmachung von Ansprüchen Dritter gegen die Gemeinde O.        unterstützen zu können, ist keine Einzelmeinung und kann mit der hier gegebenen Einschränkung fehlender Außenwirkung zutreffen.

17

Der hiernach im Falle der Vertragsnichtigkeit zu prüfende Bereicherungsanspruch war ohne die innerhalb zwingenden öffentlichen Rechts bestehenden Beschränkungen anerkenntnisfähig. Jedenfalls danach besteht die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten im Ergebnis zu Recht. Ihre dagegen gerichtete Berufung ist unbegründet.

Kayser                                    Raebel                                        Lohmann

                     Pape                                          Möhring