Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 24.09.2015


BGH 24.09.2015 - IX ZB 91/13

Internationale Rechtshilfe: Zustellung eines Urteils im Irak


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
24.09.2015
Aktenzeichen:
IX ZB 91/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Köln, 26. November 2013, Az: 16 W 7/13vorgehend LG Bonn, 2. August 2011, Az: 1 O 291/11nachgehend BGH, 21. September 2017, Az: IX ZB 83/16, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. November 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.500.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegner ein Urteil des Gerichtshofs Den Haag, Niederlande, vom 31. Oktober 2000, durch welches diese verurteilt wurden, als Gesamtschuldner 6.808.248 NLG nebst Zinsen und Kosten an die Antragstellerin zu zahlen. Die Antragsgegner hatten sich in dem Verfahren vor dem niederländischen Gericht nicht eingelassen.

2

Auf Veranlassung der Antragstellerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 2. August 2011 angeordnet, das Urteil gemäß Art. 31 ff EuGVÜ mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Das Landgericht hat die Zustellung des Beschlusses auf dem diplomatischen Weg veranlasst. Mit E-Mail vom 25. April 2012 hat eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Bagdad mitgeteilt, dass das Zustellungsersuchen mit Verbalnote vom 12. April 2012 an das Außenministerium der Republik Irak weitergeleitet und die Auslieferung der Schriftstücke am 15. April 2012 durch einen Fahrer der Botschaft erfolgt sei. Eine Quittung sei nicht erteilt worden.

3

Mit E-Mail vom 10. Dezember 2012 hat das Bundesamt für Justiz dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen die Sachstandsmitteilung des Auswärtigen Amtes übermittelt, dass das irakische Außenministerium nach Erinnerungen nunmehr mit Verbalnote vom 13. November 2012 bestätigt habe, dass das Zustellungsersuchen den irakischen Stellen vorliege, aber man noch auf eine Rückmeldung der zuständigen Stelle warte.

4

Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 haben sich für die Antragsgegner beim Landgericht Verfahrensbevollmächtigte bestellt und Akteneinsicht beantragt. Diese wurde ihnen vom Landgericht unter Berufung auf Art. 41 EuGVVO verweigert, wonach dem Schuldner im Exequaturverfahren keine Gelegenheit zu geben sei, eine Erklärung abzugeben. Es müsse erst der Eingang des Zustellungsnachweises abgewartet werden, welcher noch nicht vorliege.

5

Am 22. Januar 2013 wurde den Verfahrensbevollmächtigten der angefochtene Beschluss durch das Landgericht förmlich zugestellt. Am 2. Februar 2013 haben sie Akteneinsicht erhalten. Mit einem am 20. Februar 2013 per Fax eingegangenen Schriftsatz haben sie Beschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung eingelegt.

6

Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner, die die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts begehren und die Zurückverweisung zur Sachentscheidung.

II.

7

Auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren ist gemäß § 66 Abs. 2 EuGWO aF noch das Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen anwendbar (nachfolgend: EuGVÜ). Hierüber herrscht zwischen den Beteiligten kein Streit.

8

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 41 EuGVÜ, § 15 Abs. 1 AVAG in Verbindung mit § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

9

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Beschwerde sei wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig. Die Beschwerde sei nach Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ in Verbindung mit § 55 Abs. 2 AVAG innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung einzulegen, wenn der Schuldner - wie hier - seinen Wohnsitz im Ausland habe.

10

Die Beschwerde sei am 20. Februar 2013 bei Gericht eingegangen und damit verspätet, weil die Zustellung bereits am 15. April 2012 erfolgt sei. Anwendbar sei mangels eines bilateralen Abkommens mit dem Irak § 183 ZPO. Die Zustellung an Staaten erfolge nach § 183 Abs. 2 ZPO auf diplomatischem Wege, Adressat der Zustellung sei das Außenministerium des betreffenden Staates zur Weiterleitung an die zuständige Behörde. Zeitpunkt der Zustellung sei die Übergabe an das Außenministerium. Das gelte für beide Antragsgegner, weil auch der Antragsgegner zu 2 eine staatliche Organisation sei. Die Entscheidung des Landgerichts sei dem irakischen Außenministerium am 15. April 2012 ausgeliefert worden, was von den Antragsgegnern auch nicht bestritten werde. Nach § 183 Abs. 4 Satz 2 ZPO werde die Zustellung auf diplomatischem Wege durch das Zeugnis der ersuchten Behörde, d.h. der deutschen Botschaft in Bagdad, nachgewiesen. Auf ein Empfangsbekenntnis des Empfängers komme es nicht an. Ob als Zustellzeugnis die E-Mail der Botschaftsangestellten ausreiche, könne dahinstehen, weil die Beurkundung lediglich dem Nachweis der Zustellung diene, nicht aber notwendiger Bestandteil der Zustellung sei.

11

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

12

Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Entscheidung des Landgerichts nicht bereits am 15. April 2012 wirksam an die Antragsgegner zugestellt worden.

13

Die Zustellung sollte nach § 183 Abs. 2 ZPO erfolgen, weil im Verhältnis zum Irak der Rechtshilfeverkehr auf vertragloser Grundlage stattfindet, das heißt aufgrund gegenseitigen Entgegenkommens (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 ZRHO). Ausgehende Ersuchen werden grundsätzlich durch ausländische Stellen erledigt (§ 12 ZRHO). Die deutschen Auslandsvertretungen sollen zur Erledigung in eigener Zuständigkeit nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden, etwa für Zustellungen bei vertragslosem Zustand (§ 14 ZRHO).

14

Ob, wie das Beschwerdegericht - anders als das Landgericht - gemeint hat, eine Zustellung an die Antragsgegner durch die deutsche Botschaft in Bagdad durch Übergabe der erforderlichen Schriftstücke an das Außenministerium des Irak hätte erfolgen können, kann dahinstehen. Denn eine Übergabe der Schriftstücke zum Zwecke der Zustellung ist nicht erfolgt. Vielmehr konnte das Außenministerium des Irak die übergebenen Schriftstücke nach ihrem klaren Wortlaut nur dahin verstehen, dass es selbst die Zustellung erst vermitteln sollte. In diesem Sinne hat es ausweislich seiner Verbalnote vom 13. November 2012 das Zustellungsersuchen auch verstanden.

15

Das Landgericht hatte für beide Antragsgegner getrennte Zustellungsersuchen übermittelt. An die C.                    (Antragsgegner zu 2) sollte nach dem Ersuchen durch die zuständige Behörde im Irak zugestellt werden. Es wurde um einen Zustellungsnachweis der irakischen Behörde ersucht. Ein solcher Zustellungsnachweis liegt nicht vor.

16

Das Zustellungsersuchen betreffend den Antragsgegner zu 1 ist ebenfalls so zu verstehen, dass die Zustellung über die zuständige Behörde des Irak erfolgen sollte. Auch hier wurde um einen Zustellungsnachweis der zuständigen Behörde des Irak gebeten. Auch einen solchen gibt es nicht. Es kann aber nicht die Übergabe von Schriftstücken an eine Stelle eines auswärtigen Staates mit der Bitte, diese Schriftstücke an die genannten Empfänger zuzustellen, nachträglich und abweichend vom Zustellungsersuchen als bereits erfolgte Zustellung bewertet werden.

17

3. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist auch nicht aus anderen Gründen richtig, § 17 Abs. 2 AVAG, § 577 Abs. 3 ZPO.

18

Eine solche Heilung kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner am 5. Dezember 2012 beim Landgericht bestellt haben.

19

Grundsätzlich kommt eine Heilung von Zustellungsmängeln nach § 189 ZPO auch bei Auslandszustellungen in Betracht (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 183 Rn. 29; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 189 Rn. 3; Münch- Komm-ZPO/Häublein, 4. Aufl., § 183 Rn. 17 f).

20

Allein aus der Bestellung der Verfahrensbevollmächtigten lässt sich aber nicht mit ausreichender Sicherheit ableiten, dass den Zustellungsempfängern die Schriftstücke, die gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2, § 10 Abs. 1 AVAG zuzustellen waren, auch zugegangen sind. Es bestehen zwar erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahrensbevollmächtigten zumindest den landgerichtlichen Beschluss in deutscher Sprache erhalten haben, weil das von ihnen angegebene Rubrum nahezu identisch ist mit demjenigen des landgerichtlichen Beschlusses. Da dieses verschiedene ungewöhnliche Eigentümlichkeiten aufweist, insbesondere was die Bezeichnung des Antragsgegners zu 1 betrifft, kann ein Zufall in der Übereinstimmung ausgeschlossen werden. Nicht feststellbar ist aber, ob dieser Beschluss vollständig zugegangen ist und ob auch die sonstigen erforderlichen Unterlagen zugegangen sind, insbesondere eine Abschrift des niederländischen Urteils und die erforderlichen Übersetzungen in die arabische Sprache.

21

Der Zustellungsmangel hätte zwar womöglich durch Akteneinsicht geheilt werden können, die jedoch vom Landgericht wegen fehlender vorheriger Zustellung verweigert worden war. Das war zwar nicht im Hinblick auf den herangezogenen Art. 41 EuGVVO aF, wohl aber im Hinblick auf Art. 34 Abs. 1 EuGVÜ, § 6 Abs. 1 AVAG zutreffend.

22

4. Ob die Zustellung allein des Beschlusses des Landgerichts an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner am 22. Januar 2013 als ausreichende Zustellung an die Antragsgegner gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2, § 10 Abs. 1 AVAG angesehen werden kann, mag dahinstehen. Die am 20. Februar 2013 per Fax eingelegte Beschwerde war, die Zustellung am 22. Januar 2013 unterstellt, jedenfalls rechtzeitig erhoben, weil die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde, die gemäß Art. 36 Abs. 2 EuGVÜ, § 15 Abs. 2 AVAG jedenfalls nicht kürzer als einen Monat ist, noch nicht abgelaufen war.

III.

23

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann demnach keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 17 Abs. 2 AVAG, § 577 Abs. 4 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung, insbesondere zur Hauptsache, zurückzuverweisen.

Kayser                           Gehrlein                    Vill

                Lohmann                          Bär