Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 17.11.2011


BGH 17.11.2011 - IX ZB 85/11

Fristbeginn für die sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung einer Insolvenzverwaltervergütung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
17.11.2011
Aktenzeichen:
IX ZB 85/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Flensburg, 21. Januar 2011, Az: 5 T 178/10, Beschlussvorgehend AG Flensburg, 15. Juli 2008, Az: 56 IN 237/02, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 2 werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 21. Januar 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juli 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.

Der Wert der Rechtsmittelverfahren wird auf 41.760,60 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Verwalterin) ist Insolvenzverwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der P.       GmbH. Es gibt drei Parallelverfahren, die Gesellschaften der nämlichen Firmengruppe betreffen. Die Verwalterin hat beantragt, ihre Vergütung nebst Auslagen auf 61.714,45 € festzusetzen.

2

Am 15. Juli 2008 fasste das Insolvenzgericht - Rechtspfleger - folgenden Beschluss:

"In … wird

1. das Verfahren schriftlich beendet;

2. die Vornahme der Schlussverteilung genehmigt;

3. darauf hingewiesen, dass Einwendungen gegen

a) die Schlussrechnung und das Schlussverzeichnis,

b) eine eventuell abweichende Vergütungsregelung,

c) die Auszahlung von Zuteilungsbeträgen …

von den Insolvenzgläubigern beim Insolvenzgericht schriftlich einzureichen sind bis zum 28.08.2008, andernfalls wird nach Aktenlage entschieden.

Außerdem wird mitgeteilt, dass

a) die Vergütung der Insolvenzverwalterin festgesetzt wurde und

b) der vollständige Beschluss sowie weitere Unterlagen zur Schlussrechnung, die Tabelle sowie eventuell eingehende Widersprüche auf der Geschäftsstelle zur Einsicht ausliegen."

3

Mit weiterem Beschluss vom 15. Juli 2008 setzte das Insolvenzgericht die Vergütung auf 51.094,66 € fest. Der Beschluss über die Ankündigung der Schlussverteilung wurde am 18. Juli 2008 im Internet veröffentlicht. Der Beschluss über die Festsetzung der Vergütung wurde der Schuldnerin und der Verwalterin zugestellt, jedoch nicht - auch nicht auszugsweise - veröffentlicht.

4

Am 28. August 2008 hat die weitere Beteiligte zu 2 (fortan: Gläubigerin) sofortige Beschwerde gegen den Vergütungsbeschluss eingelegt. Am 6. Oktober 2008 hat sie hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Verwalterin hat am 29. März 2010 Anschlussbeschwerde eingelegt mit dem Ziel, eine höhere Vergütung zu erhalten. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin weiterhin die Herabsetzung der Vergütung auf 9.334,06 € erreichen.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 64 Abs. 3, §§ 6, 7 InsO aF statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

6

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die sofortige Beschwerde sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Notfrist von zwei Wochen eingelegt worden sei. Die Frist habe gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO am dritten Tag nach der Veröffentlichung begonnen. Dass nicht der vollständige Vergütungsbeschluss, sondern nur derjenige Beschluss veröffentlicht worden sei, welcher die Mitteilung über die Festsetzung enthalten habe, schade nicht. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 InsO könne der Beschluss auch auszugsweise veröffentlicht werden; die festgesetzten Beträge seien gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht zu veröffentlichen. Auch der Hinweis des Rechtspflegers, dass Einwendungen gegen eine eventuell abweichende Vergütungsregelung bis zum 28. August 2008 erhoben werden könnten, ändere im Ergebnis nichts. Die Notfrist des § 569 ZPO sei als gesetzliche Frist nicht verlängerbar (§ 224 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung könne nicht gewährt werden. Die Gläubigerin müsse sich das Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO), der einem vermeidbaren, nicht unverschuldeten Rechtsirrtum unterlegen sei.

7

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Veröffentlichung des Beschlusses vom 15. Juli 2008, in welchem die Festsetzung der Vergütung nur mitgeteilt wurde, hat die Frist zur sofortigen Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss nicht in Lauf gesetzt.

8

a) Gemäß § 6 Abs. 2 InsO beginnt die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen eine nicht verkündete Entscheidung mit deren Zustellung. Der Vergütungsbeschluss ist der Gläubigerin nicht zugestellt worden. Zum Nachweis der Zustellung genügt gemäß § 9 Abs. 3 InsO aber auch die öffentliche Bekanntmachung. Diese erfolgt durch eine zentrale und länderübergreifende, auch auszugsweise Veröffentlichung im Internet. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind (§ 9 Abs. 1 InsO). Für den Beschluss, in dem die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters festgesetzt werden, ordnet § 64 Abs. 2 InsO zusätzlich die Zustellung an den Verwalter, den Schuldner und gegebenenfalls die Mitglieder des Gläubigerausschusses an. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, dass der vollständige Beschluss in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.

9

 b) Der Vergütungsbeschluss vom 15. Juli 2008 ist nicht veröffentlicht worden. Die Veröffentlichung eines anderen Beschlusses - des Beschlusses vom 15. Juli 2008, in welchem die Aufhebung des Verfahrens angekündigt worden ist - vermag die in § 64 Abs. 2 InsO vorgeschriebene Veröffentlichung des Vergütungsbeschlusses nicht zu ersetzen. Die nachrichtliche Mitteilung der Festsetzung der Vergütung in der Bekanntmachung eines anderen Beschlusses reicht hierfür nicht aus.

III.

10

Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich; daher ist die Sache zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Da der Ausgangsbeschluss noch nicht veröffentlicht worden ist, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache unter Aufhebung auch dieser Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004- IX ZB 161/03, BGHZ 160, 176, 185). Dieses wird das Vorbringen beider Parteien zu prüfen und zu bewerten haben.

Kayser                                  Raebel                                     Lohmann

                      Pape                                      Möhring