Entscheidungsdatum: 02.12.2010
1. Verfügt ein Insolvenzgläubiger zur Sicherung seiner Forderung über eine Gesamtgrundschuld, für die massefremde Grundstücke mithaften und die zugleich auch Forderungen gegen Dritte sichert, so genügt für einen Verzicht auf das Absonderungsrecht, dass er im Umfang der Anmeldung als Insolvenzforderung auf den schuldrechtlichen Sicherungsanspruch aus einer Zweckvereinbarung mit den Sicherungsgebern verzichtet .
2. Als Verzicht auf das Absonderungsrecht für eine Insolvenzforderung genügt auch sonst jede Erklärung, die verhindert, dass das Absonderungsgut verwertet und die gesicherte Insolvenzforderung trotzdem in voller Höhe bei der Verteilung der Masse berücksichtigt wird. Zu diesem Zweck muss nicht notwendig über das zur abgesonderten Befriedigung berechtigende Grundpfandrecht verfügt werden. Nur wenn dies geschieht, bedarf die Erklärung des Insolvenzgläubigers der grundbuchmäßigen Form .
Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 2 werden die Beschlüsse der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 21. Januar 2009 und des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 27. Oktober 2008 aufgehoben.
Die Einwendungen der weiteren Beteiligten zu 2 gegen das vorgelegte Schlussverzeichnis werden für begründet erklärt. Es wird angeordnet, das Schlussverzeichnis dementsprechend zu berichtigen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem weiteren Beteiligten zu 1 auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 16.000 € festgesetzt.
I.
Der weitere Beteiligte zu 1 als Treuhänder berücksichtigte im Schlussverzeichnis des vereinfachten Insolvenzverfahrens über das Vermögen des R. F. Forderungsanmeldungen der weiteren Beteiligten zu 2 (im Folgenden auch Gläubigerin) in Höhe von 139.840, 67 € und weiteren 17.738,59 € wegen der Absonderungsrechte der Gläubigerin nur für den Ausfall. Hiergegen erhob die Gläubigerin im Schlusstermin Einwendungen, nachdem sie zuvor in Höhe von 56.000 € die Forderungsanmeldung gegenüber dem Treuhänder zurückgenommen und im Übrigen auf abgesonderte Befriedigung schriftlich verzichtet hatte. Dieser Verzicht wurde im Schlusstermin in der Weise klargestellt, dass - so die Gläubigerin - sie ihre Grundpfandrechte aus der Sicherungszweckerklärung vom 28. Juni und 5. Juli 2001 wegen der noch angemeldeten Gesamtforderung von 101.579,26 € entlasse.
Aufgrund dieser Zweckvereinbarung verfügte die Gläubigerin zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen gegen den Schuldner und seine Ehefrau über vollstreckbare erst- und zweitrangige Grundschulden im Betrag von 127.900 € und 15.400 € nebst 18 v.H. Jahreszinsen an dem Zweifamilienhausgrundstück in G., dessen Bruchteilseigentümer die Sicherungsgeber je zur Hälfte sind.
Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts wies die Einwendungen der weiteren Beteiligten zu 2 zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin die erhobenen Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 197 Abs. 3, § 194 Abs. 2, §§ 6, 7 InsO statthaft und nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 2 sind auch begründet und das vorgelegte Schlussverzeichnis dementsprechend nach § 197 Abs. 3, § 194 Abs. 3 InsO zu berichtigen.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Verzicht auf die abgesonderte Befriedigung aus den Grundschulden der Gläubigerin bedürfe auch im Anwendungsbereich von § 52 Satz 2, § 190 Abs. 1 InsO der von den §§ 1168, 1192 Abs. 1 BGB, § 29 GBO geforderten grundbuchmäßigen Form. Der Verzicht auf den schuldrechtlichen Sicherungsanspruch aus der Vereinbarung vom 28. Juni und 5. Juli 2001 genüge für diesen Zweck nicht; denn er gewähre dem Treuhänder lediglich eine Einwendung, hindere die Gläubigerin aber nicht daran, in der bereits angeordneten Zwangsversteigerung des haftenden Grundstücks ihre Grundschuld vollen Umfanges anzumelden. Diese Lösung lässt wesentliche Teile des Sachverhaltes außer Betracht und wird auch dem Zweck des Gesetzes nicht gerecht.
2. Die Grundschulden der Gläubigerin ruhten als Gesamtrechte nach den §§ 1132, 1192 Abs. 1 BGB auf den haftenden Miteigentumsbruchteilen (§ 1114 BGB). Sie dienten nicht allein der Sicherung von Ansprüchen gegen den Insolvenzschuldner, sondern jeder Bruchteil haftete dinglich auch für die Verbindlichkeiten des jeweils anderen Miteigentümers gegenüber der Gläubigerin. Soweit der Grundstücksbruchteil des Insolvenzschuldners dinglich für Verbindlichkeiten der anderen Miteigentümerin haftete, war die weitere Beteiligte zu 2 nicht Insolvenzgläubigerin. In dieser Hinsicht lagen demnach schon die Voraussetzungen des § 52 InsO nicht vor.
Soweit der Grundstücksbruchteil der anderen Miteigentümerin für Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners haftete, war die weitere Beteiligte zu 2 zwar Insolvenzgläubigerin. Die etwaige Teilbefriedigung der Gläubigerin aus der nicht insolvenzbefangenen Sicherheit, welche die Ehefrau des Schuldners gestellt hatte, hinderte aber von vornherein entsprechend § 43 InsO nicht daran, die volle Forderung in der Insolvenz des Schuldners geltend zu machen (vgl. Jaeger/Henckel, InsO § 43 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Bitter, 2. Aufl. § 43 Rn. 19 f).
Würde man in dieser Lage von der Gläubigerin verlangen, auf die Grundschulden in Höhe der angemeldeten Forderungen dinglich zu verzichten, wäre dies offensichtlich mit den §§ 43, 52 InsO nicht zu vereinbaren. Aber auch eine dingliche Haftentlassung des vor der Freigabe durch den Insolvenzverwalter massebefangenen Bruchteils wird nach § 52 InsO nicht vorausgesetzt, soweit dieser dinglich für Verbindlichkeiten der anderen Miteigentümerin haftet, die Beteiligte zu 2 also nicht Insolvenzgläubigerin ist. Demnach konnte die Gläubigerin hier, ohne unnötig Rechte aufzugeben, nicht anders verfahren, als wie sie es im Schlusstermin klargestellt hat: Sie hat auf die Sicherung der noch angemeldeten Insolvenzforderung durch ihre Gesamtgrundschulden verzichtet. Nötig wäre dies nach § 52 InsO nur gewesen, soweit die Gesamtgrundschuld auf dem vor der Freigabe durch den weiteren Beteiligten zu 1 massebefangenen Grundstücksbruchteil ruhte. Ob ihre Verzichtserklärung darüber hinausgeht, bedarf an dieser Stelle keiner Prüfung.
3. Der Verzicht auf den Sicherungszweck einer Grundschuld genügt entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts dem Zweck des § 52 InsO aber auch dann, wenn das Recht nicht zugleich Forderungen sichert, die sich gegen einen Dritten richten. Wird die Sicherungsgrundschuld durch den schuldrechtlichen Verzicht des Sicherungsnehmers zweckfrei, kann der Sicherungsgeber im Allgemeinen nach seiner Wahl die Erteilung der Löschungsbewilligung, die Abtretung des Rechts oder den dinglichen Verzicht gemäß §§ 1168, 1175 Abs. 1 Satz 2, § 1192 Abs. 1 BGB verlangen. Im Beschwerdefall war sicherungsvertraglich die Rückübertragung vereinbart, sobald die Grundschulden nicht mehr benötigt wurden. Gegen den dinglichen Titel gemäß § 800 ZPO hat der Sicherungsgeber die Abwehrklage des § 767 ZPO. Das angeordnete Zwangsversteigerungsverfahren ist in einem solchen Fall einzustellen. Im Verteilungsverfahren besteht ein Widerspruchsrecht nach § 115 Abs. 1 ZVG, § 876 ZPO (vgl. BGHZ 108, 237, 247; BGH, Urt. v. 20. November 2001 - IX ZR 419/98, WM 2002, 337, 338 f unter II. 2. b, aa). Das alles gilt auch für den Verwalter in der Insolvenz des Sicherungsgebers. Die Insolvenzmasse ist also auch bei dieser Verfahrensweise vor der doppelten Belastung durch Insolvenzanmeldung der Forderung und Verwertung des hierfür dinglich haftenden Absonderungsgutes geschützt, die § 52 Satz 2 InsO verhindern soll.
Ohnehin ist es unrichtig, den Verzicht im Sinne der §§ 52, 190 InsO bei Grundpfandrechten stets mit dem dinglichen Verzicht gemäß §§ 1168, 1175, 1192 Abs. 1 BGB gleichzusetzen. Zutreffend ist nur, dass der Sicherungsnehmer dort, wo er das zur abgesonderten Befriedigung berechtigende Grundpfandrecht selbst aufgeben will, um mit der gesicherten Forderung bei der Masseverteilung berücksichtigt werden zu können, dies, wie auch im Schrifttum weit überwiegend angenommen wird (siehe etwa Jaeger/Henckel, aaO § 52 Rn. 28; MünchKomm-InsO/Ganter vor §§ 49 bis 52 Rn. 125), in der zum grundbuchlichen Vollzug geeigneten Form des § 29 GBO zu tun hat, bei Briefrechten einschließlich der Briefherausgabe. Schon weil es an einer solchen Erklärung der Gläubigerin im Beschwerdefall jedoch fehlt, war diese auch nicht notariell zu beglaubigen.
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