Entscheidungsdatum: 14.10.2010
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 12. Januar 2009 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Der weitere Beteiligte zu 1 war Treuhänder in dem am 3. März 2000 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 18. Dezember 2008 wurde er aus wichtigem Grund aus seinem Amt entlassen und der weitere Beteiligte zu 2 zum Treuhänder bestellt. Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2009 legte der weitere Beteiligte zu 1 (fortan auch: der Beteiligte) hiergegen sofortige Beschwerde ein und beantragte die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Eine Begründung der sofortigen Beschwerde behielt er sich binnen vier Wochen vor. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde, ohne eine Begründung abzuwarten, mit Beschluss vom 12. Januar 2009 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beteiligte mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 59 Abs. 2 Satz 1, § 313 Abs. 1 Satz 3 InsO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat den Anspruch des Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) missachtet, weil es über seine sofortige Beschwerde eine Woche nach deren Eingang entschieden hat, ohne die vorbehaltene Begründung abzuwarten. Das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör beinhaltet das Recht eines Verfahrensbeteiligten, sich zum Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfGE 60, 175, 210). Wird eine sofortige Beschwerde vom Beschwerdeführer zunächst nicht begründet, eine Begründung aber angekündigt oder jedenfalls vorbehalten, ohne dass hierfür ein bestimmter Zeitpunkt genannt wird, hat das Gericht eine angemessene Frist abzuwarten, innerhalb derer die Begründung eingehen kann (BVerfGE 8, 89, 90 f; 12, 6, 8 f; 17, 191, 193; 18, 399, 406; BGH, Beschl. v. 24. September 2009 - IX ZB 285/08, juris Rn. 2). In der Regel soll diese Frist mindestens zwei Wochen ab Eingang der Beschwerde betragen (BGH, aaO; Prütting/Gehrlein/ Lohmann, ZPO, 2. Aufl. § 571 Rn. 6; MünchKomm-ZPO/Lipp, 3. Aufl., § 571 Rn. 5). Ob das Beschwerdegericht einem Beschwerdeführer, der eine Begründung innerhalb einer längeren Frist ankündigt, eine Frist setzen oder einen Hinweis erteilen muss, wenn es vor Ablauf dieser Frist entscheiden will (so Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl. § 571 Rn. 13; a.A. OLG Oldenburg MDR 1990, 1125; vgl. auch BVerfGE 8, 89, 91), braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Das Beschwerdegericht hat das Recht des Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs bereits deshalb verletzt, weil es nicht einmal die Regelfrist von zwei Wochen ab Eingang der sofortigen Beschwerde abgewartet hat. Die Verletzung dieses Verfahrensgrundrechts führt zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unabhängig davon, ob sich die Rechtsverletzung auf das Ergebnis ausgewirkt hat (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.
a) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht nicht auf der Verletzung des Rechts des Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Denn es erscheint ausgeschlossen, dass das Beschwerdegericht zugunsten des Beteiligten anders entschieden hätte, wenn es die angekündigte Begründung der Beschwerde mit dem von der Rechtsbeschwerde dargestellten Inhalt abgewartet hätte.
aa) Ein Hinweis auf den bereits weit fortgeschrittenen Stand der Verwertungsmaßnahmen wäre nicht geeignet gewesen, die Entscheidung zu beeinflussen. Dieser Stand war aktenkundig und dem Beschwerdegericht, wie sich aus seinen Entscheidungsgründen ergibt, bewusst. Mit dem Umstand, dass die dem Beteiligten vorgeworfenen Verzögerungen zum Teil bereits länger zurücklagen und nicht mehr beseitigt werden konnten, hat sich das Beschwerdegericht auseinandergesetzt und ihn für unmaßgeblich erachtet. Seine Ansicht, es bestehe auch die Gefahr künftiger Verzögerungen, weil der Beteiligte sein Verhalten in der Vergangenheit stets verteidigt habe, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
bb) Ein Hinweis auf den vom weiteren Beteiligten zu 2 am 15. Januar 2009 im Rechtsstreit um einen Pflichtteilsanspruch des Schuldners geschlossenen Vergleich hätte ebenfalls nicht zu einer anderen Entscheidung des Beschwerdegerichts geführt. Im vorliegenden Verfahren geht es ausschließlich darum, ob in der Person des Beteiligten zu 1 ein wichtiger Grund zur Entlassung aus dem Amte des Treuhänders vorliegt; die Eignung seines Nachfolgers für das Amt ist insoweit nicht aufschlussreich. Im Übrigen bestehen - entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1 - keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beteiligte zu 2 durch den Abschluss dieses Vergleichs als ungeeignet für das Amt des Treuhänders erwiesen hätte.
cc) Unerheblich ist schließlich auch die Behauptung des Beteiligten, bei dem befassten Insolvenzgericht betrage die durchschnittliche Verfahrensdauer ohnehin mehr als fünf Jahre. Selbst wenn dies zutreffen sollte, würde dieser Umstand das Gewicht der Pflichtverletzungen des Beteiligten im vorliegenden Verfahren nicht mindern.
b) Abgesehen von der Missachtung des Anspruchs des Beteiligten auf rechtliches Gehör ist der angefochtene Beschluss frei von Rechtsfehlern. Das Beschwerdegericht hat die an die Annahme eines wichtigen Grundes für die Entlassung des Treuhänders nach § 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO zu stellenden Anforderungen nicht verkannt (BGH, Beschl. v. 8. Dezember 2005 - IX ZB 308/04, ZIP 2006, 247, 248 unter II.1.b; vom 9. Juli 2009 - IX ZB 35/09, WM 2009, 1662 Rn. 9). Der Vorwurf, der Beteiligte habe die Verwertung der Forderungen gegen die Ehefrau des Schuldners wegen Vermögensverschiebungen und gegen die Schwester des Schuldners wegen eines Pflichtteils über Jahre hin vorwerfbar verzögert, wird durch das Vorbringen der Rechtsbeschwerde, es sei sinnvoll gewesen, auf einen Vergleich mit der Ehefrau hinzuwirken, und die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs sei um einige Monate früher als vom Beschwerdegericht angenommen einem Anwalt in Auftrag gegeben worden, nicht entkräftet. Der Ansicht des Beteiligten, er habe die Verhandlungen mit der Ehefrau des Schuldners wegen des noch offenen Pflichtteilsanspruchs zurückstellen dürfen, ist das Beschwerdegericht mit Recht nicht gefolgt, weil der Beteiligte auch die Realisierung des Pflichtteilsanspruchs schuldhaft verzögerte.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp