Entscheidungsdatum: 20.09.2018
Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit unterliegen in den Grenzen des § 3b EStG als Erschwerniszulagen nicht der Zwangsvollstreckung. Keine Erschwerniszulagen sind Zuschläge für Samstagsarbeit (Anschluss an BAG, Urteil vom 23. August 2017, 10 AZR 859/16, NJW 2017, 3675).
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 12. Mai 2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird angeordnet, dass die vom Schuldner erzielten Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit nicht der Pfändung unterliegen, soweit sie dem Schuldner steuerfrei im Sinne von § 3b EStG gewährt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bitburg vom 26. November 2015 zurückgewiesen.
Von den Kosten der Beschwerdeverfahren trägt der Schuldner 30 vom Hundert und der weitere Beteiligte 70 vom Hundert.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Der Schuldner arbeitet bei einer Gemeinde als Bademeister in einem Freibad. Er arbeitet während der Badesaison regelmäßig auch an Wochenenden und Feiertagen und erhält Zuschläge zu seinem Lohn für die Arbeit an Samstagen ab 13 Uhr, an Sonntagen und an Feiertagen. In dem am 12. Juni 2015 über sein Vermögen eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren hat der Schuldner beantragt anzuordnen, dass die von ihm erzielten Sonntags-, Feiertags- und Wochenendzuschläge unpfändbar sind. Das Insolvenzgericht hat den Antrag abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht die beantragte Anordnung getroffen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Insolvenzverwalter die Wiederherstellung der Entscheidung des Insolvenzgerichts.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug nach § 567 Abs. 1, § 793 ZPO, § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie insoweit Erfolg, als die Unpfändbarkeit der Zuschläge für Samstagsarbeit angeordnet wurde. Mit Recht hat das Beschwerdegericht hingegen die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit für unpfändbar erklärt.
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, bei Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Wochenendarbeit handle es sich um Erschwerniszulagen, die nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar seien. Die in der früheren arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und in Teilen der Literatur vertretene Ansicht, dass Zuschläge für Nacht- oder Sonn- und Feiertagsarbeit nicht unter § 850a Nr. 3 ZPO fielen, weil sie nur dem Ausgleich einer ungünstigen oder unbequemen Lage der Arbeit dienten und nicht der Abgeltung einer durch die Art der Arbeit verursachten Erschwernis, werde den heutigen Erkenntnissen im Bereich des Arbeitsschutzes nicht gerecht. Arbeit außerhalb der regulären Arbeitszeiten führe zu einer Mehrbelastung, die über bloße Unbequemlichkeiten hinausgehe, und zu Nachteilen für die Beziehungen des Arbeitnehmers zu seinem sozialen Umfeld. Mit der neueren Rechtsprechung mehrerer Vollstreckungs-, Insolvenz- und Verwaltungsgerichte seien Zulagen für ungünstige Arbeitszeiten daher als Erschwerniszulagen im Sinne von § 850a ZPO unpfändbar.
2. Diese rechtliche Beurteilung des Beschwerdegerichts trifft hinsichtlich der Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit zu, nicht aber für die vom Schuldner erzielten Zuschläge für die Arbeit an Samstagen.
a) Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse. Unpfändbar sind nach der entsprechend geltenden (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InsO) Bestimmung des § 850a Nr. 3 ZPO Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.
b) Der Bundesgerichtshof hat - zeitlich nach dem angefochtenen Beschluss - entschieden, dass Nachtarbeitszuschläge insoweit gemäß § 850a Nr. 3 ZPO als Erschwerniszulagen unpfändbar sind, als sie dem Schuldner steuerfrei im Sinne des § 3b EStG gewährt werden (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 - VII ZB 4/15, BGHZ 211, 46 Rn. 10 ff). Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die Leistung von Arbeit zur Nachtzeit eine generell mit gesundheitlichen Risiken für den Schuldner verbundene Erschwernis seiner Arbeit darstelle, die es rechtfertige, zur Abgeltung dieser Erschwernis gezahlte Nachtarbeitszuschläge als nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbare Erschwerniszulagen zu qualifizieren, soweit diese den Rahmen des Üblichen nicht überstiegen. Als Anhaltspunkt für den üblichen Rahmen könne § 3b EStG herangezogen werden, wonach Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, in bestimmtem Umfang steuerfrei seien.
c) Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 23. August 2017 (10 AZR 859/16, NJW 2017, 3675 Rn. 21 ff) entschieden, dass neben Zulagen für Nachtarbeit auch Zulagen für Sonntags- und Feiertagsarbeit Erschwerniszulagen im Sinne von § 850a Nr. 3 ZPO und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar sind. Zulagen für Schicht- und Samstagsarbeit seien dagegen der Pfändung nicht entzogen. Diese Beurteilung entspreche Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Die Zwangsvollstreckungsregeln verfolgten einerseits das Ziel, dem Gläubiger einen Weg zu eröffnen, eine titulierte Forderung auch tatsächlich durchsetzen zu können; andererseits dienten sie dem Interesse des Schuldners, seine Existenzgrundlage zu sichern. Eine besondere Lage der Arbeitszeit könne vor diesem Hintergrund dann zu einem Pfändungsschutz unter dem Gesichtspunkt einer Erschwerniszulage führen, wenn aus anderweitigen gesetzgeberischen Wertungen abgeleitet werden könne, dass die Lage der Arbeitszeit nicht nur als ungünstig, sondern als besonders belastend anzusehen sei. Dies sei bei Zulagen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit der Fall. Für die Arbeit an Sonntagen und an gesetzlichen Feiertagen seien insbesondere die verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 140 GG, Art. 139 WRV und die gesetzliche Regelung in § 1 Nr. 2, §§ 9 bis 11 ArbZG zu berücksichtigen. Für die Arbeit an Samstagen fehle es hingegen an einer entsprechenden gesetzgeberischen Wertung.
d) Dieser Beurteilung folgt der erkennende Senat. Die vom Schuldner erzielten Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit unterliegen danach als Erschwerniszulagen nach § 850a Nr. 3 ZPO insoweit nicht der Zwangsvollstreckung, als sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Zur Bestimmung des Rahmens des Üblichen kann an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden, wonach Zuschläge für geleistete Sonntagsarbeit bis zu 50 vom Hundert des Grundlohns und Feiertagszuschläge bis zu 125 vom Hundert des Grundlohns steuerfrei sind (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 - VII ZB 4/15, BGHZ 211, 46 Rn. 14; BAG, NJW 2017, 3675 Rn. 52). Die dem Schuldner gezahlten Zuschläge für Samstagsarbeit sind dagegen nicht nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Auch die Regelung in § 3b EStG stellt derartige Zuschläge nicht den Sonn- und Feiertagszuschlägen gleich.
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