Entscheidungsdatum: 18.01.2018
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Januar 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. September 2016 abgewiesen. Die Klägerin hat fristgerecht Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag hat das Berufungsgericht die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 9. Dezember 2016 verlängert. Am Tag des Fristablaufs ist in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein zweiseitiger Schriftsatz gefertigt worden, mit dem - noch am gleichen Tag vorab per Telefax - im Einverständnis des Prozessgegners eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Dezember 2016 beantragt werden sollte. Bei den Gerichtsakten befindet sich ein Faxausdruck der ersten Seite dieses Schriftsatzes, der mit einem Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 12. Dezember 2016 versehen ist. Auf Nachfrage des Vorsitzenden des Senats des Oberlandesgerichts hat die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem Berufungsgericht am 15. Dezember 2016 per Telefax eine nicht unterzeichnete Fertigung des Schriftsatzes vom 9. Dezember 2016 übermittelt. Am 16. Dezember 2016 ist beim Berufungsgericht das anwaltlich unterzeichnete Original des Verlängerungsgesuchs, am 19. Dezember 2016 die Berufungsbegründung und am 2. Januar 2017 ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingegangen. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, die Berufung als unzulässig verworfen und eine Gegenvorstellung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen. Sie müsse sich das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Diese hätten die Frist schuldhaft versäumt. Die mit dem Postauslauf beauftragte Rechtsanwaltsfachangestellte habe entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung bemerkt, dass die Übermittlung des Fristverlängerungsantrags per Telefax zunächst misslungen war. Dies folge aus der Tatsache, dass sich ein Telefax mit der ersten Seite des Verlängerungsgesuchs mit einem gerichtlichen Eingangsstempel vom 12. Dezember 2016 bei den Akten befinde mit einem Absendevermerk vom 9. Dezember 2016 um 14:17 Uhr. Eine Erfolgskontrolle bezüglich dieses zweiten Übermittlungsversuchs habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Es stehe auch nicht fest, dass der Schriftsatz, dessen Übermittlung per Telefax versucht worden sei, die Unterschrift eines Rechtsanwalts getragen habe. Das auf Nachfrage am 15. Dezember 2016 per Telefax übersandte Verlängerungsgesuch sei nicht von einem Anwalt unterfertigt gewesen. Nehme man hinzu, dass die Angestellte am 15. Dezember 2016 entgegen ihrer Ankündigung gegenüber dem Vorsitzenden des Senats keinen Sendebericht über die gelungene Übermittlung vom 9. Dezember 2016 übersandt habe, könne von einer Glaubhaftmachung des fehlenden Verschuldens nicht die Rede sein.
2. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts erschwert der Klägerin den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise und verletzt damit die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip).
a) Hat eine Partei die Berufungsbegründungsfrist versäumt, ist ihr nach § 233 ZPO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird der Partei zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO), das Verschulden sonstiger Dritter hingegen nicht. Fehler von Büropersonal des Rechtsanwalts hindern eine Wiedereinsetzung deshalb nicht, solange den Rechtsanwalt nicht ein eigenes Verschulden etwa in Form eines Organisations- oder Aufsichtsverschuldens trifft. Die Partei muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen.
b) Abweichend von diesen Grundsätzen begründet das Berufungsgericht ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin maßgeblich mit einem Fehlverhalten ihrer Angestellten. Auf die Frage, ob die Angestellte das Scheitern der Telefaxübermittlung am 9. Dezember 2016 übersehen oder es zwar bemerkt und danach einen zweiten Versuch unternommen hat, ohne dessen Gelingen zu kontrollieren, kommt es nicht entscheidend an. In beiden Fällen liegt ausschließlich ein Verschulden des Büropersonals vor, das der Klägerin nicht zuzurechnen ist.
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nicht mit der Begründung verneint werden, es stehe nicht fest, dass der Fristverlängerungsantrag von den Prozessbevollmächtigten unterzeichnet war, als seine Übermittlung per Telefax versucht wurde. Feststehen muss ein fehlendes Verschulden nicht. Glaubhaft erscheint die rechtzeitige Unterzeichnung wegen der Plausibilität des diesbezüglichen Vortrags, der von den äußeren Tatsachen und der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten gestützt wird. Danach veranlasste der am 8. und 9. Dezember 2016 ortsabwesende sachbearbeitende Rechtsanwalt die Vorbereitung des Fristverlängerungsantrags durch die Angestellte und dessen - von der Angestellten eidesstattlich versicherte - Unterzeichnung durch seinen Vertreter vor dem Übermittlungsversuch per Telefax am Tag des Fristablaufs. Damit stimmt überein, dass das am 16. Dezember 2016 beim Berufungsgericht eingegangene Original des Verlängerungsantrags die Unterschrift des Vertreters trägt. Ebenso ist damit vereinbar, dass die Angestellte am 15. Dezember 2016 nicht das bereits auf dem Postweg befindliche Original, sondern lediglich eine nicht unterzeichnete Abschrift des Antrags an das Berufungsgericht faxen konnte.
3. Die Rechtsbeschwerde ist gleichwohl nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis mit Recht versagt und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat aus anderen als den vom Berufungsgericht angeführten Gründen nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, an der Einhaltung der Frist zur Begründung ihrer Berufung gehindert war. Die Rechtsbeschwerde ist daher zurückzuweisen (§ 577 Abs. 3 ZPO).
a) Im Interesse seiner der Rechtspflege gewidmeten eigenverantwortlichen Tätigkeit darf ein Rechtsanwalt routinemäßige Büroarbeiten auf Mitarbeiter delegieren. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Erledigung der ausgehenden Post, insbesondere durch Versenden eines Telefax; damit darf jedenfalls eine voll ausgebildete, erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte beauftragt werden (BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - VIII ZB 84/09, NJW-RR 2010, 1076 Rn. 8; vom 23. Februar 2016 - II ZB 9/15, NJW 2016, 1664 Rn. 10; jeweils mwN). Der Rechtsanwalt hat in diesen Fällen jedoch durch allgemeine, unmissverständliche Weisungen Vorsorge zu treffen, dass Fehler nach Möglichkeit vermieden werden. Soll ein fristgebundener Schriftsatz per Telefax versandt werden, muss die Weisung auch darauf gerichtet sein, die erfolgreiche Übermittlung des Telefaxes mittels des Sendeprotokolls zu kontrollieren (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016, aaO mwN). Dieser Anforderung genügt die nach der Darlegung der Klägerin in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten bestehende schriftliche Dienstanweisung nur unvollständig. Sie enthält für den Fall, dass ein Schreiben zur Erledigung einer Frist vorab per Telefax verschickt wird, lediglich die Anweisung, dass im Rahmen der Auslaufkontrolle des Telefax die Übereinstimmung der Telefaxnummer des Adressaten und die Anzahl der zu versendenden Seiten mit dem Ausdruck auf dem Sendeprotokoll festzustellen ist. Eine Kontrolle, ob das Sendeprotokoll einen OK-Vermerk trägt und damit die erfolgreiche Übermittlung des Telefax bestätigt wird, schreibt die Dienstanweisung nicht vor.
b) Unabhängig von der Unvollständigkeit der Dienstanweisung ist ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten auch deshalb nicht ausgeräumt, weil die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass diese die Einhaltung der allgemeinen Anweisungen in ihrer Kanzlei wenigstens stichprobenartig in regelmäßigen Abständen kontrolliert haben (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815, 1816; MünchKomm-ZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 233 Rn. 177).
c) Schließlich hat die Klägerin ein fehlendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 ZPO). Die Übertragung anfallender Arbeiten auf Büropersonal setzt voraus, dass es sich um geschultes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - VII ZB 37/10, NJW 2011, 1597 Rn. 10). Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird insoweit ausgeführt, bei der mit dem Faxversand beauftragten Mitarbeiterin handle es sich um eine kompetente und zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte, die bislang stets fehlerfrei und souverän agiert habe. Selbst wenn man diese Angaben in der Sache als ausreichend ansehen wollte, fehlte es jedenfalls an einer Glaubhaftmachung. Die Richtigkeit der Behauptungen wurde weder anwaltlich noch eidesstattlich versichert noch sonst glaubhaft gemacht.
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