Entscheidungsdatum: 18.02.2016
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. April 2015 aufgehoben.
Der Beklagten wird wegen der versäumten Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 21. Januar 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde beträgt 5.462,82 €.
I.
Die Beklagte wurde durch das Landgericht verurteilt, an die Klägerin Steuerberaterhonorare in Höhe von insgesamt 5.462,82 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil wurde ihrem Prozessbevollmächtigten am 22. Januar 2015 zugestellt. Die Beklagte hat mit nicht unterschriebenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten am Montag, dem 23. Februar 2015, Berufung eingelegt. Nach Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Berufungsschrift nicht unterzeichnet sei, hat sie fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erneut, diesmal formgerecht, Berufung eingelegt. Diese Berufung ist nach Fristverlängerung begründet worden. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags hat die Beklagte glaubhaft gemacht, die seit 25 Jahren im Büro ihres Prozessbevollmächtigten zuverlässig arbeitende Ehefrau habe entgegen der allgemeinen Weisung den Berufungsschriftsatz versehentlich ohne Prüfung der Unterschriftsleistung an das Berufungsgericht gefaxt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde möchte die Beklagte wegen der versäumten Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 - VI ZB 15/14, NJW 2014, 2961 Rn. 5). Das Berufungsgericht hätte der Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht versagen dürfen.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die am 23. Februar 2015 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt wurde. Der an diesem Tag beim Berufungsgericht eingegangene Schriftsatz genügte den Anforderungen der § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO nicht, weil er nicht von einem Rechtsanwalt unterschrieben war. Da auch die Beglaubigungsvermerke auf den beigefügten Abschriften nicht unterschrieben waren, kommt eine Ersetzung der fehlenden Unterschrift auf der Urschrift nicht in Betracht (vgl. BGH, aaO Rn. 6).
2. Der Beklagten ist jedoch auf ihren fristgerecht gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren, weil sie ohne ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Frist gehindert war (§ 233 ZPO).
a) Allerdings hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten schuldhaft den Berufungsschriftsatz nicht unterschrieben und damit eine Ursache dafür gesetzt, dass dieser vor Unterzeichnung irrtümlicherweise in den Postausgang geraten ist und ohne Unterschrift bei Gericht eingereicht wurde. Doch hat das Berufungsgericht richtig erkannt, dass das Verschulden einer Partei oder ihres Vertreters dann rechtlich unerheblich ist, wenn die Partei oder ihr Vertreter alle erforderlichen Schritte unternommen hat, die bei normalem Ablauf der Dinge mit Sicherheit dazu führen würden, dass die Frist gewahrt werden kann. Wird die Frist dennoch versäumt, ist nicht mehr das Verschulden der Partei oder ihres Vertreters als ursächlich für die Versäumung der Frist anzusehen, sondern das von der Partei nicht verschuldete Hindernis, das sich der Fristwahrung entgegengestellt hat. Insbesondere kann bei fehlender Unterzeichnung der bei Gericht fristgerecht eingereichten Rechtsmittelschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen. Da die Unterschriftenkontrolle - die der Rechtsanwalt zuverlässigen Bürokräften überlassen darf - gerade der Vermeidung eines erfahrungsgemäß nicht gänzlich ausschließbaren Anwaltsversehens bei der Unterschriftsleistung dient, ist bei einem Versagen dieser Kontrolle ein Rückgriff auf ein Anwaltsversehen im Zusammenhang mit der Unterzeichnung ausgeschlossen (BGH, aaO Rn. 9).
b) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat sein Büropersonal allgemein angewiesen, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen. Dies ist glaubhaft gemacht; davon geht letztlich auch das Berufungsgericht aus.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass es sich bei der Mitarbeiterin, welcher der Fehler unterlief, um eine äußerst zuverlässige Bürokraft handelte, der ein solcher Fehler in ihrer 25-jährigen Tätigkeit für den Prozessbevollmächtigten der Beklagten noch nie unterlaufen war. Eine solch erfahrene, 25 Jahre fehlerlos arbeitende Bürokraft musste auch nicht stichprobenartig überprüft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1988 - VIII ZR 72/88, VersR 1988, 1141; vom 9. Oktober 2007 - XI ZB 14/07, nv Rn. 9). Aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Juli 2014 (VI ZB 15/14, NJW 2014, 2961 Rn. 10) ergibt sich nichts anderes. In der dort zu entscheidenden Sache war auch die langjährig fehlerlos arbeitende Bürokraft überwacht worden. Der Bundesgerichtshof hatte deswegen keinen Anlass, darüber zu entscheiden, ob eine solche Überwachung tatsächlich für die Wiedereinsetzung erforderlich gewesen wäre. Es ist nicht anzunehmen, dass der VI. Zivilsenat von den anders lautenden Entscheidungen des VIII. und des XI. Zivilsenats - wenn auch nicht tragend - abweichen wollte, ohne sich mit diesen auseinanderzusetzen.
Die fehlende Zuverlässigkeit der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Beklagten kann nicht mit den leichten Unterschieden im Wiedereinsetzungsantrag und eidesstattlicher Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten begründet werden. Mit seiner eidesstattlichen Versicherung wollte sich dieser ersichtlich nicht von seinen Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag distanzieren. Vielmehr hat er mit ihr glaubhaft gemacht, dass seine Ehefrau seit 25 Jahren beanstandungsfrei in seinem Büro halbtags nachmittags tätig war und sich als ausgesprochen zuverlässige Kraft erwiesen habe. So habe in der ganzen Zeit kein Schriftsatz das Büro ohne die erforderliche Unterschrift verlassen.
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Lohmann |
Richter Dr. Pape ist wegen |
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