Entscheidungsdatum: 30.09.2010
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 16. November 2009 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu A als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.
I.
Das Amtsgericht eröffnete mit Beschluss vom 1. März 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Zum Insolvenzverwalter bestellte es den weiteren Beteiligten zu B. Die weiteren Beteiligten zu A sind jeweils Eigentümer von Grundstücken, die die Schuldnerin zur Durchführung ihres Geschäftsbetriebs - den Betrieb von Kaufhäusern - angemietet hatte. Sie haben Forderungen von knapp 36 Mio. € zur Insolvenztabelle angemeldet.
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2009 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte dieser Gläubiger im Hinblick auf die für den nächsten Tag angesetzte Gläubigerversammlung (Berichtstermin), die Gläubigerversammlung über die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters mit bestimmten, näher bezeichnetem Aufgabenkreis abstimmen zu lassen. In der Gläubigerversammlung vom 20. Mai 2009 nahm der Gläubigervertreter diesen Antrag zurück, beantragte aber gleichzeitig unter Bezugnahme auf den zuvor gestellten Antrag die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters mit dem genannten Aufgabenkreis.
Mit Beschluss vom 27. Juli 2009, berichtigt durch Beschluss vom 17. August 2009, hat das Insolvenzgericht durch den zuständigen Abteilungsrichter den Antrag auf Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters abgelehnt, weil es hierfür keinen Anlass gebe. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht als unzulässig, weil nicht statthaft, verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu A.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist.
1. Voraussetzung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist, dass für den Rechtsbeschwerdeführer das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO eröffnet war (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 54/04, NZI 2006, 239; v. 5. Februar 2009 - IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 Rn. 2; v. 25. Juni 2009 - IX ZB 161/08, NZI 2009, 553 Rn. 5). Dem einzelnen Insolvenzgläubiger oder auch mehreren einzelnen Insolvenzgläubigern gemeinsam steht jedoch kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts zu, keinen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, selbst wenn dieser einen Gesamtschaden nach § 92 InsO geltend machen soll (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2009, aaO Rn. 2 ff, insbesondere 7 ff; v. 25. Juni 2009 - IX ZB 84/08). Es kommt lediglich ein von einer Entscheidung der Gläubigerversammlung abgeleitetes Beschwerderecht des einzelnen Gläubigers entsprechend § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2 Satz 2 InsO in Betracht, das aber der Durchsetzung der Entscheidung der Gläubigergesamtheit dient, nicht der Verwirklichung eines Rechts des einzelnen Gläubigers (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2009, aaO S. 530 Rn. 9). Ein derartiger Beschluss der Gläubigerversammlung lag hier nicht vor.
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann wegen der Gegebenheiten im vorliegenden Fall nichts anderes gelten. Die Rechtsbeschwerdeführer berufen sich darauf, sie hätten den Antrag in der Gläubigerversammlung zurückgenommen und sodann am 26. Mai 2009 einen neuen Antrag an das Insolvenzgericht gestellt. Es sei ihnen unmöglich gemacht worden, eine Abstimmung in der Gläubigerversammlung zu erreichen, weil der die Abstimmung leitende Amtsrichter zugesagt habe, über diesen Antrag außerhalb der Gläubigerversammlung zu entscheiden. Nur deshalb sei der Antrag zurückgenommen und entsprechend der richterlichen Empfehlung neu gestellt worden. Der Antrag sei ausschließlich deshalb nicht zur Abstimmung gestellt worden, weil das Amtsgericht die Entscheidung an sich gezogen und die Abstimmung in der Gläubigerversammlung verhindert habe.
Selbst wenn man den so geschilderten - mit dem Versammlungsprotokoll und den richterlichen Feststellungen allerdings nicht übereinstimmenden - Sachverhalt als zutreffend zugrunde legt, trägt dieser nicht die von den Beschwerdeführern gezogenen Schlussfolgerungen.
Es blieb dem Gläubigervertreter in der Gläubigerversammlung überlassen, seinen Antrag aufrechtzuerhalten oder zurückzunehmen. Etwas anderes behaupten die Rechtsbeschwerdeführer selbst nicht. Nach der Stellungnahme des zuständigen Amtsrichters im Nichtabhilfebeschluss war der Gläubigervertreter von dem die Sitzung (auch ausweislich des Protokolls) leitenden Rechtspfleger darauf hingewiesen worden, dass der Antrag erst am Vortag und damit im Hinblick auf § 74 Abs. 2 InsO verspätet eingereicht worden sei, weshalb er nicht mehr habe rechtzeitig bekannt gemacht werden können. Er müsse deshalb als verspätet zurückgewiesen werden, falls er nicht zurückgenommen werde.
Es mag dahinstehen, aus welchen Gründen der Gläubigervertreter seinen Antrag tatsächlich zurückgenommen hat. Jedenfalls stand es ihm frei, den Antrag auch aufrechtzuerhalten. Inwiefern der - nach eigenen Angaben lediglich als Zuhörer im Sitzungssaal anwesende - Amtsrichter oder aber der Rechtspfleger die Entscheidung der Gläubigerversammlung "verhindert" haben soll, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar dargelegt. Auch nach dem Sachvortrag der Beschwerdeführer hat das Amtsgericht der Gläubigerversammlung nichts "entzogen" oder die Entscheidung "an sich gezogen". Woraus sich derartige Schlussfolgerungen rechtfertigen sollen, wird nicht dargelegt. Vielmehr hat der Gläubigervertreter - auch nach eigenem Sachvortrag - den Antrag auf Abstimmung in der Gläubigerversammlung eigenverantwortlich zurückgenommen und einen neuen Antrag an das Insolvenzgericht gestellt. Das führt nicht dazu, dass nunmehr die Rechtsbeschwerde wie bei einer entsprechenden Beschlussfassung durch die Gläubigerversammlung - deren mögliches Abstimmungsergebnis im Übrigen völlig offen ist - statthaft wäre.
Das Amtsgericht hatte in Aussicht gestellt, über eine beim Insolvenzgericht von den Beschwerdeführern angeregte Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu entscheiden. Dies ist auch geschehen. Eventuelle Fehlvorstellungen des Gläubigervertreters über die Möglichkeit und die Voraussetzungen von Rechtsbehelfen führen entgegen seiner Auffassung nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens oder Art. 103 Abs. 1 GG.
Es bleibt den Rechtsbeschwerdeführern unbenommen, auf die Einberufung einer Gläubigerversammlung gemäß § 75 InsO hinzuwirken, um dort über einen rechtzeitig gestellten Antrag zur Tagesordnung abstimmen zu lassen.
Ganter Vill Lohmann
Fischer Pape