Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 05.05.2011


BGH 05.05.2011 - IX ZB 250/10

Insolvenzeröffnungsverfahren: Rechtsschutzbedürfnis für Gläubigerantrag bei dinglich gesicherter Forderung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
05.05.2011
Aktenzeichen:
IX ZB 250/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 23. November 2010, Az: 6 T 451/10, Beschlussvorgehend AG Oldenburg (Oldenburg), 25. Mai 2010, Az: 65 IN 20/10, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten werden der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 23. November 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 25. Mai 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsmittel - an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf jeweils 4.700 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Schuldnerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks, auf dem zur Absicherung der von ihr und ihrem Ehemann bei der weiteren Beteiligten (fortan: Gläubigerin) aufgenommenen Verbindlichkeiten Grundschulden eingetragen wurden. Ende 2000 wurde das Haus durch ein Feuer zerstört. Hierauf stellte die Gläubigerin die gewährten Darlehen zur Zahlung fällig und verrechnete die von der Feuerversicherung erhaltenen Beträge hierauf. Die ursprünglich nominal 300.000 DM betragende Darlehensschuld konnte hierdurch nicht annähernd getilgt werden. Aus einer Sicherungsgrundschuld betreibt die Gläubigerin die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks; das hierauf bezogene Verfahren wurde im Jahre 2009 einstweilen eingestellt, weil vorrangig geklärt werden müsse, ob in rechtshängigen Verfahren weitere Versicherungsleistungen aus der Feuerversicherung bestünden. Hierauf beantragte die Gläubigerin wegen einer titulierten Kostenforderung in Höhe von rund 4.700 € die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Das Insolvenzgericht eröffnete das Verfahren. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hob das Landgericht den Eröffnungsbeschluss auf.

2

Die Gläubigerin hat erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Eröffnungsantrag weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 1, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.

4

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Aus der im Vorverfahren zur Tabelle angemeldeten Darlehensforderung über 200.000 € könne dies nicht abgeleitet werden. Wegen dieser Forderung sei die Gläubigerin durch das Grundstück und durch die an den etwaigen Versicherungsansprüchen bestehenden Pfandrechte hinreichend gesichert. Durch das Insolvenzverfahren könne die Gläubigerin keine weitergehende Befriedigung erlangen. Der einzige ersichtliche Grund, weshalb die Gläubigerin das Insolvenzverfahren betreiben möchte, liege darin, hierüber Einfluss auf die wegen der feuerversicherungsrechtlichen Ansprüche betriebenen Zivilverfahren der Schuldnerin nehmen zu können. Dieses Ziel könne die Gläubigerin auch durch eine Nebenintervention erreichen.

5

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

6

Nach § 14 Abs. 1 InsO muss der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Gläubiger wegen des staatlichen Vollstreckungsmonopols regelmäßig dann, wenn ihm - wie hier - eine Forderung zusteht und ein Eröffnungsgrund glaubhaft ist (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 14 Rn. 24). Kein rechtlich schützenswertes Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat ausnahmsweise ein Gläubiger, dessen Forderung unzweifelhaft ausreichend dinglich gesichert ist (BGH, Beschluss vom 29. November 2007 - IX ZB 12/07, ZVI 2008, 13, Rn. 12). Nach den bisher getroffenen Feststellungen liegt hier der Regelfall vor. Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass vorliegend bereits Feststellungen fehlen, die eine Befriedigung der Gläubigerin durch die vom Beschwerdegericht angeführten Sicherheiten erwarten lassen. Dies geht zu Lasten der insoweit darlegungspflichtigen Schuldnerin. Mit der von der Gläubigerin vorgelegten Stellungnahme einer Immobilien-Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft vom 19. November 2009 hat sich das Beschwerdegericht nicht näher befasst. Danach soll sich der Grundstückswert nur noch auf 10.000 € belaufen. Die durch Pfandrechte gesicherten Feuerversicherungsansprüche hat das Beschwerdegericht selbst nur als etwaig bezeichnet. Aber auch im Hinblick auf die vom Beschwerdegericht nicht näher gewürdigte Aussetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens kann von einer Befriedigungsmöglichkeit nicht hinreichend sicher ausgegangen werden. Bei der Beurteilung des Rechtsschutzinteresses der Gläubigerin ist ferner auch zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende Forderung bereits Ende 2000 fällig gestellt wurde und die von der Schuldnerin betriebenen Zivilverfahren eine ungewöhnliche Verfahrensdauer aufweisen. Es gehört gerade zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters, die in den Feuerversicherungsansprüchen liegenden Vermögenswerte der künftigen Masse zu realisieren. Schließlich ist zu beachten, dass hinsichtlich der Kostenforderung in Höhe von 4.700 € überhaupt keine Sicherheit besteht.

III.

7

Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 - IX ZB 161/03, BGHZ 160, 176, 185 f; vom 4. November 2004 - IX ZB 70/03, ZVI 2004, 745, 746). Dieses wird die Eröffnungsvoraussetzungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu prüfen haben. Für die von der Schuldnerin mit Privatschriftsatz vom 26. April 2011 begehrte Aussetzung des vorliegenden Verfahrens im Hinblick auf die von ihr betriebene Vollstreckungsgegenklage ist wegen der Eilbedürftigkeit des Eröffnungsverfahrens kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2007 - IX ZB 141/06, ZVI 2007, 302 Rn. 12).

Kayser                                      Gehrlein                                      Vill

                     Lohmann                                       Fischer