Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 17.03.2011


BGH 17.03.2011 - IX ZB 174/08

Restschuldbefreiung: Versagung wegen unterlassener Offenbarung einer zwischen zwei Insolvenzanträgen vorgenommenen Grundstücksschenkung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
17.03.2011
Aktenzeichen:
IX ZB 174/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Bremen, 20. Juni 2008, Az: 4 T 68/08, Beschlussvorgehend AG Bremen, 28. Dezember 2007, Az: 40 IN 501/05 I, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Gibt der Schuldner eine im Zeitraum zwischen der Stellung eines ersten Insolvenzantrags und der Stellung eines weiteren, mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Insolvenzantrags vorgenommene Grundstücksschenkung auf Frage nicht an, liegt darin ein zumindest grob fahrlässiger Verstoß gegen seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten .

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 20. Juni 2008 und der Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 28. Dezember 2007 aufgehoben.

Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung wird abgelehnt.

Der Schuldner trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Schuldner beantragte am 14. Juli 2005 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Auf Hinweis des Insolvenzgerichts stellte der Schuldner unter Verwendung von Formblättern am 1. August 2005 - eingegangen bei dem Insolvenzgericht am 12. August 2005 - abermals einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, den er mit einem Restschuldbefreiungsantrag verband. In dem mittels handschriftlich vervollständigter Formblätter eingereichten Vermögensverzeichnis gab der Schuldner durch Ankreuzen des Kastens "nein" an, in den letzten vier Jahren keine Vermögensgegenstände verschenkt und in den letzten zwei Jahren keine Vermögensgegenstände an nahe Angehörige veräußert zu haben. Zwischenzeitlich hatte er am 22. Juli 2005 den ihm gehörenden Miteigentumsanteil an einem in Schweden gelegenen Grundstück auf seine Ehefrau unentgeltlich übertragen.

2

Durch Beschluss vom 28. November 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Den von dem Gläubiger im Schlusstermin vom 25. Oktober 2007 gestellten Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung im Blick auf die Grundstücksveräußerung zu versagen, haben Amtsgericht und Landgericht abgelehnt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger sein Begehren weiter.

II.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg, weil der Schuldner den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verwirklicht hat.

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1. Das Landgericht hat ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Schuldner die Angaben zu dem Grundstück in Schweden zunächst schuldlos unterlassen habe. Insbesondere stehe nicht fest, dass er tatsächlich das Formular vor Augen gehabt habe und ihm die Offenbarungspflicht daher bekannt sein musste.

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2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Schuldner ist auf den zulässigen Antrag des Gläubigers die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er nach dem unstreitigen Sachverhalt Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten jedenfalls grob fahrlässig verletzt hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO).

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a) Unrichtige Angaben, die der Schuldner im Rahmen des von ihm gestellten Insolvenzantrags abgibt, erfüllen den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - IX ZB 212/07, WM 2008, 2298 Rn. 8 ff). Der Schuldner hat Auskunftspflichten verletzt, weil er trotz der in dem Antrag enthaltenen ausdrücklichen Fragestellung eine Schenkung oder eine Veräußerung von Vermögensgegenständen an einen nahen Angehörigen verschwiegen hat.

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Auskunft ist nach §§ 20, 97 InsO über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen. Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Die Verpflichtung zur Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nachfrage, offen legen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2009 - IX ZB 126/08, WM 2010, 524 Rn. 5; vom 15. April 2010 - IX ZB 175/09, WM 2010, 976 Rn. 9). Ist der Schuldner bereits ohne Nachfrage zu einer erschöpfenden Auskunft verpflichtet, versteht es sich von selbst, dass er konkrete Fragen des Gerichts nach seinen Vermögensverhältnissen stets zutreffend beantworten muss (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - IX ZB 3/10, Rn. 5; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 290 Rn. 72; Uhlenbruck/Vallender, InsO 13. Aufl. § 290 Rn. 67). Dieser Verpflichtung hat der Schuldner nicht genügt, weil er das Formblatt verwendet und trotz der dort enthaltenen ausdrücklichen Frage die unentgeltliche Übertragung des in Schweden gelegenen Miteigentumsanteils auf seine Ehefrau nicht angegeben hat.

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b) Diese Pflichtverletzung beruht zumindest auf grober Fahrlässigkeit.

9

aa) Die Rechtsprechung versteht unter grober Fahrlässigkeit ein Handeln, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Die Feststellung dieser Voraussetzungen ist Sache des Tatrichters. Der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt nur, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 - IX ZB 63/08, WM 2009, 1518 Rn. 13).

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bb) Das Vordergericht hat hier wesentliche Umstände nicht in seine Beurteilung einbezogen. Berücksichtigt man diese, erweist sich der Obliegenheitsverstoß des Schuldners auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts als grob fahrlässig.

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(1) Bereits im Ausgangspunkt kann dem Beschwerdegericht nicht gefolgt werden, es stehe nicht fest, ob der Schuldner tatsächlich das Formular vor Augen gehabt habe und ihm daher die Offenbarungspflicht bekannt sein musste. Der Schuldner hat das Formular selbst ausgefüllt und die Richtigkeit der Angaben durch seine Unterschrift bestätigt. Angesichts dieser Gegebenheiten musste dem Schuldner aufgrund der konkreten Fragestellung in dem Formular der damit bezweckte, auf Schenkungen und Veräußerungen an nahe Angehörige gerichtete Inhalt seiner Auskunftspflicht bewusst, also "vor Augen", sein (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - IX ZB 167/09, WM 2010, 1236 Rn. 9). Deswegen geht es nicht darum, ob dem Schuldner - was hier durchaus nahe liegt - als grob fahrlässig angelastet werden könnte, nicht aus eigener Initiative auf das Grundstücksgeschäft hingewiesen zu haben. Jedenfalls musste ihm aufgrund der eindeutigen Fragestellung die Verpflichtung bewusst sein, das durchaus nicht alltägliche Grundstücksgeschäft zu offenbaren.

12

Dabei kommt hinzu, dass der Schuldner am 15. Juli 2005 einen ersten Insolvenzantrag gestellt, das Grundstück am 22. Juli 2005 unentgeltlich übertragen und im Zuge mit dem am 1. August 2005 in Verbindung mit einem Restschuldbefreiungsgesuch eingereichten weiteren Eröffnungsantrag das Vermögensverzeichnis vorgelegt hat. Bei dieser Sachlage ist es schlechthin unentschuldbar, dass der Schuldner die nur kurze Zeit zurückliegende Vermögensentäußerung nicht angegeben hat. Vielmehr legt der zeitliche Ablauf sogar die weitergehende Annahme nahe, dass der Schuldner das Grundstück durch dieses Geschäft gegen einen Zugriff im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu sichern suchte.

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(2) Die Darstellung des Schuldners gegenüber dem Amtsgericht, wonach das Grundstück der Sicherung einer Forderung seiner Mutter gedient habe und auf deren Wunsch im Interesse der Kinder des Schuldners an dessen Ehefrau übereignet worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung.

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Diese Schilderung erscheint bereits wenig glaubhaft, weil die Mutter des Schuldners offenbar keine Forderung angemeldet hat und deren Interesse, das Grundstück für ihre Enkelkinder zu erhalten, durch eine Übereignung an die Ehefrau des Schuldners kaum gedient war. Selbst wenn man die Richtigkeit dieser Darstellung unterstellt und der Schuldner aus seiner Warte möglicherweise nicht von einer Schenkung auszugehen brauchte, wäre er zumindest gehalten gewesen, diesen nur kurze Zeit zurückliegenden Vorgang als Veräußerung eines Vermögensgegenstandes an eine nahe stehende Personen zu offenbaren. Auch dies ist jedoch nicht geschehen.

15

(3) Zu keinem anderen Ergebnis führen die Ausführungen der Rechtsbeschwerdeerwiderung, wonach Rechte an in Schweden gelegenen Grundstücken formlos übertragen werden können und die Mutter des Schuldners danach bereits im Jahr 1998 das Miteigentum des Schuldners erworben habe.

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Es ist bereits nicht vorgetragen, dass der Kläger und seine Mutter über das schwedische Recht unterrichtet waren und - anstelle der auch möglichen grundbuchmäßigen Übertragung - eine erleichterte Eigentumsverschaffung tatsächlich gewollt haben. Dagegen spricht entscheidend der Umstand, dass der Schuldner selbst und nicht seine Mutter als vermeintliche Eigentümerin am 22. Juli 2005 den Eigentumsanteil an die Ehefrau des Schuldners übertragen hat. Selbst wenn der Schuldner seinen Miteigentumsanteil formlos wirksam seiner Mutter übereignet hatte, war er nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses verpflichtet, die die tatsächlich in seiner Person vorgenommene dingliche Vermögensübertragung an seine Ehefrau zu offenbaren. Nur dies hätte dem Insolvenzverwalter die nähere Prüfung ermöglicht, wer tatsächlich Eigentümer des Grundstücksanteils war und ist und ob dieser - im Wege der Anfechtung - zur Masse gezogen werden kann.

17

c) Bei dieser Sachlage liegt jedenfalls ein grob fahrlässiger Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache entscheiden und den Restschuldbefreiungsantrag ablehnen (§ 577 Abs. 5 ZPO).

Kayser                              Gehrlein                             Vill

                Lohmann                                 Fischer