Entscheidungsdatum: 20.10.2016
1. Die Rechtsbeschwerde gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch das Beschwerdegericht ist nicht statthaft.
2. An Ausführungen des ausländischen Gerichts zur Tragweite eines inländischen Urteils ist das Gericht des Vollstreckungsstaats nicht gebunden.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Dezember 2015 wird mit der Maßgabe als unzulässig verworfen, dass die Anträge der Antragstellerinnen zu 1 und 3 auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des Tribunale di Rimini vom 3. Oktober 2014 im Hinblick auf die Verurteilung zur Zahlung eines Vorschusses an sie in Höhe von jeweils 166.666,66 € wegen betrügerischen unlauteren Wettbewerbs - unter Aufhebung von Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses - als derzeit unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den genannten Beschluss ist wirkungslos.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der Anschlussrechtsbeschwerde tragen die Antragstellerinnen zu 1 und 3 zu je 37 v.H., die Antragstellerin zu 2 zu 8 v.H. und der Antragsgegner zu 18 v.H.. Die Antragstellerinnen zu 1 und 3 tragen die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu je 37 v.H. und die Antragstellerin zu 2 zu 8 v.H.. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 3 zu 33 v.H.. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der Anschlussrechtsbeschwerde wird auf 370.666,65 € festgesetzt (Wert allein der Anschlussrechtsbeschwerde: 83.333,34 €).
I.
Der Antragsgegner wurde durch Strafurteil des Tribunale di Rimini vom 3. Oktober 2014 neben weiteren Angeklagten dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz an die Antragstellerinnen für die ihnen - infolge der festgestellten Straftaten - entstandenen Schäden verurteilt. Weiter wurde er nach Art. 539 Abs. 2 der italienischen Strafprozessordnung als Gesamtschuldner zur Leistung eines sofort vollstreckbaren Vorschusses ("provvisionale") auf den zu erwartenden Schadensersatz in Höhe von 500.000 € wegen des betrügerisch unlauteren Wettbewerbs und in Höhe von 20.000 € wegen des Betruges durch die Berechnung fiktiver Vermittlungsprovisionen, jeweils zu Lasten der Antragstellerinnen, verurteilt. Der Antragsgegner legte gegen das Urteil Berufung ein, über die noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerinnen begehren die Vollstreckbarerklärung des Urteils hinsichtlich der sofort vollstreckbaren Vorschüsse. Der Antragsgegner meint, die Verurteilung zum Schadensersatz sei mit verschiedenen Entscheidungen des Landgerichts Stuttgart im Sinne der Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan "EuGVVO aF") unvereinbar, unter anderem mit dem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 30. Dezember 2013 in dem Rechtsstreit zwischen den Antragstellerinnen zu 1 und 3 und dem Antragsgegner (34 O 58/10 KfH).
Mit Beschluss vom 25. März 2015 hat das Landgericht die Entscheidung über die Schadensersatzzahlung in Höhe von 520.000 € für vollstreckbar erklärt. Auf die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht die Erteilung einer Vollstreckungsklausel hinsichtlich des Ausspruchs in Höhe von 20.000 € zugunsten aller drei Antragstellerinnen als Teilgläubigerinnen zu je 1/3 sowie hinsichtlich des Ausspruchs in Höhe von 500.000 € anteilig in Höhe von 166.666,66 € zugunsten der Antragstellerin zu 2 angeordnet und die Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Im Übrigen hat es den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen, hinsichtlich der Antragstellerinnen zu 1 und 3 wegen der Vollstreckbarerklärung der Verurteilung des Antragsgegners zur Zahlung von zweimal 166.666,66 € unter dem Vorbehalt, dass diese nicht mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 2013 obsiegen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehren die Antragstellerinnen die Vollstreckbar-erklärung sämtlicher Ansprüche unter Aufhebung der Sicherheitsleistung. Der Antragsgegner hat Anschlussrechtsbeschwerde erhoben, mit der er - unter Aufhebung des Vorbehalts - die Abweisung des Antrags der Antragstellerin zu 1 auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel hinsichtlich des Betrages von 166.666,66 € als derzeit unbegründet und die Abweisung des entsprechenden Antrags der Antragstellerin zu 3 als unbegründet begehrt.
II.
Auf das Verfahren ist nach Art. 66 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen die EuGVVO aF anzuwenden, weil die Entscheidung des Tribunale di Rimini in einem vor dem 10. Januar 2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen ist.
III.
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerinnen ist teilweise nicht statthaft (nachfolgend 1.), im Übrigen fehlt es an einem Zulässigkeitsgrund im Sinne des § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO (nachfolgend 2.).
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, soweit sich die Antragstellerinnen dagegen wenden, das Beschwerdegericht habe die Zwangsvollstreckung ohne ausdrücklichen Antrag des Antragsgegners von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Die auf Art. 46 Abs. 3 EuGVVO aF gestützte Anordnung des Beschwerdegerichts ist keine nach Art. 44 EuGVVO aF, § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO anfechtbare Entscheidung, weil sie nicht über einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbar-erklärung im Sinne von Art. 43 EuGVVO aF ergangen ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (fortan "Gerichtshof") zur Vorgängervorschrift Art. 37 Abs. 2 EuGVÜ waren mit dem autonom auszulegenden Begriff der "Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist", nur Entscheidungen gemeint, die über die Begründetheit des Rechtsbehelfs gegen die Zulassung der Vollstreckung im Sinne von Art. 36 EuGVÜ befanden. Nicht erfasst waren hingegen Entscheidungen des Rechtsbehelfsgerichts nach Art. 38 EuGVÜ über die Aussetzung des Verfahrens oder die Anordnung einer Sicherheitsleistung, waren sie auch formell gesehen Teil des gleichen Gerichtsentscheids (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 1991, C-183/90, van Dalfsen / van Loon, Slg. 1991, I-4743, 4765 Rn. 21 bis 24; vom 11. August 1995, C-432/93, Sisro, Slg. 1995, I-2269, 2288 Rn. 28 ff; zur isolierten Anfechtung der Weigerung, solche Maßnahmen anzuordnen: BGH, Beschluss vom 21. April 1994 - IX ZB 8/94, NJW 1994, 2156, 2157 unter II. 1. und 3.). Lehnte das Rechtsbehelfsgericht zugleich mit der Entscheidung über den Rechtsbehelf betreffend die Zulassung der Vollstreckung eine Aussetzung des Verfahrens ab oder ordnete es die Leistung einer Sicherheit an, enthielt der Gerichtsentscheid zwei voneinander zu unterscheidende Teile: Die gemäß Art. 37 Abs. 2 EuGVÜ anfechtbare Entscheidung nach Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ und die gemäß Art. 37 Abs. 2 EuGVÜ nicht anfechtbare Entscheidung nach Art. 38 EuGVÜ (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 1991, aaO, Rn. 23 f; vgl. auch Generalanwalt van Gerven in der Rechtssache van Dalfsen / van Loon, Slg. 1991, I-4743, 4755 Nr. 11 ff).
b) Diese enge Auslegung ist auch für die im Streitfall einschlägigen Nachfolgeregelungen der Artt. 44, 46 EuGVVO aF zu beachten.
aa) Die Auslegungsgrundsätze zum EuGVÜ sind auf die EuGVVO aF zu übertragen, soweit deren Vorschriften als gleichbedeutend angesehen werden können (etwa EuGH, Urteil vom 14. Mai 2009, C-180/06, Ilsinger, Slg. 2009, I-3961 Rn. 41; vom 14. März 2013, C-419/11, Česká spořitelna / Gerald Feichter, RIW 2013, 292 Rn. 27 mwN; vom 28. Januar 2015, C-375/13, Kolassa / Barclays Bank, NJW 2015, 1581 Rn. 21; vgl. für Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ und Art. 15 Abs. 1 EuGVVO aF BGH, Urteil vom 30. März 2006 - VII ZR 249/04, BGHZ 167, 83 Rn. 19; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Einl EuGVO Rn. 68; zur Übertragung der Auslegung zu EuGVÜ und EuGVVO aF auf die Lugano-Übereinkommen BGH, Urteil vom 24. Juni 2014 - VI ZR 315/13, WM 2014, 1614 Rn. 20). Diese Voraussetzung ist gegeben.
Art. 44 EuGVVO aF bestimmt mit nahezu identischem Wortlaut zu Art. 37 Abs. 2 EuGVÜ den möglichen Gegenstand des weiteren Rechtsbehelfs; Unterschiede ergeben sich nur aus der Verweisung auf die im Anhang IV vorgesehenen mitgliedstaatlichen Rechtsbehelfe. Die vom Gerichtshof im Rahmen der systematischen Auslegung herangezogenen Bestimmungen zum Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung befassten Gerichts (Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ) und zu den Anordnungsbefugnissen des Rechtsbehelfsgerichts bei einer im Ursprungsstaat noch nicht rechtskräftigen Entscheidung (Art. 38 EuGVÜ) entsprechen in ihrem wesentlichen Regelungsgehalt den Art. 43 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 1 und 3 EuGVVO aF, die den genannten Bestimmungen aus dem Brüsseler Übereinkommen nachgebildet sind (zu Art. 38 EuGVÜ, Art. 46 EuGVVO aF Althammer in Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung, 2012, Art. 46 Rn. 1 mwN). Art. 43 Abs. 1 EuGVVO aF fasst lediglich die im Brüsseler Übereinkommen in Abhängigkeit vom Ausgang des Verfahrens vor dem mit dem Antrag befassten Gericht getrennt geregelten Vorschriften zu den Rechtsbehelfen von Antragsteller und Schuldner (Art. 40 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ und Art. 37 Abs. 2, Art. 41 EuGVÜ) zusammen, so dass die gerichtlichen Anordnungsbefugnisse nach Art. 46 Abs. 1EuGVVO aF unabhängig davon bestehen, wer Rechtsbehelfsführer im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist. Die Neuregelung erstreckt die Anordnungsbefugnisse zudem auf das Gericht des weiteren Rechtsbehelfs. Indessen gibt es weiterhin keine ausdrückliche Regelung zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen über den Aussetzungsantrag oder die Anordnung einer Sicherheitsleistung.
bb) Angesichts der gegenüber dem Brüsseler Übereinkommen unveränderten Zielsetzung, den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch Vereinfachung der Formalitäten im Hinblick auf ihre rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgründe 2, 6 und 17 der EuGVVO aF), und der vom Verordnungsgeber angestrebten Kontinuität zum Brüsseler Übereinkommen (Erwägungsgründe 5 aE und 19) bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der EuGVVO aF eine Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten im Hinblick auf Nebenentscheidungen des Beschwerdegerichts über die Aussetzung oder Anordnung von Sicherheitsleistungen gewollt gewesen wäre. Vielmehr spricht Erwägungsgrund 18 Satz 2 davon, dass dem Antragsteller (nur) für den Fall der Ablehnung seines Antrags auf Vollstreckbarerklärung ein Rechtsbehelf möglich sein muss. Zudem waren die Änderungen im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von der Erwägung getragen, dieses Verfahren weiter zu straffen (vgl. Erwägungsgründe 17 und 18 EuGVVO aF; OGH Wien, Beschluss vom 25. März 2004 - 3 Ob 20/04v, unter 1., Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes (fortan RIS); vom 27. April 2005 - 3 Ob 23/05m, RIS). Die deutsche Kommentarliteratur hat die enge Auslegung des Gerichtshofs zum Brüsseler Übereinkommen ebenfalls für das EuGVVO aF übernommen (MünchKomm-ZPO/Gottwald, ZPO, 4. Aufl., Art. 46 EuGVVO aF Rn. 9; Mäsch in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., Art. 44 Brüssel I-VO Rn. 3 und Art. 46 Brüssel I-VO Rn. 15; Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR, 2011, Art. 44 Brüssel I-VO Rn. 2 und Art. 46 Brüssel I-VO Rn. 22; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 44 EuGVO Rn. 5 und Art. 46 EuGVVO Rn. 10; Althammer in Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung, 2012, Art. 46 Rn. 15).
2. Soweit das Beschwerdegericht die Vollstreckbarerklärung versagt hat, ist die Rechtsbeschwerde zwar statthaft. Die Antragstellerinnen haben indes einen Zulässigkeitsgrund im Sinne des § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO nicht dargetan. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des Merkmals der "Unvereinbarkeit" im Sinne des Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF und zu den Entscheidungsbefugnissen des Gerichts des Vollstreckungsstaats bei der Prüfung dieses Versagungsgrundes gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO aF.
a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Vollstreckbarerklärung sei teilweise nach Art. 45 Abs. 1, Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF zu versagen. Die Entscheidung des Tribunale di Rimini sei mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 2013 insoweit unvereinbar, als sie einen im Erwerb von Anteilen an dem Konkurrenzunternehmen, der A. S.p.A., liegenden Verstoß gegen die Pflichten des Antragsgegners als Geschäftsführer der Antragstellerin zu 3 angenommen und diesen deshalb zum Schadensersatz verurteilt hat. Beide Entscheidungen hätten Rechtsfolgen, die sich gegenseitig widersprächen. Wäre der Klage vor dem Landgericht Stuttgart stattgegeben worden, wäre der Schaden, zu dessen Ersatz der Antragsgegner durch das Tribunale di Rimini verurteilt wurde, damit ausgeglichen und die Pflicht des Antragsgegners zum Ausgleich festgestellt gewesen. Eine Unvereinbarkeit sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich das Tribunale di Rimini in seiner Entscheidung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart ausdrücklich auseinandergesetzt habe.
b) Die Rechtsgrundsätze, nach denen das Beschwerdegericht die teilweise Unvereinbarkeit der beiden Entscheidungen bejaht hat, sind in der Rechtsprechung geklärt und vom Beschwerdegericht ohne Abweichung im Grundsätzlichen angewendet worden. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen, ob der Begriff der "Unvereinbarkeit" im Sinne des Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF autonom oder unter Rückgriff auf das Verständnis nach dem nationalen Recht auszulegen ist, welche Bedeutung Widersprüche allein in den Entscheidungsgründen oder hinsichtlich präjudizieller Rechtsverhältnisse haben, welcher Grad von Streitstoffidentität ausreicht und ob das Gericht des Vollstreckungsstaates an eine Einschätzung des ausländischen erkennenden Gerichts zur Tragweite einer vorhandenen inländischen Entscheidung gebunden ist, sind weder klärungsbedürftig noch für die Entscheidung des Streitfalls erheblich.
aa) Der Begriff der "Unvereinbarkeit" im Sinne des Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF ist autonom auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 1988, C-145/86, Hoffmann / Krieg, Slg. 1988, 645, 662 Rn. 19 bis 25; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 34 EuGVO Rn. 49; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, 2011, Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 45; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 167). Danach sind Entscheidungen unvereinbar, wenn sie Rechtsfolgen haben, die sich gegenseitig ausschließen (EuGH, Urteil vom 4. Februar 1988, aaO Rn. 22; vom 6. Juni 2002, C-80/00, Italian Leather, Slg. 2002, I-4995, 5011 Rn. 40). Maßgeblich sind die Wirkungen der Entscheidungen (EuGH, Urteil vom 6. Juni 2002, aaO, Rn. 44). Ihr Zusammentreffen darf nicht zu einem mit der Kohärenz der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats unvereinbaren Widerspruch führen (Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 9. Juli 1987 in Sachen Hoffmann / Krieg, Rechtssache C-145/86, Slg. 1988, 645, 654 Nr. 11; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 21. Februar 2002 in Sachen Italian Leather, Rechtssache C-80/00, Slg. 2002, I-4995, 4997 Nr. 31 und 53).
Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof im Einklang mit der Literatur Entscheidungen jedenfalls dann als unvereinbar angesehen, wenn sie mit gegenläufigem Ergebnis über denselben Anspruch zwischen denselben Parteien im Sinne des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO aF ergangen sind (vgl. etwa BGH, Vorlagebeschluss vom 18. September 2013 - V ZB 163/12, WM 2013, 2160 Rn. 7 und 22; Beschluss vom 13. August 2014 - V ZB 163/12, WM 2014, 1813 Rn. 8; vom 28. Januar 2016 - I ZR 236/14, nv, Rn. 10), ohne dass der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF auf diese Fälle beschränkt ist (Mäsch, in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 38; Geimer in Geimer/Schütze, aaO Rn. 168; Rauscher/Leible, aaO; zum EuGVÜ Koch, Unvereinbare Entscheidungen im Sinne des Art. 27 Nr. 3 und 5 EuGVÜ und ihre Vermeidung, 1993, S. 27 ff).
bb) Anhand dieses - geklärten - Maßstabes ergibt sich im Streitfall die teilweise Unvereinbarkeit beider Entscheidungen. Das Beschwerdegericht stellt zutreffend auf den insoweit identischen Entscheidungsgegenstand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 2013 ab, der auch vom Urteil des Tribunale di Rimini behandelt wurde. Beide Urteile befassen sich mit der nämlichen Frage, ob der Antragsgegner mit dem Erwerb von Anteilen an dem Konkurrenzunternehmen seine Pflichten als damaliger Geschäftsführer und Gesellschafter der Antragstellerin zu 3 verletzt hat und deshalb der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet ist. Beide Gerichte haben diese Frage mit gegenläufigen Ergebnissen entschieden, die Rechtsfolgen beider Entscheidungen schließen sich damit insoweit aus.
Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist der Ausspruch des Tribunale di Rimini auch hinsichtlich des Ausspruchs zum Schadensersatz eine anerkennungsfähige Entscheidung im Sinne des Art. 32 EuGVVO aF, welche mit ihrem Erlass erhebliche Rechtswirkungen im Sinne des Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF erzeugt. Auf Entscheidungen eines Strafgerichts über zivilrechtliche Ansprüche ist die Verordnung gemäß Art. 1 Satz 1 EuGVVO aF sachlich anwendbar (vgl. auch Art. 5 Nr. 4, Art. 61 Satz 2 Hs. 2 EuGVVO aF; EuGH, Urteil vom 28. März 2000, C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-1935, 1956 Rn. 30). Das Tribunale di Rimini hat nicht nur eine Art Sicherheitsleistung angeordnet, sondern nach den im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen zum Inhalt der italienischen Entscheidung und den einschlägigen Regeln der italienischen Strafprozessordnung bereits dem Grunde nach über die Schadensersatzverpflichtung des Antragsgegners und damit inhaltlich über den zivilrechtlichen Anspruch entschieden. Es hat den Antragstellerinnen hierauf einen Vorschuss in Höhe des nach Ansicht des Gerichts bestehenden Mindestschadens zugesprochen. Die noch ausstehende Rechtskraft steht der Vollstreckbarerklärung nicht entgegen (vgl. Art. 46 EuGVVO aF).
cc) Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob und inwieweit sich das Gericht des Vollstreckungsstaats über eine - abweichende - Bewertung durch das ausländische Gericht des Erkennungsstaates hinwegsetzen darf, ist nicht klärungsbedürftig. Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Meinungsstreit in Rechtsprechung oder Literatur zu dieser Frage auf. Ihre Beantwortung ergibt sich aus der Verordnung selbst in Verbindung mit ihrer Auslegung durch den Gerichtshof.
(1) Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO aF darf das Rechtsbehelfsgericht die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in Art. 34 und Art. 35 EuGVVO aF geregelten Anerkennungsversagungsgründe versagen oder aufheben. Hieraus ergibt sich die originäre Befugnis des Rechtsbehelfsgerichts und der rechtliche Rahmen (vgl. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 45 EuGVO Rn. 2) zur Prüfung der einzelnen Versagungstatbestände. Begrenzt wird diese Befugnis gemäß Art. 45 Abs. 2 EuGVVO aF allein dahingehend, dass die ausländische Entscheidung nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden darf. Aus der zitierten Rechtsprechung zur Anknüpfung des Merkmals Unvereinbarkeit im Sinne des Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF an die Rechtsfolgen der Entscheidungen ergibt sich, dass der Gerichtshof die Prüfung der ausländischen Entscheidung im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen und Wirkungen und den dabei gebotenen Vergleich mit der inländischen Entscheidung nicht als eine solche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache selbst ansieht.
(2) Auch Systematik und Regelungsziel der Verordnung sprechen gegen die von der Rechtsbeschwerde vertretene Bindung an eine abweichende Bewertung des erkennenden Gerichts (gegen eine Bindung auch Schlosser/Hess/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO nF Rn. 31). Die Verordnung soll die internationalen Zuständigkeiten vereinheitlichen und die Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen sicherstellen (Erwägungsgründe 2 und 6). Hierzu sieht sie verschiedene Mechanismen vor. Sind mehrere Verfahren anhängig, soll Art. 27 EuGVVO aF schon vor Erlass der ersten Entscheidung einen späteren Entscheidungskonflikt verhindern (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987, C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik, Slg. 1987, 4861, 4871 Rn. 8; vom 6. Dezember 1994, C-406/92, Tatry, Slg. 1994, I-5439 Rn. 32). Liegt bereits eine - rechtskräftige - Entscheidung vor, sollen die Art. 33 Abs. 3, Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF den Erlass einer mit ihr unvereinbaren zweiten Entscheidung verhindern (Kropholler/von Hein, aaO, vor Art. 33 Rn. 11 ff). Liegen zwei solche Entscheidungen vor, löst Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF den möglichen Konflikt bei der Vollstreckung. Die Wirkung jeder Entscheidung bleibt dann auf das nationale Hoheitsgebiet des jeweiligen erkennenden Staats beschränkt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987, aaO Rn. 18). Jeder dieser auf Vermeidung eines Zusammentreffens unvereinbarer Entscheidungen abzielenden Regelungen kann nur dann ihre vom Gerichtshof betonte praktische Wirksamkeit entfalten, wenn das jeweils befasste Gericht die tatbestandlichen Voraussetzungen eigenständig prüfen kann. Bestünde hingegen eine Bindung an Einschätzungen des ersten Gerichts, liefen die in nachfolgenden Verfahrensstadien vorgesehenen Mechanismen leer.
dd) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegt eine Obersatzabweichung nicht vor.
(1) Die Rechtsbeschwerde meint, der Bundesgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 17. Juni 2009 (XII ZB 82/09, FamRZ 2009, 1402) den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass dem ausländischen Gericht eine vom Verbot der inhaltlichen Nachprüfung geschützte Einschätzungsprärogative hinsichtlich einer Unvereinbarkeit dann zukomme, wenn es die inländische Entscheidung seinerseits einbezogen habe. Diese Deutung der Entscheidung trifft nicht zu. Der zitierte Beschluss betraf keinen Sachverhalt, bei dem das ausländische Gericht den gleichen Sachverhalt abweichend von einer inländischen Entscheidung entschieden hat. Deshalb stellte sich auch nicht die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage einer Bindung an die Erwägungen des ausländischen Gerichts zur Tragweite der inländischen Entscheidung. Die österreichische Entscheidung über den Unterhalt, um deren Vollstreckbarerklärung es ging, bezog den rechtskräftigen deutschen Titel über den niedrigeren Unterhaltsbetrag ein und setzte diesen titulierten Unterhaltsbetrag von dem nach österreichischem Recht geschuldeten Unterhalt ab (vgl. BGH, aaO Rn. 10). Sie erhöhte damit in ihren Wirkungen den in der inländischen Entscheidung titulierten Unterhalt für ihren Regelungszeitraum (vgl. Teixeira de Sousa/Hausmann in Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung, 2012, Art. 34 Rn. 73; ähnlich Hau, FamRZ 2009, 1403 f "bloße Nachtragsklage"). Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs schied deshalb ein Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 1 und 3 EuGVVO aF aus (BGH, aaO Rn. 10).
(2) Ebenso wenig kann eine Obersatzabweichung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO mit dem Strafurteil des Tribunale di Rimini vom 3. Oktober 2014 begründet werden. Dieses Gericht gehört nicht zu den divergenzfähigen Gerichten im Sinne dieser Vorschrift. Dazu zählen der Europäische Gerichtshof, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, der Bundesgerichtshof, die anderen obersten Bundesgerichte, die Berufungsgerichte (einschließlich andere Spruchkörper desselben Gerichts; vgl. MünchKomm-ZPO/Krüger, 5. Aufl., § 543 Rn. 13) und die Finanzgerichte (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 - IX ZR 23/10, HFR 2014, 174). Ausländische, zumal erstinstanzliche Gerichte, deren Entscheidungen mit der Berufung angefochten werden können, gehören nicht dazu.
c) Der Senat ist nicht zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 AEUV verpflichtet, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt sind und die richtige Anwendung der EuGVVO aF derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C-283/81, Cilfit, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 ff; vgl. BVerfG, VersR 2014, 609 Rn. 27). Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass die gleiche Gewissheit auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Europäischen Gerichtshof besteht.
IV.
Der Entscheidungssatz wurde nach § 319 ZPO von Amts wegen berichtigt, was auch im Rechtsmittelverfahren erfolgen kann (BGH, Urteil vom 3. Juli 1996 - VIII ZR 221/95, BGHZ 133, 184, 191; Beschluss vom 1. Juni 2011 - IV ZR 284/10, nV). Das Berufungsgericht wollte, wie sich aus den Gründen ergibt, keine Vorbehaltsentscheidung entsprechend §§ 302, 599 ZPO treffen. Vielmehr wollte es den Antragstellerinnen zu 1 und 3 für den Fall, dass das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 2014 (34 O 58/10 KfH), das die Unvereinbarkeit nach den Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Nr. 3 EuGVVO aF begründet und zur teilweisen Zurückweisung der Anträge geführt hat, aufgehoben oder in dem Sinne abgeändert wird, dass es dem Schadensersatzausspruch des italienischen Strafurteils nicht mehr entgegensteht, die Möglichkeit einräumen, ihre Vollstreckungsanträge in einem neuen Verfahren erneut zu stellen. Dies ergibt sich aus dem Verweis des Oberlandesgerichts auf die Literaturstelle (Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 34 EuGVO Rn. 53), die ihrerseits auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm verweist. Dort ist ausgeführt, dass dann, wenn die entgegenstehende Entscheidung aufgehoben wird, der Antragsteller die Vollstreckbarerklärung erneut betreiben könne, weil das Anerkennungshindernis nur so lange eingreife, wie die die Anerkennung versagende Entscheidung Bestand habe. Der Antrag, die Vollstreckung zuzulassen, sei daher nur zurzeit nicht begründet (MDR 1982, 504).
V.
Die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragsgegners, die nach den gestellten Anträgen nur das Prozessrechtsverhältnis zu den Antragstellerinnen zu 1 und 3 betrifft, verliert mit der Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig ihre Wirkung (§ 574 Abs. 4 Satz 3 ZPO; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - IX ZB 216/09, nv Rn. 8).
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring