Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 06.02.2014


BGH 06.02.2014 - IX ZB 109/12

Rechtsbeschwerde im Insolvenzverfahren: Erfordernis der Zulassung durch das Beschwerdegericht


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
06.02.2014
Aktenzeichen:
IX ZB 109/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Gießen, 18. Oktober 2012, Az: 7 T 13/12vorgehend AG Friedberg (Hessen), 21. September 2011, Az: 64 IN 165/09
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 18. Oktober 2012, berichtigt durch Beschluss vom 1. November 2012, wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.793,86 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Rechtsanwalt R.      war in vielen Insolvenzverfahren zum Insolvenzverwalter bestellt, auch in dem vorliegenden Verfahren über das Vermögen der WMG                      GmbH (Schuldnerin). In zahlreichen Verfahren hatte er an die B.        GmbH und an die BR.               GmbH, über deren Vermögen inzwischen ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sowie an die Re.              Darlehen ausgereicht. Gesellschafterin der B.        GmbH war die BRC               GmbH, die im Jahr 2008 zur BR.                   GmbH umfirmierte und deren einziger Gesellschafter Rechtsanwalt R.      selbst war. Gleichzeitig war Rechtsanwalt R.     geschäftsführender Gesellschafter der B.           GmbH. Die Re.                    ist infolge des Ausscheidens des vorletzten Partners zum 31. Dezember 2006 aufgelöst worden, alle Anteile sind Rechtsanwalt R. als letztem verbliebenen Partner zugewachsen.

2

Die Darlehensvaluta floss nicht an die jeweiligen Massen zurück. Der Verbleib des Geldes ist unbekannt. Nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auf Eigenanzeige hin war Rechtsanwalt R. seit 30. Dezember 2008 mit über 8 Mio. € überschuldet. Dennoch gewährte er aus den von ihm verwalteten Insolvenzmassen weiterhin Darlehen.

3

Im vorliegenden Verfahren, in dem Rechtsanwalt R.     am 28. September 2009 zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, gewährte ihm das Amtsgericht mit Beschluss vom 12. Mai 2010 einen Vorschuss von 3.882,40 €. Auf eigenen Antrag vom 17. Januar 2011 wurde Rechtsanwalt R.     aus wichtigem Grund entlassen und der gegenwärtige Verwalter bestellt. Über das Vermögen von Rechtsanwalt R.     wurde am 15. Februar 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt H.      als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser beantragte im vorliegenden Verfahren die Festsetzung einer restlichen Verwaltervergütung für die Tätigkeit von Rechtsanwalt R.     in Höhe von 1.793,86 €.

4

Das Amtsgericht hat den Vergütungsantrag wegen Verwirkung der Vergütung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 18. Oktober 2012 zurückgewiesen. In dem Beschluss ist die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden. Die Gründe des Beschlusses äußern sich nicht zur Frage der Zulassung. Mit Beschluss vom 1. November 2012 hat das Landgericht den Beschluss vom 18. Oktober 2012 "gemäß § 4 InsO, § 319 Abs. 1 ZPO" dahin berichtigt, dass die Rechtsbeschwerde zugelassen werde. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Sache vom Einzelrichter auf die Kammer übertragen worden sei, weil sie nicht nur besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweise, sondern auch grundsätzliche Bedeutung habe. Versehentlich sei die beratene und beschlossene Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in den Beschluss vom 18. Oktober 2012 aufgenommen worden.

5

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Insolvenzverwalter über das Vermögen des vormaligen Insolvenzverwalters sein Festsetzungsbegehren weiter.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist in Insolvenzsachen seit der mit Wirkung vom 27. Oktober 2011 erfolgten Aufhebung des § 7 InsO gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur noch unter der Voraussetzung statthaft, dass sie vom Beschwerdegericht zugelassen worden ist (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - IX ZB 31/12, Rn. 2 mwN). Daran fehlt es hier.

7

Das Berufungsgericht hat in seinem sachentscheidenden Beschluss vom 18. Oktober 2012 eine Zulassung weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen ausgesprochen. Die später ausgesprochene Zulassung im Beschluss vom 1. November 2012 ist wirkungslos.

8

1. Bei dem Beschluss vom 1. November 2012 handelt es sich der Sache nach - ungeachtet seiner äußeren Form als Berichtigungsbeschluss - um eine Ergänzungsentscheidung entsprechend § 321 ZPO, die jedoch unzulässig ist. Der Bundesgerichtshof hat für § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO entschieden, dass eine im Beschwerdebeschluss unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht durch einen Ergänzungsbeschluss nachgeholt werden kann. Enthält der Beschluss keinen Ausspruch der Zulassung, so heißt das, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird. Eine nachträgliche Zulassung holt nicht eine unterbliebene Entscheidung nach, wie § 321 ZPO voraussetzt, sondern widerspricht entgegen § 318 ZPO der bereits getroffenen Entscheidung und ändert diese ab (BGH, Beschluss vom 24. November 2003 - II ZB 37/02, NJW 2004, 779; vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08, WM 2009, 1058 Rn. 7).

9

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann allerdings eine Berichtigung des Beschlusses, in den eine beschlossene Zulassung versehentlich nicht aufgenommen wurde, nach § 319 ZPO erfolgen. Dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschlossen und nur versehentlich nicht in dem Beschluss ausgesprochen war, muss sich dann aber aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlass oder seiner Verkündung ergeben, weil nur dann eine offenbare Unrichtigkeit vorliegen kann (BGH, Beschluss vom 24. November 2003, aaO; vom 12. März 2009, aaO Rn. 8 mwN).

10

Diese Umstände müssen nach außen hervorgetreten sein. Ein nur gerichtsintern gebliebenes Versehen, das meist nicht ohne weitere Beweiserhebung überprüft werden könnte, ist keine "offenbare" Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO. Da diese Vorschrift erlaubt, dass die Entscheidung durch einen Beschluss berichtigt werden kann, der von keinem der an der ersten Entscheidung mitwirkenden Richter gefasst wird, wird deutlich, dass die Unrichtigkeit der Entscheidung für die anderen Richter ohne weiteres erkennbar sein muss. Ist dies nicht der Fall, hat ein auf § 319 ZPO gestützter Berichtigungsbeschluss keine bindende Wirkung (BGH, Urteil vom 8. Juli 1980 - VI ZR 176/78, BGHZ 78, 22 f; vom 12. Januar 1984 - III ZR 95/82, WM 1984, 1351, 1352; Beschluss vom 11. Mai 2004 - VI ZB 19/04, NJW 2004, 2389 und ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. auch HK-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 319 Rn. 6, 13; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 319 Rn. 4, 16; Prütting/Gehrlein/Thole, ZPO, 5. Aufl., § 319 Rn. 8).

11

An derartigen, nach außen getretenen Umständen, die den gerichtsinternen Bereich verlassen hätten, fehlt es hier. Die Übertragung der Sache vom Einzelrichter auf die Kammer erfolgte ohne nähere Begründung gemäß § 568 Satz 2 ZPO. Auch wenn in drei Parallelfällen ebenso verfahren wurde, besagt dies nichts darüber, welches Ergebnis die Kammerberatung hinsichtlich einer Zulassung hatte.

12

Ausreichende nach außen tretende Umstände können sich zwar durchaus auch aus der Handhabung in Parallelverfahren ergeben, so wenn in solchen Verfahren das Rechtsmittel zugelassen wurde, in einem Verfahren, das ersichtlich gleichbehandelt werden sollte, jedoch nicht (BGH, Urteil vom 8. Juli 1980, aaO S. 23). Vorliegend sind jedoch alle Parallelverfahren gleich behandelt worden. In allen Verfahren ist die Rechtsbeschwerde zunächst nicht zugelassen worden. Später ergingen in allen Verfahren Berichtigungsbeschlüsse. Nach außen ist zuvor gerade nicht erkennbar geworden, dass die Rechtsbeschwerde zugelassen werden sollte.

13

3. Auf die Entscheidung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 22. November 2001 (III ZR 57/01, NJW-RR 2002, 712, 713) beruft sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Dort ging es schon nicht um die Zulassung eines Rechtsmittels. Davon abgesehen wurde in dieser Entscheidung letztlich offengelassen, ob sich aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit eine weitergehende Berichtigungsmöglichkeit, als sie § 319 ZPO vorsieht, von Verfassungs wegen ergeben könnte. Dies wurde nur für den Fall erwogen, dass das Gericht eine in keiner Weise begründete Sachentscheidung mit einem in sich schlüssigen Tenor verkündet hatte, der mit dem vom Gericht Gewollten jedoch nicht im Einklang stand. Um den Inhalt der Sachentscheidung geht es hier nicht. Der III. Zivilsenat hat seinerzeit letztlich nur entschieden, dass gegen einen unter den genannten besonderen Umständen erlassenen Berichtigungsbeschluss keine außerordentliche Beschwerde wegen "greifbarer Gesetzwidrigkeit" gegeben sei. Eine solche Beschwerde, auch als Rechtsbeschwerde, ist nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz ohnehin nicht mehr eröffnet (BGH, Beschluss vom 30. November 2011 - III ZB 54/11, GuT 2011, 403 mwN).

Kayser                        Vill                      Lohmann

               Fischer                    Pape