Entscheidungsdatum: 01.10.2014
Wird ein durch die Zeichnung von Wandelschuldverschreibungen begründetes Wandelungsrecht dadurch ausgeübt, dass der Steuerpflichtige Aktien des Emittenten unter Zuzahlung des festgesetzten Wandelungspreises erwirbt, schafft er diese i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG an. Veräußert er die Aktien innerhalb der Jahresfrist wieder, so liegt ein privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor.
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war bis zum Frühjahr des Streitjahres als Prokurist der A-Bank tätig und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Am 19. Mai 1999 erhielt er von seiner Arbeitgeberin ein Angebot zur Zeichnung von "Wandelanleihen". Die Anleihebedingungen lauteten auszugsweise:
"§ 1 Form, Nennbetrag, Übertragbarkeit
...
(4) Die durch die Wandelschuldverschreibungen den Gläubigern (mit Ausnahme des zur Abwicklung eingeschalteten Kreditinstituts) eingeräumten Rechte sind nicht veräußerbar und außer im Todesfall nicht übertragbar.
§ 2 Verzinsungen
Die Wandelschuldverschreibungen sind (...) vom 27.05.1999 an mit 3,53 % jährlich zu verzinsen. ...
§ 3 Rückzahlung
(1) Die Anleiheschuldnerin ist verpflichtet, die Wandelschuldverschreibungen, soweit sie nicht gewandelt sind, am 27.05.2009 zum Nennbetrag zurückzuzahlen. ...
§ 6 Wandlungspreis, Wandlungsrecht, Wandlungsausübung
(1) Die Inhaber der Wandelschuldverschreibungen haben vorbehaltlich Abs. 5 das unentziehbare Recht, (...) Wandelschuldverschreibungen (...) in Aktien umzutauschen. Der Wandlungspreis für eine Stückaktie beträgt 20,00 EUR, so dass bei Wandlung für 200 Stückaktien eine bare Zuzahlung in Höhe von 3.488,71 EUR zu leisten ist. ...
(5) Das Wandlungsrecht darf nur ausgeübt werden, solange der Inhaber der Wandelschuldverschreibung in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis mit der A-Bank steht."
Am 27. Mai 1999 erwarb der Kläger von der A-Bank 12000 Einheiten der angebotenen Papiere zum Übernahmepreis von 60.000 DM. Im März 2000 teilte er mit, er wolle sein Wandelungsrecht ausüben; die Wandelung wurde am 27. März 2000 gegen eine Zuzahlung des Klägers in Höhe von 400.950,02 DM durchgeführt. In seiner Verdienstabrechnung für April 2000 unterwarf die A-Bank einen Betrag von 88.247,05 DM der Lohnsteuer. Am 15. Februar 2001 veräußerte er die Aktien an die C-Bank. Er erzielte hierbei einen Veräußerungserlös in Höhe von 713.486,78 DM.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger keinen Gewinn aus § 23 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 14. Juli 2003 einen unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, der die Veräußerung nicht berücksichtigte.
Nach Abschluss der Rechtsbehelfsverfahren für die Vorjahre 1999 und 2000 gelangte das FA zu der Auffassung, im Streitjahr sei ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 142.040,14 DM zu erfassen, da maßgeblicher Erwerbszeitpunkt der Aktien der 27. März 2000 sei, und erließ am 7. April 2005 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid für 2001. Den der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitigen Veräußerungsgewinn ermittelte das FA wie folgt: |
|
Veräußerungserlös |
713.486,78 DM |
abzüglich Anschaffungskosten |
|
Wandelanleihe |
./. 60.000,00 DM |
Zuzahlung |
./. 400.950,02 DM |
geldwerter Vorteil |
./. 88.247,05 DM |
Finanzierungskosten |
./. 22.249,57 DM |
= |
142.040,14 DM |
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 275 veröffentlichten Urteil aus, der Kläger habe durch Wandelung der Schuldverschreibungen in Aktien einerseits und Veräußerung der Aktien andererseits ein Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG innerhalb der Jahresfrist getätigt. Bei wertender Betrachtungsweise stellten die Aktien andere Wirtschaftsgüter als die im Jahr 1999 erworbenen Wandelschuldverschreibungen dar.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die im Mai 1999 erworbenen Wandelschuldverschreibungen und die im März 2000 durch die Ausübung des Wandlungsrechts erhaltenen Aktien seien als einheitlicher Rechtsvorgang zu werten, der den Anschaffungszeitpunkt im Mai 1999 begründe. Es komme bei der Anschaffung von Wertpapieren auf den schuldrechtlichen Vorgang und dessen Ablauf an. Danach habe der Kläger als Anleihegläubiger schon mit dem Erwerb der Schuldverschreibung das Recht auf den Erwerb der Aktien erhalten.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 2. November 2011 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 7. April 2005 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Aktien nicht steuerpflichtig und mithin mit 0 DM anzusetzen ist.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung zurückzuweisen. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger durch die innerhalb eines Jahres erfolgte Veräußerung der im Zuge der Wandelung der Schuldverschreibungen angeschafften Aktien ein privates Veräußerungsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) verwirklicht hat.
1. Ein privates Veräußerungsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Für die Berechnung dieses Zeitraums sind grundsätzlich die Zeitpunkte der obligatorischen Verträge maßgebend (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Dezember 1997 X R 88/95, BFHE 185, 40, BStBl II 1998, 343). Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 8. April 2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171).
a) Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 EStG erfasst nur Veräußerungsgeschäfte über Wirtschaftsgüter. Das veräußerte Wirtschaftsgut muss mit dem erworbenen wirtschaftlich identisch sein. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248, m.w.N.; vom 27. August 1997 X R 26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135).
b) Wandelschuldverschreibungen sind nach § 221 Abs. 1 des Aktiengesetzes Schuldverschreibungen, bei denen den Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt wird. Das Wandelungsrecht berechtigt den Gläubiger, gegen Hingabe der Schuldverschreibung und unter Aufgabe der darin verbrieften Rechte Aktien der emittierenden AG zu beziehen (Merkt in: Karsten Schmidt/Lutter, AktG, Kommentar, § 221 AktG Rz 23; Wehrhahn, Finanzierungsinstrumente mit Aktienerwerbsrechten, S. 114 ff.). Der Umtausch der Anleihe gegen Aktie begründet keinen Tauschvertrag im bürgerlich-rechtlichen Sinne (Habersack in MünchKomm, AktG, 3. Aufl., § 221 AktG Rz 226; Schilling in Großkommentar AktG, § 221 AktG Anm. 1). Das Wandelungsrecht wird dementsprechend als ein Wahl- bzw. Gestaltungsrecht angesehen, dessen Ausübung eine unmittelbare rechtsgestaltende Umwidmung ex nunc des dem Anleiheverhältnis entstammenden Zahlungsanspruchs des Gläubigers in eine Aktionärseinlage zur Folge hat (Merkt in: Karsten Schmidt/Lutter, a.a.O., § 221 AktG Rz 24). Ob alleine --wie die Vorentscheidung für nicht handelbare Wandelschuldverschreibungen annimmt-- der Umtausch von Wandelschuldverschreibungen in Aktien auf Grund der in den Anleihebedingungen gewährten Befugnis eine "Anschaffung" der Aktien i.S. des § 23 Abs. 1 EStG darstellt (verneinend Urteil des Reichsfinanzhofs vom 24. August 1944 I 21/44, RFHE 54, 128; BFH-Urteile vom 21. Februar 1973 I R 106/71, BFHE 109, 22, BStBl II 1973, 460; vom 30. November 1999 IX R 70/96, BFHE 190, 425, BStBl II 2000, 262; Süß/Zankl, Deutsches Steuerrecht 2005, 547 f., m.w.N. zum Meinungsstand; bejahend Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Oktober 2004, BStBl I 2004, 1034 Rz 6), braucht für den Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn hier war abweichend der Umtausch der Wandelschuldverschreibungen in Aktien von einer Zuzahlung (Wandelungspreis gemäß § 6 Abs. 1 der Anleihebedingungen) abhängig.
c) Wird ein Wandelungsrecht dadurch ausgeübt, dass der Steuerpflichtige Aktien des Emittenten unter Zuzahlung eines festgesetzten Wandelungspreises erwirbt, und veräußert er diese Aktien innerhalb der Jahresfrist wieder, ist der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäftes gemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt.
aa) Die Anschaffung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG der später veräußerten Aktien liegt in derartigen Fällen in ihrem Erwerb gegen Entgelt und nicht bereits in der Zeichnung der Wandelschuldverschreibungen. Die Anschaffungskosten für den Erwerb der Aktien ermitteln sich aus der Summe des gezahlten Kaufpreises für die Wandelschuldverschreibung und der Zuzahlung des festgesetzten Wandelungspreises (einschließlich eines in diesem Zusammenhang dem Steuerpflichtigen gewährten geldwerten Vorteils sowie etwaiger Finanzierungskosten). Denn der Anleger wendet neben dem Kaufpreis für die Wandelanleihe die Zuzahlung auf, um die Aktien zu erwerben. Im Rahmen des Umtausches der Anleihe wird der auf die Anleihe gezahlte Betrag und die Zuzahlung zur Einlage auf die Aktie (vgl. Merkt in: Karsten Schmidt/Lutter, a.a.O., § 221 AktG Rz 23).
bb) Der Kauf der Wandelschuldverschreibungen und ihr von der Leistung einer baren Zuzahlung abhängiger Umtausch in Aktien stellen auch keinen wirtschaftlich und steuerrechtlich einheitlichen Vorgang dar. Anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall (in BFHE 190, 425, BStBl II 2000, 262: Umtausch von Wertpapieren mit variablem Zins [Floating-Rate-Notes] in eine festverzinsliche Schuldverschreibung [Bonds]) ändern sich im Streitfall wirtschaftlich nicht lediglich die Zinsbedingungen der ursprünglich erworbenen Wertpapiere.
2. Nach diesen Maßstäben ist das FG --entgegen der Auffassung der Kläger-- im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Aktien am 27. März 2000 angeschafft hat. Eine wirtschaftliche Identität zwischen den zunächst erworbenen Wandelschuldverschreibungen und den am 15. Februar 2001 veräußerten Aktien besteht nicht. Die zwischen den Beteiligten nicht streitige Höhe des Veräußerungsgewinns (142.040,14 DM) ist zutreffend ermittelt worden.