Entscheidungsdatum: 25.05.2011
Wird ein unbebautes, bislang als Garten eines benachbarten Wohngrundstücks genutztes Grundstück veräußert, ohne dass der Steuerpflichtige seine Wohnung aufgibt, so ist diese Veräußerung nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG privilegiert .
I. Die Beteiligten streiten über die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres --2005-- (EStG) aus der Veräußerung eines neben dem Wohngrundstück des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) liegenden, mit einem befestigten Pavillon bebauten und als Garten genutzten Grundstücks.
Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Immobilienmakler. Er erwarb am 22. Januar 1999 ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück mit einer Größe von 3 661 qm für 2 Mio. DM (Grundstück I). Das Gebäude wurde seither von der Familie des Klägers überwiegend zu Wohnzwecken genutzt. Ferner befand sich in dem Gebäude das Maklerbüro des Klägers. Ebenfalls am 22. Januar 1999 erwarb er das an dieses Grundstück angrenzende, mit einem im Jahr 1950 errichteten Gartenpavillon bebaute Grundstück (2 956 qm) für 650.000 DM (Grundstück II). Die ursprünglich zusammengehörenden Grundstücke (Flurstücke 28/9 und 28/7) waren bereits im Jahr 1994 geteilt worden.
Im Jahr 2004 teilte der Kläger das Grundstück II in drei eigenständige Grundstücke auf. Aus dem bisherigen Flurstück 28/7 wurden die Flurstücke 28/7 mit 126 qm, 28/29 mit 415 qm --Einfahrt zum Büro-- und das Flurstück 28/30 mit 2 385 qm. Dieses Flurstück (Grundstück III) veräußerte der Kläger für 425.000 €.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte den Verkauf als privates Veräußerungsgeschäft und legte einen (unstreitigen) Gewinn von 134.715,77 € der Besteuerung zugrunde.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Begehren, den Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Versteuerung auszunehmen, weil das Grundstück III im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei. Es habe sich nämlich bei dem Erwerb der beiden Grundstücke I und II nach den tatsächlichen Verhältnissen um ein einheitliches, großzügig geschnittenes und parkähnlich angelegtes Einfamilienhausgrundstück gehandelt. Dieses sei fortan vom Kläger und seiner Familie als Garten zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden. Der Gartenpavillon sei in die Wohnnutzung mit einbezogen worden.
Dieses Begehren hatte im Vorverfahren keinen Erfolg; die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Es sah in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 240 veröffentlichten Urteil die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht als erfüllt an. Grund und Boden, auf dem sich das Wohngebäude befinde, werde lediglich mittelbar zu Wohnzwecken genutzt. Unbebauter Grund und Boden könne dagegen grundsätzlich nicht zu Wohnzwecken genutzt werden. Ein von dem Wohngrundstück getrenntes, unbebautes und eigenständig verkehrsfähiges Grundstück stelle ein eigenes Wirtschaftsgut dar. Ein etwaiger tatsächlicher Nutzungszusammenhang könne an der Bewertung nichts ändern, dass lediglich das Wirtschaftsgut "Wohnhaus" zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde und allenfalls mittelbar noch der rechtlich diesem zuzuordnende Grund und Boden. Bei der Größe des Flurstückes könne auch nicht mehr von einer für eine Gartennutzung erforderlichen und üblichen Fläche ausgegangen werden.
Hiergegen richtet sich die auf Verletzung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gestützte Revision des Klägers. Die Nutzung eines Wirtschaftsguts zu Wohnzwecken setze nicht voraus, dass dieses Wirtschaftsgut alleine sämtliche Wohnbedürfnisse befriedige. Vielmehr sei bei der Klärung der Frage, ob ein Wirtschaftsgut zu Wohnzwecken genutzt werde, auf den Nutzungs- und Funktionszusammenhang abzustellen. Das Grundstück II habe als Garten der Wohnung des Klägers gedient und sei also in die tatsächliche Nutzung der Wohnung funktionell eingebunden gewesen. Es sei auch mit Blick auf den in der Entwurfsbegründung (BTDrucks 14/265, S. 181, zu § 23 EStG) zum Ausdruck kommenden Normzweck verfehlt, auf die zur Wohnungseigentumsförderung ergangene Rechtsprechung abzustellen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. November 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2009 mit der Maßgabe zu ändern, dass keine Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften angesetzt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das FG den Veräußerungsgewinn von 134.715,77 € gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung unterworfen. Der Kläger hat die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts erfüllt, indem er einen Teil des im Jahr 1999 erworbenen Grundstücks II als Grundstück III im Streitjahr veräußerte.
1. Ausgenommen von der Besteuerung sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Diese Voraussetzungen liegen bei dem veräußerten Grundstück nicht vor.
a) "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" ist entgegen der Revision bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 des Eigenheimzulagengesetzes (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Januar 2006 IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936; so auch die einhellige Auffassung im Schrifttum, vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 30. Aufl., § 23 Rz 18; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 51; Kube in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 23 Rz 6, m.w.N.; Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 46; Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 5. Oktober 2000 IV C3 -S 2256- 263/00, BStBl I 2000, 1383 Rz 21). Danach dient ein Wirtschaftsgut eigenen Wohnzwecken, wenn es vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird (vgl. dazu eingehend BFH-Beschluss vom 28. Mai 2002 IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, m.w.N. auf die Rechtsprechung). Dem entspricht der Zweck der gesetzlichen Freistellung, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) zu vermeiden (BTDrucks 14/265, S. 181 zu Nr. 27, § 23).
b) Kann nur in einer in einem Gebäude befindlichen Wohnung der Lebenssachverhalt stattfinden, den man gemeinhin als "Wohnen" umschreibt, so mag auch der Grund und Boden mittelbar zu Wohnzwecken genutzt werden, wenn und soweit er zu einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude gehört (Musil in Herrmann/Heuer/ Raupach --HHR--, § 23 EStG Rz 129; Wernsmann, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 46; BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383 Rz 17).
aa) Zwar bildet der Grund und Boden ein selbständiges, vom (zu Wohnzwecken genutzten) Gebäude oder Gebäudeteil zu unterscheidendes Wirtschaftsgut. Zwischen dem Gebäude oder Gebäudeteil und dem Grund und Boden, auf dem es steht, besteht grundsätzlich auch kein Nutzungs- und Funktionszusammenhang (BFH-Urteil vom 30. Januar 1996 IX R 18/91, BFHE 180, 65, BStBl II 1997, 25; zum Grund und Boden als selbständige Wirtschaftsgüter vgl. auch Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 271, m.w.N.).
bb) Indes ist es vom Zweck des Gesetzes her geboten, wie bei § 10e Abs. 1 EStG den dazugehörenden Grund und Boden in die Begünstigung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG einzubeziehen. Denn regelmäßig umfasst die Veräußerung eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsguts den anteiligen Grund und Boden. Soll die Besteuerung bei Aufgabe des Wohnsitzes vermieden werden, würde dieser Normzweck verfehlt und es würde der vom Gesetzgeber geförderten beruflichen Mobilität (durch Arbeitsplatzwechsel) entgegenwirken, wollte man den zugehörigen Grund und Boden abweichend vom zu Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsgut (regelmäßig das Gebäude oder das zu Wohnzwecken genutzte Gebäudeteil) der Besteuerung unterwerfen. Ein Umzug würde unter diesen Umständen --entgegen der gesetzlichen Intention-- möglicherweise erschwert.
cc) Wird durch diese am Normzweck orientierte Auslegung des Gesetzes auch der zum (selbstbewohnten) Wirtschaftsgut "dazugehörende Grund und Boden" zu eigenen Wohnzwecken genutzt, so ist dieser --normativ zu verstehende-- einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen Wohnung und Grund und Boden (s. dazu auch BFH-Urteil vom 24. April 2008 IV R 30/05, BFHE 221, 112, BStBl II 2008, 707) nicht gegeben, wenn ein unbebautes Grundstück, welches --wie im Streitfall das Grundstück II-- an das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Grundstück angrenzt (hier Grundstück I), zunächst als Garten genutzt und später veräußert wird (so auch BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383 Rz 17; HHR/Musil, § 23 EStG Rz 129). Die als Ausnahme von der Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers (Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften) konstituierte Nichtsteuerbarkeit von zu Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsgütern muss, um gleichheitswidrige Ergebnisse zu vermeiden, streng anhand des normativen Lenkungs- und Förderzwecks legitimiert werden (vgl. dazu Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 43 und B 44). Veräußert der Steuerpflichtige das bisher als Garten genutzte Nachbargrundstück, während er auf dem anderen Grundstück wohnen bleibt, so ist der Normzweck der Steuerbegünstigung, einen Umzug insbesondere infolge eines Arbeitsplatzwechsels nicht zu erschweren, nicht erfüllt und die Veräußerung steuerbar. Es fehlt insoweit an einem nach den Wertungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gegebenen einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen der Wohnung und dem Grund und Boden des Nachbargrundstücks.
Dabei mag offen bleiben, ob ein solcher Zusammenhang je bestand. Denkbar wäre nämlich auch, einen einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang nur mit dem auf dem Nachbargrundstück betriebenen Garten (als selbständiges Wirtschaftsgut, s. dazu BFH-Urteil in BFHE 180, 65, BStBl II 1997, 25) anzunehmen (mit der Folge der Steuerbarkeit der Grundstücksveräußerung). Ob, wie und mit was man einen derartigen Zusammenhang bejahen könnte, kann dahinstehen; denn jedenfalls ist der Konnex mit dem zu eigenen Wohnzwecken nach wie vor genutzten Wirtschaftsgut mit der Veräußerung gelöst worden. Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG umschriebene zeitliche Voraussetzung (der maßgebliche Zeitraum von mindestens zwei Jahren vor der Veräußerung, vgl. dazu HHR/Musil, § 23 EStG Rz 131) bezieht sich nur auf das unmittelbar zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wirtschaftsgut.
Dadurch unterscheidet sich der von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG geforderte Nutzungs- und Funktionszusammenhang von Grund und Boden und bewohntem Gebäude von der Fallkonstellation, über die der BFH in seinem Urteil in BFHE 221, 112, BStBl II 2008, 707 entscheiden musste. Dort geht es nicht um einen vom Gesetzgeber geförderten Umzug, sondern um die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft qua Entnahmefiktion gemäß § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F., die sich auch auf den zur Wohnung dazugehörenden Grund und Boden bezieht. Wenn sich danach ein Nutzungs- und Funktionszusammenhang des Grund und Bodens mit der begünstigten Wohnung nach den gegendüblichen Verhältnissen als landwirtschaftlicher Haus- und/oder Obstgarten im Entnahmezeitpunkt richtet und eine zukünftige andere Zweckbestimmung nicht erheblich ist, so ergibt sich dies aus der ratio legis der Übergangsregelung in § 52 Abs. 15 EStG a.F. Demgegenüber will das Gesetz mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG verhindern, dass durch die Veräußerungsgewinnbesteuerung ein Umzug erschwert wird.
dd) Wird ein unbebautes Grundstück, das an das Wohngrundstück angrenzt und das der Steuerpflichtige vor der Veräußerung als Garten mitbenutzt, veräußert, ohne dass es zu einer Aufgabe des Wohnsitzes kommt, ist die Veräußerung nach den oben aufgeführten Grundsätzen steuerbar. Es kommt deshalb nicht darauf an, inwieweit der Grund und Boden eines Wohngrundstücks überdies als "dazugehörender Grund und Boden" in einem Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsgut steht und damit von der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG umfasst wird (vgl. dazu z.B. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383 Rz 17).
2. Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG abgelehnt und die Veräußerung des Grundstücks III der Besteuerung unterworfen. Dieses Grundstück war kein Wirtschaftsgut, das zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Die vom Kläger genutzte Wohnung befand sich auf dem Nachbargrundstück (Grundstück I). Der auf dem Grundstück stehende Pavillon ermöglichte es nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht, dort einen eigenständigen Haushalt zu führen. Das aus dem Grundstück II gebildete Grundstück III war auch nicht als dazugehörender Grund und Boden in die Begünstigung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG einbezogen. Es bestand kein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung auf dem Grundstück I, und zwar jedenfalls dann nicht mehr, als die Wohnung nach der Veräußerung des Grundstücks III weiterhin wie bisher zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde.
Da das Grundstück III schon in vollem Umfang nicht unter die Begünstigung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu subsumieren ist, kommt es hier nicht darauf an, welche Auswirkungen es hat, dass das auf dem Grundstück I befindliche Gebäude nicht ausschließlich zu Wohnzwecken, sondern auch als Maklerbüro genutzt wurde.