Entscheidungsdatum: 14.04.2015
Verpfändet ein an einem Darlehensverhältnis nicht beteiligter Dritter einen GmbH-Anteil zur Sicherung des Darlehens, so kann die Vergütung, die der Dritte dafür erhält, entweder zu Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG oder zu Einkünften aus Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG führen .
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 18. Juli 2013 6 K 612/12 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr 2009 mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er war seit mehr als einem Jahr Gesellschafter der X-GmbH (GmbH) und zu 0,625 % an deren Stammkapital beteiligt. Die GmbH war ihrerseits am Grundkapital der Y-Holding-SE (SE), die SE zu 100 % an der Z-AG beteiligt.
Die Z-AG benötigte im Streitjahr zusätzliches Fremdkapital, das nur gegen die Bestellung von Sicherheiten durch die Gesellschafter der GmbH zur Verfügung gestellt wurde. So verpflichteten sich diese im März 2009, GmbH-Anteile in Höhe von 40 % des Stammkapitals an die A-AG zur Absicherung des von dieser an die Z-AG zu gewährenden Darlehens in Höhe von 500 Mio. € sowie GmbH-Anteile in Höhe von 20 % des Stammkapitals an die B-Bank zur Absicherung des von dieser an die Z-AG zu gewährenden Darlehens in Höhe von 750 Mio. € zu verpfänden.
Nach den Pfandbestellungsverträgen sollten die Grundverträge mit der A-AG eine Darlehenslaufzeit bis maximal 30. September 2009 und mit der B-Bank eine solche bis 23. Dezember 2009 enthalten. Die Z-AG verpflichtete sich mit Schreiben vom 27. März 2009 gegenüber den Gesellschaftern der GmbH, die Darlehen der A-AG und der B-Bank vorrangig, spätestens jedoch bis zum 31. Juli 2009, so weit zurückzuführen, dass die Sicherheiten freigegeben würden. Für die Dauer des Bestehens der Sicherheiten verpflichtete sich die Z-AG, an die Gesellschafter der GmbH für die Verpfändung des 60-prozentigen GmbH-Anteils eine Vergütung in Höhe von 2,5 % p.a. des jeweils besicherten Betrags zeitanteilig am Ende jeden Quartals sowie bei Erlöschen der Sicherheiten zu zahlen.
Der Kläger vereinnahmte insoweit im Streitjahr 27.208 €.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Vergütung bei den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 27.208 €.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1842 veröffentlichten Urteil, die Vergütung sei wie eine Bürgschaftsprovision zu behandeln. Auch wenn eine etwaige Vollstreckung allein die Vermögensebene des Klägers berührt hätte, sei die Vergütung als steuerpflichtige Gegenleistung für die Übernahme dieses Risikos anzusehen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 22 Nr. 3 EStG). Die Verpfändung des GmbH-Anteils stelle sich nicht als Erwerbstätigkeit dar, sondern als teilweise Aufgabe der in dem Anteil liegenden Vermögenssubstanz. Es handele sich um einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich. Auch zivilrechtlich liege nicht eine bloße Vermögensnutzung vor, sondern ein Eingriff in die Vermögenssubstanz.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG vom 18. Juli 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 11. April 2012 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. April 2012 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung der Vergütung für die Pfandrechtsbestellung an dem GmbH-Geschäftsanteil in Höhe von 27.208 € festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwar hat das FG im Ergebnis zutreffend die streitbefangene Vergütung für die Anteilsverpfändung der Besteuerung unterworfen. Indes kann nach den Feststellungen des FG weder entschieden werden, ob die vom Kläger bezogene Vergütung nach § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG oder nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar ist, noch kann beurteilt werden, in welcher Höhe der Kläger ggf. Werbungskosten für die Pfandrechtsbestellung geltend machen kann.
1. a) Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Entscheidend ist, dass sich die Bezüge auf Grund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrunds mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht immer in gleicher Höhe, wiederholen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. August 1987 IX R 98/82, BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344).
Eine Mindestdauer ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 27. November 1959 VI 172/59 U, BFHE 70, 174, BStBl III 1960, 65; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 22 Rz 13). Einmalige Leistungen begründen keine wiederkehrenden Bezüge (BFH-Urteil in BFHE 70, 174, BStBl III 1960, 65). Allein die Tatsache, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in Form wiederkehrender Zahlungen zu erbringen ist, kann jedoch ihre Steuerbarkeit nach § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG nicht begründen (BFH-Urteil vom 9. Februar 2010 VIII R 43/06, BFHE 229, 104, BStBl II 2010, 818). § 22 Nr. 1 EStG ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn die Leistungen andere steuerbare Einnahmen ersetzen (BFH-Urteil vom 26. November 2008 X R 31/07, BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651).
Eine bloße Umschichtung von Privatvermögen ist nicht vom Begriff der sonstigen Einkünfte erfasst (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121). Die Bezüge dürfen sich daher bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht als Kapitalrückzahlungen (z.B. Kaufpreisraten) darstellen (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1982 VIII R 72/79, BFHE 137, 157, BStBl II 1983, 128).
b) Gemäß § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. der Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören. Eine Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich betrifft (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2004 IX R 53/02, BFHE 207, 305, BStBl II 2005, 167, m.w.N.), Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst (BFH-Urteil vom 19. Februar 2013 IX R 35/12, BFHE 240, 559, BStBl II 2013, 578).
Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zu § 23 Abs. 1 EStG: BFH-Urteil vom 30. November 2010 VIII R 58/07, BFHE 232, 337, BStBl II 2011, 491; zu § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG: BFH-Urteil vom 24. Januar 2012 IX R 69/10, BFH/NV 2012, 1099). Ein veräußerungsähnlicher Vorgang liegt vor, wenn ein Vermögenswert endgültig in seiner Substanz aufgegeben wird (BFH-Urteil vom 21. November 1997 X R 124/94, BFHE 184, 540, BStBl II 1998, 133, m.w.N.).
Dauer und Häufigkeit der Leistungen sind im Rahmen von § 22 Nr. 3 EStG ohne Bedeutung. Erfasst wird nicht nur gelegentliches oder auch nur einmaliges, sondern auch sich wiederholendes, regelmäßig erbrachtes oder auf (eine gewisse) Dauer oder Wiederholung angelegtes Verhalten (BFH-Urteil vom 24. April 2012 IX R 6/10, BFHE 237, 197, BStBl II 2012, 581).
Ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines Austauschvertrags ist nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist; dafür genügt es, dass die Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen "ausgelöst" wird (BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 33/07, BFH/NV 2009, 1253).
c) Der BFH hat mehrfach entschieden, dass laufende Bürgschaftsprovisionen, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit zufließen, beim Nichtgewerbetreibenden wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG (BFH-Urteile vom 11. Januar 1966 I 53/63, BFHE 85, 13 B, BStBl III 1966, 218; vom 22. Januar 1965 VI 243/62 U, BFHE 82, 184, BStBl III 1965, 313; vom 18. Januar 1963 VI 242/61 U, BFHE 76, 382, BStBl III 1963, 141), einmalige Leistungen hingegen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG sind (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1982 IV R 122/80, nicht amtlich veröffentlicht, juris; in BFHE 85, 13 B, BStBl III 1966, 218; in BFHE 82, 184, BStBl III 1965, 313). Es besteht kein Anlass, von dieser Unterscheidung Abstand zu nehmen.
2. Nach diesen Grundsätzen kommen im Streitfall sowohl Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG als auch solche i.S. des § 22 Nr. 3 EStG in Betracht. Es liegt eine steuerbare Dreieckskonstellation vor, bei der die Bestellung der Sicherheit --anders als in einem Zwei-Personen-Verhältnis-- nicht in den Darlehenszins eingepreist wird. Der Kläger ist als Sicherungsgeber nicht Darlehensnehmer, sondern ein Dritter, der dem Darlehensnehmer eine Sicherheit gegen Entgelt zur Verfügung stellt.
Indes tragen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht seine Entscheidung, dass es sich um Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG handelt. Das FG hat die Abgrenzung zwischen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG und solchen gemäß § 22 Nr. 3 EStG nicht hinreichend geprüft und nicht nachvollziehbar begründet, weshalb es im Streitfall von Einkünften i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ausgegangen ist. Sein Urteil ist deswegen aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht selbst entscheiden, ob der Kläger Einkünfte aus Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 EStG oder aus wiederkehrenden Bezügen i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG bezogen hat. Die Einordnung ist von Bedeutung für die Frage, welche Werbungskosten der Kläger für die Pfandrechtsbestellung geltend machen kann.
Für das weitere Verfahren weist der Senat --ohne Bindungswirkung-- auf Folgendes hin:
a) § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG ist einschlägig, sofern wirtschaftlich betrachtet nicht nur eine Einmalzahlung i.S. eines einmaligen Betrags geplant war und durchgeführt wurde. Für eine solche Steuerbarkeit spricht insbesondere, dass eine Risikoabsicherung typischerweise auf Dauer angelegt ist.
Die Subsidiaritätsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG greift nicht. Der Kläger erzielte in diesem Zusammenhang weder Einkünfte i.S. des § 15 EStG noch solche i.S. des § 19 EStG. Auch liegen keine Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG vor, da die streitbefangene Vergütung kein Beteiligungsertrag ist. Für eine Anwendung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fehlt es bereits an einer Kapitalforderung. Zudem erzielte der Kläger keine Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 2 EStG; insoweit fehlt es an einer Veräußerung im Sinne der entgeltlichen Übertragung des --zumindest wirtschaftlichen-- Eigentums; auch § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nicht erfüllt. Schließlich zählen die Einnahmen des Klägers nicht zu den besonderen Entgelten oder Vorteilen i.S. des § 20 Abs. 3 EStG.
b) § 22 Nr. 3 EStG kommt in Betracht, sofern die Zahlung eines einheitlichen Einmalbetrags geplant war und der Vertrag entsprechend durchgeführt wurde. Dass ggf. mehrmals Beträge geflossen sind, stünde dem nicht von vornherein entgegen. Es handelte sich um insoweit unschädliche Teilzahlungen des einheitlichen Betrags.
Die Subsidiaritätsklausel des § 22 Nr. 3 EStG greift aus denselben Gründen nicht wie bei § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG.
Auch fehlt es sowohl an einer Veräußerung als auch an einem veräußerungsähnlichen Vorgang. Denn mit der Pfandrechtsbestellung wurde weder das Eigentum an dem GmbH-Anteil übertragen, noch hat der Kläger diesen endgültig in seiner Substanz aufgegeben.
Was die weiteren Voraussetzungen von § 22 Nr. 3 EStG betrifft, stellt insbesondere die Vergütungszahlung keine bloße Umschichtung von Privatvermögen dar, weil die Verpfändung eines GmbH-Anteils auch bei wirtschaftlicher Betrachtung keine Hingabe eines Vermögensgegenstands ist.
c) Schließlich kann der Senat auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob der Kläger --bei einer Steuerbarkeit nach § 22 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG-- ggf. nur den Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von insgesamt 102 € nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG beanspruchen oder aber --bei einer Steuerbarkeit nach § 22 Nr. 3 EStG-- nachweislich getragene Werbungskosten für die Pfandrechtsbestellung nach § 9 EStG abziehen kann. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang prüfen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.