Entscheidungsdatum: 11.12.2012
NV: Der Beteiligungsbegriff gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist veranlagungszeitraumbezogen auszulegen, indem das Tatbestandsmerkmal "innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist.
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1995 mit Geschäftsanteilen von 14,5 % an einer GmbH beteiligt. Diese Beteiligung wurde durch mehrere Verkäufe, zuletzt am 5. Dezember 1997, auf 9,9 % vermindert. Am 19. Juni des Streitjahres (2000) veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile für … DM.
Der Kläger teilte diesen Sachverhalt dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit und vertat dabei die Auffassung, mit seiner Veräußerung keinen Steuertatbestand erfüllt zu haben. Indes erfasste das FA im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem es den Kläger und seine Ehefrau, die Klägerin, zur Einkommensteuer zusammenveranlagte, einen Veräußerungsgewinn von … DM. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ruhte zunächst. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 (BVerfGE 127, 61 ff., BGBl I 2010, 1296, BStBl II 2011, 86) entschieden hatte, unterwarf das Finanzgericht (FG) einen Veräußerungsgewinn (Wertsteigerungen vom 1. April 1999 bis zur Veräußerung) nach § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) von … DM der Besteuerung, auf dessen Höhe sich die Beteiligten verständigt hatten.
Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter, dass der Gewinn des Klägers aus der Veräußerung seiner Beteiligung nicht steuerbar sei. Die Neubestimmung der Beteiligungsgrenze wirke nicht auf die Zeit vor dem 1. Januar 1999 zurück.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2002, zuletzt geändert mit Bescheid vom 28. Januar 2005, in der Weise zu ändern, dass kein Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG der Besteuerung zu Grunde gelegt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das BVerfG habe über einen gleichen Sachverhalt wie dem vorliegenden entschieden. Es habe nicht die Besteuerung insgesamt unterbunden, sondern nur die Besteuerung der Wertzuwächse bis zum 31. März 1999 davon ausgenommen.
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), indem der Klage stattzugeben und die Einkommensteuer für das Streitjahr festzusetzen ist, ohne dabei einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG zu berücksichtigen.
1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es § 17 Abs. 1 EStG verletzt. Der Kläger erfüllt mit der Anteilsveräußerung im Streitjahr keinen Steuertatbestand.
a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG).
b) Diese Fassung des Gesetzes ist gemäß § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Veräußert also jemand im Jahr 1999 oder 2000 eine Beteiligung von 10 %, ist dieser Vorgang steuerbar. Veräußert er allerdings eine Beteiligung von --wie im Streitfall-- lediglich 9,9 %, liegt ein steuerbares Veräußerungsgeschäft nur vor, wenn er innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Da die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % nach § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 gilt, folgt daraus umgekehrt zugleich, dass sie für frühere Veranlagungszeiträume nicht anwendbar ist. Deshalb ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige, der im Jahr 2000 eine Beteiligung unter 10 % veräußert, innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft über 10 % (hier 14,5 %), aber bis einschließlich 25 % beteiligt war. Denn in den Veranlagungszeiträumen vor 1999 war eine wesentliche Beteiligung nur dann gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (so § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in früheren Fassungen).
Dementsprechend legt der Bundesfinanzhof den Beteiligungsbegriff gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 veranlagungszeitraumbezogen aus, indem das Tatbestandsmerkmal "innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist. Zur weiteren Begründung und, um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat auf seine Entscheidung vom 11. Dezember 2012 IX R 7/12.
2. Da das FG-Urteil diesen Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Der Kläger erfüllt mit seiner Veräußerung im Streitjahr keinen Steuertatbestand. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist zu ändern und die Einkommensteuer für das Streitjahr ohne Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von 986.316 DM festzusetzen. Das FA muss die Einkommensteuer nach § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 FGO entsprechend berechnen.