Entscheidungsdatum: 19.02.2013
Ein erst nach Ablauf seiner befristeten Unwiderruflichkeit angenommenes, notarielles Kaufangebot stellt keinen "gleichstehenden Rechtsakt" i.S. von § 7h Abs. 1 Satz 3 bzw. § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG dar .
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) gaben gegenüber dem Bauträger am 10. Juli 2003 ein notariell beurkundetes Vertragsangebot zum Abschluss eines Bauträgervertrags über eine Wohneinheit (WE 1) ab. Das Vertragsangebot enthält u.a. folgende Klausel: "Der Anbieter hält sich an dieses Angebot vier Monate gerechnet ab heute unwiderruflich gebunden. Der Angebotsempfänger kann das Angebot bis zu diesem Termin annehmen. Nach Ablauf der Frist erlischt das Angebot nicht von selbst, kann jedoch durch den Anbieter jederzeit widerrufen werden." Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 11. November 2003 nahm der Bauträger das Angebot an.
Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung und für die Festsetzung der Investitionszulage nach der Verordnung zu § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für die Abschreibungen nach § 7 Abs. 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Grundlagen für die Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 bzw. die erhöhte Investitionszulage nach § 3a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest und erkannte Anschaffungskosten für nach Kaufvertragsabschluss durchgeführte Modernisierungs- bzw. Baumaßnahmen in Höhe von 90.391 € an. Dabei legte es den 10. Juli 2003 als Zeitpunkt des rechtswirksamen Abschlusses des obligatorischen Kaufvertrags oder gleichstehenden Rechtsakts zugrunde. Eine Feststellung für die erhöhten Absetzungen nach §§ 7h, 7i und 10f EStG wurde in diesem Bescheid nicht getroffen.
Im Rahmen einer beim Bauträger durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass zwar für die WE 1 auch begünstigte Sanierungsaufwendungen nach § 7h und 7i EStG vorlägen, dass aber maßgeblicher Zeitpunkt für die Begünstigung erst die Annahme des Vertragsangebots durch den Bauträger am 11. November 2003 sei. Ein einem obligatorischen Kaufvertrag gleichstehender Rechtsakt liege nicht schon in dem notariellen Kaufangebot, da die Annahme erst nach Ablauf der von den Klägern gesetzten Bindungsfrist erfolgt sei. Da bis zum Abschluss des Kaufvertrags bereits 69,17 % der Baumaßnahmen durchgeführt worden seien, könnten lediglich 26.829 € als nachträgliche Herstellungskosten anerkannt werden. Das FA schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfung an und erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, der geänderte Feststellungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung sei rechtmäßig. Unabhängig davon, ob das notarielle Kaufangebot vom 10. Juli 2003 durch den Bauträger innerhalb oder außerhalb der Bindungsfrist angenommen worden sei, könne dieses nicht als "gleichstehender Rechtsakt" i.S. von § 7h EStG bzw. § 7i EStG angesehen werden. Dem Abschluss eines obligatorischen Vertrags seien nur solche Fälle gleichgestellt, die die gleichen bindenden Wirkungen für die Vertragsparteien auslösten wie der Abschluss eines Vertrags. Danach schieden alle Vorbereitungshandlungen einschließlich der Angebotsabgabe zum Abschluss eines Erwerbsvertrags aus dem Anwendungsbereich des "gleichstehenden Rechtsakts" aus.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Mit Abgabe des notariellen Kaufangebots am 10. Juli 2003 liege ein dem obligatorischen Erwerbsvertrag gleichstehender Rechtsakt vor. Denn hinsichtlich des "gleichstehenden Rechtsakts" komme es nur auf die Bindung des Steuerpflichtigen an. Insbesondere sei § 7h Abs. 1 Satz 3 bzw. § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG kein Stufenverhältnis zu entnehmen, welches dazu führe, dass ein später abgeschlossener Erwerbsvertrag ein vorangegangenes Vertragsangebot in sich aufnehme. Im Übrigen habe auch nach Ablauf der Bindungsfrist immer noch ein die Käufer bindendes und jedenfalls bis zum 11. November 2003 unwiderrufenes Kaufvertragsangebot vorgelegen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG aufzuheben und den Feststellungsbescheid vom 9. Juni 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage für Abschreibungen nach §§ 7h, 7i und 10f EStG auf 90.391 € festgestellt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Zutreffend hat das FG das streitbefangene Vertragsangebot nicht als "gleichstehenden Rechtsakt" i.S. von § 7h EStG bzw. § 7i EStG behandelt und so für die bis zur Annahme des Vertragsangebots durchgeführten Baumaßnahmen keine erhöhten Absetzungen gewährt.
1. Gemäß § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der fraglichen Maßnahme und in diesen folgenden neun Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen i.S. von § 7h Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind. Eine entsprechende Regelung enthält § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG. Danach setzen die erhöhten Absetzungen grundsätzlich voraus, dass die betroffenen Maßnahmen nach einem obligatorischen Erwerb anfallen, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Investition des Steuerpflichtigen in das begünstigte Gebäude dahingehend konkretisiert hat, dass er einen rechtswirksamen obligatorischen Erwerbsvertrag abgeschlossen hat. Die Alternative des gleichstehenden Rechtsakts muss einen entsprechenden Konkretisierungsgrad erreichen.
Mit einem obligatorischen Erwerbsvertrag wird zum einen eine beidseitige Bindung von Voreigentümer und Erwerber definiert, zum anderen --notariell beurkundet-- ein objektiv eindeutiger Zeitpunkt hierfür festgelegt. Da nach § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG "obligatorischer Erwerbsvertrag" und "gleichstehender Rechtsakt" gleichwertige alternative Begünstigungsvoraussetzungen darstellen, sind an den gleichstehenden Rechtsakt hinsichtlich seiner Rechtsbindung und der Rechtsklarheit dieselben Anforderungen zu stellen wie an den obligatorischen Erwerbsvertrag.
Der Begriff des obligatorischen Erwerbsvertrags umfasst insbesondere Kauf oder Tausch eines bebauten Grundstücks; maßgebender Zeitpunkt für den Erwerb ist die formgerechte schuldrechtliche Erwerbsverpflichtung, von der sich kein Beteiligter mehr einseitig lösen kann (s. Kleeberg in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 7h Rz B 21). Parallel hierzu sind gleichstehende Rechtsakte insbesondere der Erbfall, das Vermächtnis nach Annahme (s. Kleeberg in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O.), der Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren oder der Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft (s. Siebenhüter in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7h EStG Rz 18), nicht aber ein unwiderrufliches notarielles Kaufangebot (so Sächsisches FG, Beschluss vom 29. Juli 2009 6 V 736/09, juris). Denn ein solches begründet weder eine beidseitige Verpflichtung noch definiert es einen konkreten Erwerbszeitpunkt.
2. Nach diesen Grundsätzen stellt das im Streitfall zu beurteilende Vertragsangebot vom 10. Juli 2003 keinen gleichstehenden Rechtsakt i.S. von § 7h Abs. 1 Satz 3, § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG dar; daran ändert auch seine befristete Unwiderruflichkeit nichts. Es kommt jedenfalls dann nicht darauf an, wie lange das Angebot bindend war, wenn --wie im Streitfall-- das Angebot erst nach Ablauf der Bindungsfrist (am 11. November 2003) angenommen wurde. Daher konnten erst für Maßnahmen nach Annahme des Vertragsangebots begünstigte Sanierungsaufwendungen anfallen.