Entscheidungsdatum: 11.07.2017
1. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die als Kaufpreis bezeichnete Gegenleistung teilweise auch für andere Verpflichtungen des Veräußerers erbracht worden ist (hier: Verzicht auf Schadensersatzansprüche, Rücknahme von Klagen), die nicht den Tatbestand des § 23 Abs. 1 EStG erfüllen, ist der vereinbarte Kaufpreis insoweit aufzuteilen .
2. Für Zwecke der Aufteilung ist das veräußerte Wirtschaftsgut zu bewerten; übersteigt die Gegenleistung den Wert des veräußerten Wirtschaftsguts, spricht dies dafür, dass der übersteigende Teil der Gegenleistung nicht zum Veräußerungspreis gehört, sondern eine andere Verpflichtung entgolten oder ein Teil der Gegenleistung unentgeltlich zugewendet werden soll .
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 1. Juni 2016 14 K 545/14 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen. Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegt und wie ggf. der Veräußerungsgewinn zu berechnen ist.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr (2009) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger trat im August 1999 mit Wirkung zum 31. Oktober 1999 als Treugeber-Kommanditist mit einem Kapitalanteil von 50.000 DM der Z-KG bei. Der Gesellschaftszweck der als geschlossener Immobilienfonds konzipierten Gesellschaft bestand im Erwerb, in der Errichtung, der Verwaltung, der Vermietung sowie der Verwertung von Immobilien. Die Z-KG war Eigentümer von Immobilien oder erwarb Beteiligungen an Objektgesellschaften.
Die Z-KG war --neben weiteren geschlossenen Immobilienfonds-- ab 1995 von der B-AG initiiert worden. Diese hatte sich dazu mehrerer zwischengeschalteter Tochtergesellschaften bedient, u.a. der L-Bank sowie der Y-GmbH. An den Fondsgesellschaften wurden Treuhandkommanditisten beteiligt, die sowohl im eigenen Namen als auch für noch zu werbende Treugeber Gesellschaftsanteile hielten. Kapitalanlegern wie dem Kläger wurde nach einheitlichem Muster der Abschluss von Treuhandverträgen angeboten, wonach sich der Treuhandkommanditist verpflichtete, seine Beteiligung künftig treuhänderisch für die Kapitalanleger (Treugeber) zu verwalten. Der Treuhandkommanditist übte seine Gesellschafterrechte nach deren Weisungen aus. Im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander und im Verhältnis zur Gesellschaft wurden die Treugeber wie unmittelbar beteiligte Kommanditisten behandelt. Sie durften an den Gesellschafterversammlungen teilnehmen und die auf ihre Beteiligungen entfallenden Stimmrechte sowie die einem Kommanditisten nach dem Gesetz zustehenden Kontroll- und sonstigen Rechte unmittelbar selbst ausüben. Dem Kläger stand außerdem ein Andienungsrecht zu, nach Ablauf von 25 Jahren den Anteil zum Nominalwert und nach Ablauf von 30 Jahren zu 115 % des Nominalwerts an eine Konzern-Gesellschaft der B-AG zurückzugeben.
Die wirtschaftliche Entwicklung des Fonds entsprach nicht den Erwartungen des Klägers. Zusammen mit einer Vielzahl weiterer Anleger beteiligte sich der Kläger an einem Sammelklageverfahren und erhob eine Schadensersatzklage gegen die L-Bank und die Y-GmbH. Mit der Klage begehrte der Kläger u.a. die Zahlung von 16.115,72 € nebst Zinsen sowie die Freistellung von den Verpflichtungen aus dem Bankdarlehen zur Finanzierung der Beteiligung Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung an der Z-KG. Inhaltlich war die Klage auf vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche und einen Einwendungsdurchgriff nach dem Verbraucherkreditgesetz gestützt. Der Fondsprospekt habe vielfach erhebliche unrichtige oder unvollständige Angaben enthalten bzw. nachteilige Umstände nicht dargestellt. Der geltend gemachte Schaden ermittelte sich aus dem Betrag der Einlage zzgl. eines Agio von 5 % sowie den Finanzierungskosten der Beteiligung und entgangenen Zinsen für den Eigenkapitalanteil abzüglich aller erhaltenen Ausschüttungen.
Im Jahr 2005 unterbreitete die Y-GmbH dem Kläger ein Angebot zum Erwerb seiner Fondsanteile, das er aber nicht annahm. Vielmehr hielt der Kläger seine Klage aufrecht. Die Y-GmbH machte dem Kläger am 1. Dezember 2008 ein neues Angebot. Der als Vergleichsvertrag bezeichnete Vertrag bestimmte als Zahlungsverpflichtung einen Prozentsatz der auf die Fondsbeteiligung gezahlten Kapitaleinlage zzgl. einer Verzinsung für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis sechs Wochen nach der Annahme des Angebots abzüglich der Ausschüttungen und Quellensteuern, die für den genannten Zeitraum gezahlt wurden. Das Angebot war unwiderruflich und befristet. Die Annahme des Angebots war nur möglich, wenn die Schadensersatzklage vor dem Annahmetag zurückgenommen war. Der Kläger nahm das Angebot innerhalb laufender Frist am 23. Dezember 2008 an. Zugleich verzichtete er auf alle gegenwärtigen und zukünftigen Schadensersatzansprüche, die mit dem Erwerb der Beteiligung zusammenhingen. Der Kläger erhielt im Jahr 2009 von der Y-GmbH eine Auszahlung in Höhe von 23.603,19 €. Die Z-KG bestand nach dem Ausscheiden des Klägers als geschlossener Immobilienfonds fort.
Mit (geändertem) Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 14. September 2012 erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Blick auf den von der Y-GmbH geleisteten Auszahlungsbetrag bei dem Kläger erstmals Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft. Das FA übernahm dabei die jeweilige Veräußerungsgewinnberechnung, die sich aus einer (informatorischen) Mitteilung des für die Fondsgesellschaften zuständigen Finanzamts ergab. Danach wurden die nachfolgenden Veräußerungsgewinne ermittelt: |
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Auszahlungsbetrag |
23.603,19 € |
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+ anteilige Verbindlichkeiten |
+ 66.662,87 € |
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= gesamter Veräußerungspreis |
90.266,06 € |
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x anteiliger Veräußerungspreis der Immobilien |
x 76,85 % |
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= |
69.372,81 € |
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./. anteilige steuerliche Buchwerte der Immobilien |
56.362,32 € |
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= Veräußerungsgewinn |
13.010,49 € |
Aus den mitgeteilten Werten ergibt sich nicht, auf welchen Stichtag die anteiligen Verbindlichkeiten und der anteilige steuerliche Buchwert der Immobilien ermittelt worden sind.
Der vom Kläger gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1612 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Der Kläger habe seine Beteiligung veräußert und dadurch den Tatbestand des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Eine Rückabwicklung der ursprünglichen Anschaffung liege nicht vor. Der Verzicht auf Schadensersatz und die weiteren vom Kläger eingegangenen Verpflichtungen hätten nur den Charakter von Nebenleistungen oder Klarstellungen. Das FA habe auch den Veräußerungsgewinn zutreffend ermittelt. Der Veräußerungsgewinn entfalle nicht in Höhe von 36,35 % auf Schadensersatzansprüche.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Sie tragen u.a. vor, sie hätten für ihre Beteiligung an dem Fonds Schadensersatz erhalten. Der Wert des Fonds habe 0 € betragen. Mehr hätte ein fremder Dritter nicht bezahlt. Es habe daher kein Veräußerungsgeschäft, sondern eine Rückabwicklung vorgelegen. Zudem sei der Veräußerungsgewinn fehlerhaft ermittelt worden. Auch das rechtliche Gehör sei verletzt worden.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Köln vom 1. Juni 2016 14 K 545/14 und die Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14. September 2012 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers um 13.011 € niedriger angesetzt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es liege ein privates Veräußerungsgeschäft vor und der Veräußerungsgewinn sei unter Einbeziehung der Verbindlichkeiten zutreffend ermittelt worden. Der Kläger habe sich im Vergleichswege geeinigt und auf "etwaige" Schadensersatzansprüche verzichtet. Daher sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger eine pauschale Schadensersatzzahlung erhalten habe. Über die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche sei keine rechtsverbindliche Aussage getroffen worden. Ob daher Schadensersatzansprüche überhaupt bestanden hätten, sei ungeklärt. Daher sei auch keine Aufteilung des Kaufpreises vorzunehmen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat zwar ohne Rechtsfehler den Vergleichsvertrag vom 23. Dezember 2008 als steuerbare Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gewürdigt. Es hat aber den Veräußerungsgewinn rechtlich fehlerhaft ermittelt. Zur Begründung verweist der Senat auf seine Entscheidungen vom 6. September 2016 IX R 27/15 (BFHE 255, 176, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2016, 2950), IX R 44/14 (BFHE 255, 148, BFH/NV 2017, 191) und IX R 45/14 (BFHE 255, 162, BFH/NV 2017, 197), die sich mit vergleichbaren Fondsbeteiligungen befassen.
Die vom FA vorgenommene Ermittlung des Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft lässt sich auch nicht auf die in der Folge des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 17. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) geänderte Fassung des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG stützen. Danach ist der Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Auch dieser Formulierung des Gesetzes lässt sich eindeutig entnehmen, dass § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG die Frage der Steuerbarkeit der Grundstücksveräußerung betrifft, aber nicht die "Technik" der Gewinnermittlung beeinflusst (so aber A. Fink, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2016, 3912 und NWB 2017, 643, 648; Lupczyk, Finanz-Rundschau 2017, 177, 184). Der Gesetzesbegründung lässt sich ein derartiges, mit der Anpassung der Formulierung verfolgtes Regelungsziel ebenfalls nicht entnehmen, da dort lediglich von "redaktionelle(n) Änderungen" gesprochen wird (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 58).
Anders als das FG meint, ist die als Vergleichsbetrag bezeichnete Gegenleistung teilweise auch für den Verzicht auf Schadensersatzansprüche des Veräußerers erbracht worden. Soweit das FG zu dem Schluss gelangt ist, etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers seien nicht werthaltig, wird dieser Schluss nicht von seinen tatsächlichen Feststellungen getragen. Denn Sinn und Zweck der Vergleichsvereinbarung war es, den hinter der B-AG und L-Bank stehenden Gewährträger der öffentlichen Hand von seiner Haftung zu befreien. Aufgrund der bestehenden Gewährträgerhaftung ist es auch nicht möglich, die Ansprüche des Klägers als nicht durchsetzbar einzuordnen.
2. Das Verfahren ist nicht spruchreif und an das FG zurückzuverweisen. Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob der Kläger aus der Veräußerung seiner mittelbaren Beteiligung einen Gewinn oder Verlust erzielt hat. Hinsichtlich der vom FG vorzunehmenden Aufklärungsmaßnahmen und der weiteren Ermittlung des Veräußerungsgewinns verweist der Senat ebenfalls auf seine Entscheidungen in BFHE 255, 176, DStR 2016, 2950, in BFHE 255, 148, BFH/NV 2017, 191 und in BFHE 255, 162, BFH/NV 2017, 197 und die dortigen Ausführungen unter II.4. und II.5.
3. Über die von den Klägern erhobene Verfahrensrüge braucht nicht mehr entschieden zu werden.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem FG vorbehalten (§ 143 Abs. 2 FGO).