Entscheidungsdatum: 07.02.2012
NV: Bei unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern des Privatvermögens setzt § 11d Abs. 1 EStDV die Berechtigung des Rechtsnachfolgers zum Abzug der AfA voraus, nicht jedoch auch die Verwirklichung eines Tatbestands der Einkunftsart durch den Rechtsvorgänger.
I. 2005 erwarb die Erblasserin von einem Bauträger eine (zu erstellende) Eigentumswohnung (ETW) in X, die sie nach Fertigstellung selbst zu nutzen beabsichtigte. Die ETW wurde vertragsgemäß und bezugsfertig am 15. Dezember 2005 an die Erblasserin übergeben.
Am 29. Dezember 2005 verstarb die Erblasserin, sie wurde von F und M je zur Hälfte als Rechtsnachfolger und Beteiligte der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) beerbt. Die ETW war bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht bezogen worden und wurde von der Klägerin ab 1. Juli 2006 fremdvermietet.
In ihrer Feststellungserklärung für 2005 (Streitjahr) machte die Klägerin gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 c des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) für die ETW Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 9.757 € (4 % aus unstreitigen Anschaffungskosten von 243.915,70 €) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gewährte die AfA nur zeitanteilig für die drei Tage des Bestehens der Klägerin.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt und führte zur Begründung aus: Der Klägerin stehe im Fertigstellungsjahr der ETW die degressive AfA gemäß § 7 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht nur zeitanteilig, sondern in Höhe des Jahresbetrags zu.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 7 Abs. 5 EStG, § 11d Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--). Das FA meint, dass die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG den Rechtsnachfolgern der Erblasserin nur zeitanteilig zustehe.
Das FA beantragt,
unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt unter Verweis auf die Begründung des FG, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG der Klägerin die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Höhe des Jahresbetrags zuerkannt.
1. Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen, also durch sie veranlasst sind. Sie müssen also mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit zusammenhängen und zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Dezember 1994 IX R 122/92, BFHE 177, 50, BStBl II 1995, 534, und vom 18. Dezember 2001 IX R 24/98, BFH/NV 2002, 904, m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen können auch Anschaffungs- oder Herstellungskosten (des Vermietungsobjekts) als Werbungskosten im Rahmen der AfA zu berücksichtigen sein (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG; BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 IX R 24/10, BFH/NV 2011, 1480).
a) Nach § 7 Abs. 5 i.V.m. § 7 Abs. 5a EStG können bei im Inland belegenen Eigentumswohnungen, die vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind, abweichend von Abs. 4 als AfA im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden Jahren in degressiv gestaffelten Sätzen abgezogen werden. Nach § 7 Abs. 5 Satz 3 EStG gilt aber § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG, der eine Minderung um jeweils ein Zwölftel für jeden vollen Monat vor Anschaffung oder Herstellung vorsieht, nicht, so dass im Jahr der Anschaffung oder Herstellung die volle degressive Jahres-AfA zu gewähren ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 IX R 42/04, BFH/NV 2006, 1452).
b) Bei unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern (des Privatvermögens) bemessen sich die AfA --soweit hier von Bedeutung-- nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Rechtsvorgängers und nach dem Hundertsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer des Wirtschaftsguts wäre, und zwar nur bis zur Höhe des vom Rechtsvorgänger noch nicht ausgeschöpften AfA-Volumens (§ 11d Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStDV). Die Vorschrift regelt lediglich die Bemessungsgrundlage und über den Hundertsatz den Abzugszeitraum, setzt aber, weil keine selbständige Anspruchsgrundlage für den Abzug von AfA, die Berechtigung des Rechtsnachfolgers zum Abzug der AfA voraus (vgl. BFH-Urteile vom 4. Dezember 1991 X R 89/90, BFHE 166, 346, BStBl II 1992, 295; vom 5. November 1996 IX R 105/93, BFH/NV 1997, 339; vom 20. März 2001 IX R 91/97, BFH/NV 2001, 1114). Für die Inanspruchnahme muss der Rechtsnachfolger in seiner Person --und entgegen der Ansicht des FA nicht auch der Rechtsvorgänger-- den objektiven und subjektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklichen (vgl. auch BFH-Urteile vom 4. September 1990 IX R 197/87, BFHE 162, 404, BStBl II 1992, 69; vom 7. August 1991 X R 116/89, BFHE 165, 267, BStBl II 1992, 736; jeweils zu § 7b EStG).
2. Nach diesen Maßstäben hat das FG der aus den Rechtsnachfolgern der Erblasserin bestehenden Klägerin zutreffend die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Höhe des (vollen) Jahresbetrags gewährt.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war die Klägerin bereits im Streitjahr unstreitig zur Inanspruchnahme der AfA berechtigt. Denn sie hat mit Einkünfteerzielungsabsicht den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung durch Vermietung der geerbten ETW (ab Juli 2006) verwirklicht. Die AfA bemisst sich mithin nach den der Erblasserin entstandenen Anschaffungskosten. Unerheblich ist, dass die Erblasserin die ETW nicht vermieten, sondern selbst bewohnen wollte. Da die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG keine zeitanteilige, sondern eine Jahres-AfA ist (§ 7 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 EStG), die Erblasserin keine AfA in Anspruch genommen hat und die Rechtsnachfolge im Jahr der Fertigstellung --wenn auch erst kurz vor dessen Ende-- eingetreten ist, steht der Klägerin die (volle) Jahres-AfA zu. Auch R 7.4 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2005 steht im Streitfall --wie aus den Gründen des FG-Urteils ersichtlich-- der Gewährung der vollen Jahres-AfA nicht entgegen.