Entscheidungsdatum: 14.04.2010
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 28. November 2008 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen
vier Wochen.
I. Die Klägerin begehrt von der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder die Erstattung von Beitragszahlungen ihres am 25. September 2005 verstorbenen Ehemannes, der in der Zeit vom 1. Juli 2003 bis zu seinem Tod 27 Monate bei der Beklagten pflichtversichert war.
Den Antrag der Klägerin, ihr eine Betriebsrente für Hinterbliebene zu gewähren, lehnte die Beklagte ab, weil der Ehemann der Beklagten die Wartezeit von 60 Umlagemonaten gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 VBLS nicht erfüllt hatte. Die sodann von der Klägerin beantragte Erstattung der von ihrem Ehemann geleisteten Beiträge lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass nach § 44 Abs. 1 Satz 1 VBLS eine Beitragserstattung nur vom Versicherten selbst beantragt werden könne und das Antragsrecht nicht auf die Hinterbliebenen übergehe.
Die auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die von ihrem Ehemann gezahlten Beiträge zu erstatten, gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
II. Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Revision im Beschlusswege nach § 552a Satz 1 ZPO liegen vor.
1. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht. Der Rechtssache kommt vor allem nicht die vom Berufungsgericht angenommene grundsätzliche Bedeutung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Diese ist dann gegeben, wenn eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGHZ 154, 288, 291; 152, 182, 191; 151, 221, 223, jeweils m.w.N.). Klärungsbedürftig ist eine Frage, wenn sie in der Rechtsprechung und/oder der Literatur und/oder den beteiligten Verkehrskreisen kontrovers diskutiert wird und die Rechtsprechung noch keine Klärung herbeigeführt hat (vgl. BGHZ 154 aaO; Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02- VersR 2004, 225 unter 2 a).
Die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen, ob es ein eigenes Antragsrecht des Hinterbliebenen auf Beitragserstattung gibt und ob § 44 VBLS in seiner jetzigen Fassung verfassungskonform ist, sind zwar noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Jedoch hat weder das Berufungsgericht noch die Revision aufgezeigt, dass diese Problematik umstritten ist und über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Mit Blick darauf ist auch eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO nicht geboten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 50/09- WM 2010, 237 Tz. 4).
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Beklagte hat der Klägerin zu Recht die begehrte Erstattung der von ihrem verstorbenen Ehemann gezahlten Beiträge verwehrt.
a) Ein Anspruch der Klägerin auf Beitragserstattung ergibt sich nicht aus der Bestimmung des § 44 Abs. 1 Satz 1 VBLS. Danach können die beitragsfrei Versicherten, die die Wartezeit (§ 34 VBLS) nicht erfüllt haben, bis zur Vollendung ihres 69. Lebensjahres die Erstattung der von ihnen geleisteten Beiträge beantragen. Das Antragsrecht steht demzufolge ausschließlich den Versicherten selbst, nicht aber ihren Hinterbliebenen zu. Nur wenn Versicherte nach Antragstellung, aber vor Beitragserstattung sterben, gehen gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 VBLS die Ansprüche auf die Hinterbliebenen über, die betriebsrentenberechtigt wären, wenn die Wartezeit erfüllt wäre. Anders als nach § 60 Abs. 6 VBLS a.F. (in der Fassung bis zur 41. Satzungsänderung), wonach auch die natürlichen Personen, die die Kosten der Bestattung getragen haben, nach dem Tode eines freiwillig Weiterversicherten oder eines beitragsfrei Versicherten die Erstattung der Beiträge bis zur Höhe ihrer Aufwendungen beantragen konnten, sieht § 44 VBLS ein eigenes Antragsrecht der Hinterbliebenen gerade nicht vor. Im Übrigen ist hier bereits die Voraussetzung der beitragsfreien Versicherung nicht erfüllt. Der Ehemann der Klägerin war bis zu seinem Tod nicht beitragsfrei versichert, sondern pflichtversichert. Schon deshalb scheidet eine Beitragserstattung aus.
b) Das Berufungsgericht hat die Beschränkung des Antragsrechts auf die beitragsfrei Versicherten in § 44 Abs. 1 Satz 1 VBLS zutreffend für wirksam erachtet.
aa) Die Bestimmungen der VBLS finden als Allgemeine Versicherungsbedingungen auf die Gruppenversicherungsverträge Anwendung, die von den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmer mit der Beklagten als Versicherer zugunsten der bezugsberechtigten Versicherten, der Arbeitnehmer abgeschlossen sind (st. Rspr., BGHZ 142, 103, 105 ff. m.w.N.). Sie unterliegen grundsätzlich der richterlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB (BGHZ 174, 127 Tz. 30, 142 aaO, jeweils m.w.N.).
bb) Dass § 44 Abs. 1 Satz 1 VBLS nur die beitragsfrei Versicherten, die die Wartezeit nicht erfüllt haben, berechtigt, die Erstattung der geleisteten Beiträge zu beantragen, hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stand. Dabei auch zu berücksichtigende Grundrechte der Versicherten und ihrer Hinterbliebenen (vgl. BGHZ 103, 370, 383; BVerfG NJW 2000, 3341 unter II 2 c) sind nicht verletzt.
(1) Insbesondere liegt kein Eingriff in eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition vor. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht aber bloße Chancen und Erwartungen (BGHZ 174 aaO Tz. 41; BAGE 124, 1 Tz. 34; 101, 186, 194, jeweils m.w.N.). Demgemäß unterstellt der Senat die mit Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalles bestehenden Rentenansprüche aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (BGHZ 155, 132, 140; so auch OLG Karlsruhe VersR 2005, 253, 254) - ebenso wie das BAG die Rentenansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung (vgl. BAGE 101 aaO; DB 2004, 2590, 2591). Nach der früheren Satzung der Beklagten erworbene Anwartschaften stellen, soweit sie über gesetzlich begründete, unverfallbare Rechte (§§ 1, 18 Abs. 2 BetrAVG a.F.) hinausgehen sollen, vor dem Versicherungsfall noch keine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition des Versicherten dar (BGHZ 174 aaO Tz. 51).
Der Ehemann der Klägerin hatte noch nicht einmal eine Anwartschaft auf eine Versorgungsrente erlangt, weil er die 60-monatige Wartezeit (§ 34 Abs. 1 Satz 1 VBLS) noch nicht erfüllt hatte (vgl. BGHZ 84, 158, 173; Senatsurteil vom 28. März 2007 - IV ZR 145/06- VersR 2007, 1214 Tz. 11). Die Möglichkeit, im Falle einer beitragsfreien Versicherung gezahlte Beiträge zurückzuerhalten, ist keine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition, sondern eine bloße Chance, die zudem nicht der Versorgung des Versicherten oder seiner Hinterbliebenen zugute kommt.
(2) Der Ausschluss der Hinterbliebenen von der Antragsberechtigung in § 44 Abs. 1 Satz 1 VBLS ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der allgemeine Gleichheitssatz ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BGHZ 174 aaO Tz. 59; BVerfGE 117, 272, 300 f.; 105, 73, 110; 87, 234, 255; BVerfG, VersR 2000, 835, 837, jeweils m.w.N.).
Gemessen daran ist die Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 VBLS nicht willkürlich. Ein sachlicher Grund für die Antragsberechtigung allein des beitragsfrei Versicherten liegt zum einen darin, dass er selbst am besten entscheiden kann, ob eine Beitragserstattung sinnvoll ist oder nicht. Insbesondere muss er bedenken, ob er erneut bei der Beklagten pflichtversichert sein wird oder die Versicherung zu einer anderen Zusatzversorgungseinrichtung übergeleitet werden kann und er infolgedessen doch noch eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente erlangen kann. Diese Abwägung ist naturgemäß nach dem Tod des Versicherten ausgeschlossen.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach versicherungsmathematischen Grundsätzen die Risiken kalkulieren muss, weil die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes eine Versicherung darstellt. Dies erfordert eine angemessene Verteilung der Risiken zwischen der Beklagten einerseits und den Versicherten und ihren Arbeitgebern andererseits. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte trage in der Phase, in der die Wartezeit noch nicht erfüllt ist, kein Risiko, übersieht sie, dass die Beklagte schon in der Zeit bis zur Erfüllung der Wartezeit das Risiko einer Verpflichtung zur Rentenzahlung bei einem Arbeitsunfall trägt (§ 34 Abs. 2 Satz 1 VBLS). In Anbetracht dieser Risikoverteilung ist es nicht willkürlich, wenn die Beklagte eine Beitragserstattung nur unter engen Voraussetzungen vorsieht und Hinterbliebene nicht in den Kreis der Antragsberechtigten einbezieht. Das Risiko, bei Nichterfüllung der zeitlichen und sonstigen Voraussetzungen den Versicherungsanspruch ersatzlos zu verlieren, gehört zum Wesen einer Rentenversicherung. Dies gilt umso mehr, wenn der Versicherungsträger schon vor Erfüllung der Wartezeit unter bestimmten Voraussetzungen, etwa nach einem Arbeitsunfall, eintrittspflichtig ist. Wenn der Versicherer nicht nur dem Versicherten selbst, der die Beiträge aus seinem Einkommen entrichtet hat, sondern auch den Hinterbliebenen einen Anspruch auf Beitragserstattung einräumt, handelt es sich um eine zusätzliche Billigkeitsmaßnahme, für die ein besonders weiter Ermessensspielraum besteht (BVerfGE 22, 349, 367). Dass die Satzung der Beklagten eine solche zusätzliche Billigkeitsmaßnahme für die Hinterbliebenen von Pflichtversicherten nicht vorsieht, ist nicht willkürlich. Allein der Umstand, dass § 210 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI für die gesetzliche Rentenversicherung ein eigenes Antragsrecht der Hinterbliebenen vorsieht, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, zwingt die Beklagte nicht zu einer entsprechenden Regelung.
(3) Auch der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Grundsatz des Vertrauensschutzes führt zu keinem anderen Ergebnis. Als der Ehemann der Klägerin am 1. Juli 2003 bei der Beklagten versicherungspflichtig wurde, war bereits in § 44 Abs. 1 Satz 1 VBLS das Recht, eine Beitragserstattung zu beantragen, nur Versicherten einge-räumt. Auf die abweichende, damals bereits außer Kraft gesetzte Regelung in § 60 Abs. 6 VBLS a.F., konnten seinerzeit weder Versicherte noch deren Angehörige vertrauen.
Terno Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Lehmann
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.