Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 08.02.2017


BGH 08.02.2017 - IV ZR 543/15

Private Krankenversicherung: Vereinbarung eines jährlichen Selbstbehalts


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
08.02.2017
Aktenzeichen:
IV ZR 543/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:080217BIVZR543.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Wuppertal, 10. Dezember 2015, Az: 9 S 29/15, Urteilvorgehend AG Wuppertal, 29. Januar 2015, Az: 391 C 177/14
Zitierte Gesetze

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 10. Dezember 2015 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Der Kläger unterhält beim Beklagten eine private Krankenversicherung im Tarif "e.             ". Die Parteien streiten um die Auslegung des unter Ziffer 1.9 der Tarifbedingungen geregelten Selbstbehalts. Dort heißt es:

"Von den tariflichen Leistungen nach den Ziffern 1.1 bis 1.8 wird ein Jahresselbstbehalt abgezogen. Er beträgt je versicherte Person im Kalenderjahr maximal

nach Leistungsstufe 1                         200,00 EUR

..."

2

Weiter ist vereinbart, dass der Tarif als Teil III der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung nur gültig ist in Verbindung unter anderem mit Teil I, Musterbedingungen (MB/KK 09), in denen es unter anderem wie folgt lautet:

"§ 6 Auszahlung der Versicherungsleistungen

1. ...

1.1 Die Aufwendungen werden jeweils dem Kalenderjahr zugerechnet, in dem die Behandlung erfolgte bzw. die Mittel bezogen wurden.

..."

3

Der Kläger reichte bei dem Beklagten im Jahre 2014 zwei Erstattungsanträge für von ihm gezahlte ärztliche Honorare ein. Der erste Antrag betraf ärztliche Behandlungen im Jahre 2013, der zweite Antrag ärztliche Behandlungen in den Jahren 2013 und 2014. Der Beklagte rechnete diese in der Weise ab, dass er in beiden Fällen jeweils den Selbstbehalt von 200 € von den tariflichen Leistungen in Abzug brachte.

4

Der Kläger ist der Auffassung, dass der vereinbarte Selbstbehalt auf das Kalenderjahr der Antragstellung zu beziehen ist und deshalb nur einmal hätte abgezogen werden dürfen. Er begehrt zum einen die Zahlung von 200 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten und zum anderen die Feststellung, dass der Selbstbehalt in der Weise Anwendung findet, dass die Leistungen des Beklagten nur in den Jahren um den Selbstbehalt gekürzt werden, in denen der Beklagte Leistungen für den Kläger erbringt.

5

Der Beklagte meint, der Selbstbehalt beziehe sich auf das Kalenderjahr, in dem die Behandlung erfolgt sei.

6

In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben.

7

II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die den Selbstbehalt anordnende Klausel auch unter Berücksichtigung von § 305c Abs. 2 BGB nur so verstanden werden könne, dass der Selbstbehalt behandlungsbezogen immer dann anfalle, wenn die Beklagte aufgrund der Durchführung von Behandlungen und Maßnahmen zu deren Erstattung verpflichtet sei. Das ergebe sich aus dem Zweck der privaten Krankenversicherung, wonach die anfallenden Behandlungskosten vom Versicherer getragen werden sollen, und dem entspreche auch § 6 Nr. 1.1 der MB/KK 09.

8

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der er seine Klageanträge in vollem Umfang weiterverfolgt.

9

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor; der Rechtssache kommt - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

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1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dafür genügt es nicht, dass eine Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen abhängt. Erforderlich ist vielmehr, dass deren Auslegung über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (Senatsbeschluss vom 12. September 2012 - IV ZR 64/11, VersR 2013, 300 Rn. 6 m.w.N.; st. Rspr.).

11

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Weder das Berufungsgericht noch die Revisionsbegründung zeigen auf, dass die Auslegung der in Rede stehenden Selbstbehaltsklausel im vorgenannten Sinne umstritten ist. Es ist auch sonst nicht ersichtlich.

12

2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat die streitbefangene Klausel rechtsfehlerfrei ausgelegt.

13

Der Tarif bildet vorliegend den Teil III der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Senatsurteile vom 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15, VersR 2016, 1184 Rn. 22; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 unter III 1 b; st. Rspr.).

14

Ein solcher Versicherungsnehmer wird danach annehmen, dass er sich bei Vereinbarung eines jährlichen Selbstbehalts in der Krankenversicherung in Höhe des festgelegten Betrages an den in dem jeweiligen Jahr entstandenen Kosten beteiligen muss. Dabei drängt es sich auf, dass die vorgesehene Beteiligung an den anfallenden Kosten der Kalkulation einer niedrigeren Prämie dient. Bereits dieser Umstand legt es nahe, den jährlichen Selbstbehalt auf den tatsächlichen Anfall der Kosten und nicht auf die vom Versicherungsnehmer zu steuernde gewillkürte Zusammenfassung in Erstattungsanträgen zu beziehen.

15

Etwaige hieran noch aufkommende Zweifel werden jedenfalls durch die Regelung in § 6 Nr. 1.1 der ausdrücklich auch auf den Tarif anzuwendenden MB/KK 09 ausgeräumt. Indem dort gerade für die Auszahlung der Versicherungsleistungen bestimmt ist, dass die zu erstattenden Aufwendungen dem Behandlungsjahr zugerechnet werden, wird deutlich, dass ein bei der Auszahlung zu berücksichtigender Selbstbehalt eben nicht auf das Jahr des Erstattungsantrags zu beziehen ist. Spätestens aufgrund dieser Festlegung bleibt kein Raum für eine Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB.

16

Ebenso kommt es nicht darauf an, dass auch eine andere Regelung möglich gewesen wäre, wie sie - worauf sich der Kläger beruft - z.B. in den dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohnehin nicht bekannten öffentlich-rechtlichen Beihilferegelungen des Landes Berlin getroffen worden ist.

Mayen     

       

Dr. Karczewski     

       

Lehmann

       

Dr. Brockmöller     

       

Dr. Götz     

       

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.