Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 27.09.2017


BGH 27.09.2017 - IV ZR 506/15

Altvertrag über eine Rentenversicherung im Policenmodell: Drucktechnisch nicht hervorgehobene Widerrufsbelehrung; Verwirkung des Widerrufsrechts durch Einsatz der Versicherungsansprüche zur Kreditsicherung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
27.09.2017
Aktenzeichen:
IV ZR 506/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:270917BIVZR506.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG München I, 15. Oktober 2015, Az: 26 S 6543/15vorgehend AG München, 17. März 2015, Az: 158 C 7205/14
Zitierte Gesetze
§ 5a Abs 2 S 4 VVG vom 21.07.1994
§§ 812ff BGB

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I - 26. Zivilkammer - vom 15. Oktober 2015 gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin, im Folgenden: d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden: Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung und Herausgabe von Nutzungen.

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Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) abgeschlossen.

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Mit Schreiben vom 22. Februar 2012 und vom 9. März 2012 erklärte d. VN den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.

4

Mit der Klage hat d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts verlangt, insgesamt 3.996,18 €.

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Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Der Versicherer habe sie nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ihr auf die Berufung d. VN in Höhe von 1.573,15 € nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Versicherer die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

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II. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat d. VN aus ungerechtfertigter Bereicherung Anspruch auf Rückzahlung der Versicherungsprämien. D. VN habe dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 22. Februar 2012 widersprechen können. Die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Es könne dahingestellt bleiben, welche Widerspruchsbelehrung d. VN erhalten habe. Die von der Beklagten vorgelegte Widerspruchsbelehrung sei nicht in drucktechnisch deutlicher Form hervorgehoben. Auf der Rückseite der Police sei das Widerspruchsrecht unter der allgemeinen Überschrift "Wichtige Hinweise" im gleichen Druck wie die anderen Hinweise enthalten, es falle nicht ins Auge. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei europarechtswidrig und daher nicht anwendbar.

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Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts sei nicht eingetreten. Die Berufung auf das Widerspruchsrecht verstoße nicht gegen Treu und Glauben, obwohl der Vertrag jahrelang durchgeführt und auch als Kreditsicherheit verwendet worden sei. Bei einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung fehle es an dem erforderlichen Umstandsmoment. Es sei auch nicht ersichtlich, dass d. VN den Versicherungsvertrag noch als Kreditsicherheit verwendet habe, nachdem sie von ihrem noch bestehenden Widerspruchsrecht erfahren habe. D. VN könne somit die gezahlten Prämien und die tatsächlich gezogenen Nutzungen aus ungerechtfertigter Bereicherung herausverlangen und müsse sich den bereits gezahlten Betrag anrechnen lassen.

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III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

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1. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Verschiedene Oberlandesgerichte hätten mittlerweile auch in Fällen mit nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung Verwirkung des Rechts auf Widerspruch angenommen. Allerdings hat das Berufungsgericht diesbezüglich keinen Rechtssatz aufgestellt, der sich mit einem in einer Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 293). Zudem hat der Senat bereits entschieden, dass allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. einer Anwendung von § 242 BGB entgegensteht, nicht aufgestellt werden können und die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall grundsätzlich dem Tatrichter obliegt (Senatsbeschluss vom 11. November 2015 - IV ZR 117/15, juris Rn. 16). Dies gilt auch in Bezug auf eine fehlende oder fehlerhafte Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.

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2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat d. VN ohne Rechtsfehler Ansprüche auf Rückzahlung der Prämien und auf Herausgabe von Nutzungen aus ungerechtfertigter Bereicherung zuerkannt.

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a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.

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aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht belehrt habe. Es hat offen gelassen, ob d. VN gemäß dem von der Beklagten vorgelegten Muster über das Widerspruchsrecht belehrt wurde, und im Einzelnen dargelegt, dass diese Belehrung nicht in drucktechnisch deutlicher Form hervorgehoben sei. Diese Würdigung lässt auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keine revisionsrechtlich beachtlichen Fehler erkennen.

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In einem solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung bestand das Widerspruchsrecht auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17 ff.).

15

bb) Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass d. VN das Widerspruchsrecht nicht verwirkt habe. Zwar können auch in Fällen einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung die Geltendmachung des Widerspruchsrechts und das Verlangen nach einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Versicherungsvertrages nach Treu und Glauben unzulässig sein. Dementsprechend hat der Senat bereits tatrichterliche Entscheidungen gebilligt, die in Ausnahmefällen mit Rücksicht auf besonders gravierende Umstände des Einzelfalles auch dem nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs nach § 242 BGB verwehrt haben (Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230 Rn. 16; vom 11. November 2015 - IV ZR 117/15, juris Rn. 17). Allein den einmaligen Einsatz der Lebensversicherung als Kreditsicherungsmittel musste das Berufungsgericht nicht, wie die Revision meint, als besonders gravierenden Umstand werten, der d. VN die Geltendmachung ihres Anspruchs verwehrt. Der Einsatz der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung der Rechte eines Dritten aus einem Darlehensvertrag lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass d. VN in Kenntnis seines Lösungsrechtes vom Vertrag an diesem festgehalten und von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hätte. Ob ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf den Bestand des Versicherungsvertrages etwa bei einem - hier nicht gegebenen - engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung oder einer - hier nicht vorliegenden - mehrfachen Abtretung angenommen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15 aaO Rn. 16), bleibt der tatrichterlichen Beurteilung vorbehalten (Senatsurteil vom 1. Juni 2016 - IV ZR 482/14, VersR 2017, 275 Rn. 24). Diese ist hier aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

16

b) Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung des Anspruchs auf Prämienerstattung und auf Herausgabe von Nutzungen erhebt die Revision - zu Recht - keine Einwände.

Felsch     

      

Harsdorf-Gebhardt     

      

Lehmann

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Bußmann     

      

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.