Entscheidungsdatum: 21.12.2016
Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 29. Juli 2015 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2.129,87 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung.
Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Juni 2003 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts enthielt der Versicherungsschein eine Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F..
D. VN zahlte fortan die Versicherungsbeiträge. Mit Schreiben vom 25. Juni 2013 erklärte sie den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. und hilfsweise mit Schreiben vom 31. Juli 2013 die Kündigung des Versicherungsvertrages. Der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus.
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der bereits erbrachten Zahlungen.
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Sie sei nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt worden. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen, denn der Versicherer habe d. VN nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein ergäben sich nicht daraus, dass ein ausdrücklicher Hinweis auf die gebotene Textform nicht enthalten sei. D. VN könne dem Hinweis, dass die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung genüge, ohne weiteres entnehmen, dass seine Erklärung in gegenständlicher Form verkörpert sein müsse. Die damit in Lauf gesetzte Widerspruchsfrist von 14 Tagen sei zum Zeitpunkt des Widerspruchs schon abgelaufen gewesen.
II. Die Revision ist begründet.
1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch ist rechtzeitig erklärt worden.
aa) Die vierzehntägige Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht in Gang gesetzt worden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Die Widerspruchsbelehrung enthielt keinen Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG in der ab 1. August 2001 gültigen Fassung erforderliche, aber auch ausreichende Textform des Widerspruchs. Dieses Formerfordernis konnte d. VN nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge (Senatsurteil vom 22. Juli 2015 - IV ZR 35/14, juris Rn. 12; vgl. Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 26; vgl. auch Senatsurteil vom 25. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24). Dass, wie die Instanzgerichte und die Revisionserwiderung meinen durch die Belehrung die Textform abbedungen und d. VN die Möglichkeit eines Widerspruchs in jedweder verkörperten Form eingeräumt werden sollte, ist ihrem Text ebenfalls nicht zu entnehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230 Rn. 14; Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO und - IV ZR 448/14 aaO).
bb) Das Widerspruchsrecht bestand nach Ablauf der Jahresfrist nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift, wie der Senat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet hat.
b) Die Ausübung des Widerspruchsrechts d. VN ist hier - entgegen der Revisionserwiderung - auch nicht ausnahmsweise deshalb treuwidrig, weil d. VN während der Vertragslaufzeit mehrfach den sie betreuenden Versicherungsmakler wechselte und die jeweils beauftragten Makler Ansprüche auf die Bestandscourtage für den Vertrag anmeldeten. Dies sind keine besonders gravierenden Umstände (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. November 2015 - IV ZR 117/15, juris Rn. 17 und vom 27. Januar 2016 aaO Rn. 16), die im Ausnahmefall auch dem nicht ordnungsgemäß belehrten VN die Geltendmachung seines Anspruchs verwehren können. Selbst wenn sich d. VN - wie die Revisionserwiderung geltend macht - grundsätzlich die Kenntnis des Versicherungsmaklers nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss, konnte der Versicherer die Geltendmachung von Courtageansprüchen durch Versicherungsmakler nicht so verstehen, dass d. VN unabhängig von einem etwaigen Lösungsrecht unbedingt den Versicherungsvertrag fortsetzen wollte.
2. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 36 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 32 ff.) zu beachten haben.
Mayen |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Lehmann |
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Brockmöller |
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Bußmann |
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