Entscheidungsdatum: 21.12.2016
Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 1. April 2015 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 2.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Juli 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen.
D. VN zahlte fortan die Versicherungsbeiträge bis zur Beitragsaussetzung im März 2012. Mit Schreiben vom 22. November 2012 erklärte sie den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. und hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages. Der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus.
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der bereits erbrachten Zahlungen.
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil sie zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurden und zum anderen das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
Das Amtsgericht hat den Versicherer zur Zahlung von 54,35 € nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung d. VN und Anschlussberufung des Versicherers hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen, denn der Versicherer habe d. VN ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Dass die Widerspruchsbelehrung keine ausdrückliche Bestimmung über die Wahrung der Schriftform enthalte, stehe ihrer Ordnungsgemäßheit nicht entgegen. Die Ausübung des Widerspruchsrechts durch die ordnungsgemäß belehrte VN sei hier jedenfalls nach Bekanntgabe der Widerspruchsfrist bei Vertragsschluss im Jahr 1999, Vornahme mehrerer Vertragsänderungen und Zahlung der Prämien über viele Jahre widersprüchlich.
II. Die Revision ist begründet.
1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht, weil die Widerspruchsbelehrung keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben ist. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497 unter 3 b) konnte d. VN nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Selbst wenn ein verständiger Versicherungsnehmer nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24 und IV ZR 112/14, juris Rn. 12). Dass, wie das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung meinen, durch die Belehrung das Formerfordernis abbedungen werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230 Rn. 14 und Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24).
b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
aa) Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wie der Senat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet hat.
bb) Die Ausübung des Widerspruchsrechts d. VN ist hier - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung - auch nicht ausnahmsweise deshalb treuwidrig, weil d. VN wiederholt Vertragsänderungen und eine Übertragung des Vertrages auf einen Versicherungsmakler vorgenommen hatte. Die Annahme von Treuwidrigkeit kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der Versicherer d. VN bei Vertragsschluss - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt hat (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 39 m.w.N.) und es sich bei den von der Revisionserwiderung für eine Treuwidrigkeit angeführten Umständen auch nicht um solche handelt, die besonders gravierend sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. November 2015 - IV ZR 117/15, juris Rn. 17 und vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230 Rn. 16) und im Ausnahmefall auch dem nicht ordnungsgemäß belehrten VN die Geltendmachung des Anspruchs verwehren können.
2. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 36 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 32 ff.) zu beachten haben.
Mayen |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Lehmann |
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Bußmann |
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