Entscheidungsdatum: 25.05.2016
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 184.438,78 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem englischen Lebensversicherer, Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem im Jahre 2001 erfolgten Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages. Diese Versicherung war Bestandteil eines als "Europa-Anlageplan" bezeichneten Kapitalanlagemodells.
Weil sich der Vertragswert der Lebensversicherung nicht so entwickelte, dass damit die im Rahmen des Anlagemodells vorgesehene vollständige Tilgung vom Kläger aufgenommener Darlehen zu erwarten war, verlangt er, so gestellt zu werden, als hätte er sich an dem Anlagemodell nicht beteiligt. Er macht geltend, dass der Vermittler der Anlage ihn über die aus der Versicherung zu erwartenden Renditen, die Reservenbildung und -verwendung durch die Beklagte, das von ihr praktizierte Glättungsverfahren und die gewährten Garantien falsch und irreführend aufgeklärt habe. Diese Angaben müsse sich die Beklagte zurechnen lassen, weil sie über die Einzelheiten des Anlagekonzepts informiert gewesen sei, dieses aktiv gefördert habe und dem Vermittler die von ihm gemachten Angaben mit Wissen der Beklagten in entsprechenden Schulungen vermittelt worden seien.
Ende Dezember 2009 reichte der Kläger über seinen Anwalt bei der staatlich anerkannten Gütestelle eines Rechtsanwalts und Mediators in F. einen Güteantrag ein, von dem die Beklagte durch Schreiben der Gütestelle vom 17. März 2010 unterrichtet wurde. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2010, eingegangen bei der Gütestelle am 26. März 2010, mitgeteilt hatte, dass sie an dem Güteverfahren nicht teilnehmen werde, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 20. April 2010, eingegangen bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. April 2010, das Scheitern des Verfahrens fest. In § 7 Buchst. b der maßgeblichen Verfahrensordnung der Gütestelle heißt es: "Das Verfahren endet, (…) wenn eine Partei erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnehmen wird."
Am 10. Oktober 2012 hat der Kläger beim Landgericht Klage eingereicht, die der Beklagten am 8. November 2012 zugestellt worden ist. Mit dieser Klage hat er Zahlung von 199.915,66 € nebst Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihm den darüber hinausgehenden Schaden im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Europa-Anlageplan zu ersetzen habe, verlangt.
Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Klage hat in den Vorinstanzen im Wesentlichen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat die Beklagte für verpflichtet gehalten, den Kläger so zu stellen, als hätte er den Versicherungsvertrag mit der Beklagten und die weiteren im Zusammenhang mit der Zeichnung der Anlage stehenden Verträge nicht abgeschlossen, weil die Beklagte ein unzutreffendes, zu positives Bild ihrer eigenen Renditeerwartung gegeben habe. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten Aufklärungspflichtverletzungen könnten auf sich beruhen. Der Klageanspruch sei auch nicht verjährt.
Weder die kenntnisabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB noch die kenntnisunabhängige absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 199 Abs. 3 BGB seien vor Klageerhebung abgelaufen, weil der Lauf der Verjährungsfrist mindestens vom 31. Dezember 2009 bis zum 21. Oktober 2010 gehemmt gewesen sei, so dass Verjährung nicht vor dem 21. Oktober 2012 habe eintreten können. Das Güteverfahren habe eine Hemmung der Verjährung herbeigeführt; diese Hemmung habe gemäß § 204 Abs. 2 BGB erst sechs Monate nach dem Zeitpunkt geendet, in dem die Gütestelle dem Kläger mitgeteilt habe, dass die Beklagte am Güteverfahren nicht teilnehmen wolle. Kenntnis von der haftungsbegründenden Pflichtverletzung habe der Kläger erst im Jahre 2008 gehabt; dem Kläger könne es auch nicht als grob fahrlässig vorgeworfen werden, dass er den Gründen der schlechten Wertentwicklung der Anlage, die er aus den ihm übersandten Jahresübersichten erkennen konnte, nicht bereits früher nachgegangen sei.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegt allerdings die Wertung des Berufungsgerichts, dass die Verjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres 2008 zu laufen begonnen hat. Die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den Umständen anzunehmen ist, die seinen Anspruch begründen, ist eine solche des Einzelfalls, die der Beurteilung durch den Tatrichter aufgrund einer Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Umstände unterliegt (Senatsbeschlüsse vom 20. Mai 2015 - IV ZR 34/14, juris Rn. 30 und vom 10. Juli 2013 - IV ZR 88/11, VersR 2013, 1457 Rn. 12). Revisionsrechtlich erhebliche Fehler bei dieser Beurteilung durch das Berufungsgericht sind nicht ersichtlich.
2. Dagegen tragen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Annahme einer die Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nach §§ 195, 199 Abs. 1 sowie § 199 Abs. 3 BGB hindernden ausreichenden Hemmung nicht.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die zehnjährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat. Dies folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB.
b) Ebenso rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass mit der Einreichung des Güteantrags, der der Beklagten sodann "demnächst" bekanntgegeben wurde, eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB eintrat.
aa) Entgegen der Auffassung der Revision war der geltend gemachte Anspruch in dem Güteantrag bestimmt genug bezeichnet, um eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen.
Wie der Senat mit Urteil vom 28. Oktober 2015 (IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545) entschieden und im Einzelnen ausgeführt hat, genügt es in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um einen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungsmängeln infolge ungenügender Aufklärung über Besonderheiten des von der Beklagten angebotenen Versicherungsprodukts geht, wenn Policennummer, Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruches bezeichnet werden (aaO Rn. 19); dabei reicht es jedenfalls dann aus, dass sich diese Angaben lediglich in vorprozessualen Anspruchsschreiben befinden, wenn es sich um ein einzelnes Schreiben handelt, mit dem die Erkennbarkeit des Begehrens des Antragstellers gewährleistet wird, auf dessen Inhalt in dem Antrag ausdrücklich Bezug genommen ist und das dem Antrag beigefügt wurde (aaO Rn. 15 f.). Diesen Anforderungen ist im Streitfall Genüge getan.
bb) Des Weiteren stellte es keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Güteverfahrens dar, dass die Prozessbevollmächtigen des Klägers insgesamt 904 gegen die Beklagte gerichtete Güteanträge gleichzeitig bei der Gütestelle eingereicht haben, und ist es auch grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 Rn. 24 f. und IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 32 f.). Gesichtspunkte, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen würden (vgl. dazu Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 34 f.), hat die Beklagte im Streitfall in den Tatsacheninstanzen nicht mit ausreichender Substanz vorgebracht und auch keinen Beweis angetreten.
cc) Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Möglichkeit des Antragstellers, die Vollmacht nachzureichen, sowie zur Nichterforderlichkeit einer förmlichen Zustellung des Antrags sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass die Nachlauffrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB erst mit dem Zugang der Mitteilung der Gütestelle über das Scheitern des Verfahrens an die Prozessbevollmächtigten des Klägers zu laufen begann. Diese Frist begann vielmehr bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die Gütestelle die Mitteilung dieser Bekanntgabe veranlasst hat (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 Rn. 30 ff.).
Da das Berufungsgericht zum Zeitpunkt, in dem das auf den 20. April 2010 datierte Schreiben der Gütestelle an den Kläger veranlasst worden ist, keine Feststellungen getroffen hat, ist es offen, ob die Einreichung der Klage am 10. Oktober 2012 noch in nicht verjährter Zeit erfolgte. Die Sache ist daher zwecks Nachholung der erforderlichen Feststellung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Mayen Felsch Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann