Entscheidungsdatum: 10.07.2013
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 1. Juni 2012 gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
eines Monats
Stellung zu nehmen.
Streitwert: 1.876,13 €
Wie die Auslegung der Revisionsanträge anhand des Revisionsvorbringens ergibt, wendet sich die Klägerin, deren am 2. Juni 2005 verstorbener Ehemann bei der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) pflichtversichert war, im Revisionsverfahren - entsprechend der vom Berufungsgericht darauf beschränkten Revisionszulassung - allein gegen die Kürzung ihrer Betriebsrente für Witwen. Insoweit liegen die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Revision nach § 552a Satz 1 ZPO vor.
1. Den Bruttobetrag (von monatlich 310,79 €) der an die Klägerin zunächst seit dem 1. Juli 2005 gezahlten Betriebsrente für Witwen kürzte die Beklagte im Jahre 2009 rückwirkend zum 1. Dezember 2007 um die Hälfte, wonach - anstelle der ursprünglichen Nettozahlung von monatlich 254,39 € - eine Netto-Betriebsrente von monatlich 128,20 € verblieb, die sich später geringfügig erhöhte.
Zugrunde lag, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin nach marokkanischem Recht neben ihr mit einer weiteren Frau verheiratet war. Dieser hatte die Beklagte rückwirkend seit dem 1. Dezember 2007 ebenfalls eine Betriebsrente für Witwen bewilligt und deshalb den Bruttobetrag der vom Versicherten erdienten Betriebsrente für Witwen unter den beiden Berechtigten nach Kopfteilen aufgeteilt.
Die Klägerin meint, das sei ohne rechtliche Grundlage geschehen, und begehrt Nachzahlung der seit August 2009 vorgenommenen Kürzungen in Höhe von 1.876,13 €.
2. Gründe für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Satzung der Beklagten rechtsfehlerfrei ergänzend dahin ausgelegt, das Zusammentreffen zweier Berechtigungen auf eine Betriebsrente für Witwen führe entsprechend den Regelungen des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung und damit auch entsprechend Art. 25 Nr. 6 des Abkommens vom 25. Mai 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über soziale Sicherheit (Abk Marokko SozSich; BGBl 1986 II S. 552, 559) unabhängig von der jeweiligen Ehedauer zu einer Aufteilung des Rentenanspruchs nach Kopfteilen.
a) Die ergänzende Vertragsauslegung gehört zum Bereich tatrichterlicher Feststellungen und ist daher revisionsrechtlich nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungs- oder Ergänzungsregeln, Denk- oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1990 - V ZR 113/89, BGHZ 111, 110 unter 3). Daran gemessen erweist sich das Berufungsurteil als frei von Rechtsfehlern. Die Voraussetzungen für eine ergänzende Satzungsauslegung hat das Berufungsgericht als erfüllt angesehen, weil eine planwidrige Regelungslücke vorliegt und es Anhaltspunkte dafür gefunden hat, welche Regelung der Satzungsgeber getroffen hätte, wenn er den nicht geregelten Fall bedacht hätte (vgl. BGH aaO).
aa) Gegen die Annahme, das Zusammentreffen mehrerer Berechtigungen auf Witwenrente infolge einer Doppelehe werde nach dem jeweiligen Klauselwortlaut weder von der Verweisung auf die Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung in § 38 Abs. 1 Satz 2 VBLS noch von der Begrenzungsregelung in § 38 Abs. 3 VBLS erfasst, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwände, sondern stellt eine Regelungslücke der Satzung nur mit der Behauptung in Abrede, die Beklagte habe bewusst davon abgesehen, Witwenrenten beim Zusammentreffen mehrerer Berechtigter der Höhe nach zu begrenzen. Darin liegt aber lediglich der Versuch, die anderslautende tatrichterliche Würdigung, es entspreche dem generellen Willen des Satzungsgebers, Rentenansprüche mehrerer Hinterbliebener insgesamt auf die Höhe der vom verstorbenen Versicherten erreichten Betriebsrente zu begrenzen, durch eine eigene, der Klägerin günstigere Würdigung zu ersetzen.
bb) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, der Satzungsgeber hätte die Rentenhöhe bei Zusammentreffen mehrerer Witwenrenten begrenzt und nicht - wie die Revision meint - eine Regelung getroffen, nach der jede Witwe eines Versicherten die Witwenrente in voller Höhe erhält.
cc) Revisionsrechtlich ist schließlich auch nichts gegen die Annahme des Berufungsgerichts zu erinnern, die Satzung der Beklagten hätte sich an den Regelungen für die gesetzliche Rente in den §§ 34 SGB I, 91 SGB VI und insbesondere auch an Art. 25 Nr. 6 Abk Marokko SozSich orientiert, mithin eine Rententeilung nach Kopfteilen - und nicht proportional zur jeweiligen Ehedauer - vorgesehen (vgl. dazu BSG 87, 88 ff.). Nachdem die Bundesrepublik Deutschland die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen solcher polygamer Ehen im Verhältnis zum Königreich Marokko mit dem genannten Abkommen geregelt hat, spricht nichts dafür, dass die Tarifvertragsparteien oder die Beklagte für deren Zusatzversorgungssystem eine anderslautende Regelung getroffen hätten. Während das deutsche Recht insoweit keine eigenen Regeln für die Gewichtung der rentenrechtlichen Schutzwürdigkeit mehrerer Witwen entwickelt hat, werden mit dem genannten Abkommen stattdessen die Rechtsanschauungen des Kulturkreises übernommen, dem auch die Mehrehe der Beteiligten entspringt (vgl. dazu BSGE 87, 88).
b) Grundrechte der Klägerin sind durch die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht verletzt (vgl. BSGE 87, 88). Dass die Witwenrente unter den beiden Berechtigten auch proportional zur jeweiligen Ehedauer hätte aufgeteilt werden können, begründet keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es stellt bereits einen ausreichenden sachlichen Grund für die hier vorgenommene Aufteilung nach Kopfteilen dar, dass diese den in Art. 25 Nr. 6 Abk Marokko SozSich manifestierten marokkanischen Rechtsvorstellungen entspricht.
Wendt Felsch Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller