Entscheidungsdatum: 19.12.2012
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. Mai 2012 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen
vier Wochen.
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Erbvertrages in Anspruch. Mit notariellem Vertrag vom 15. April 1981 setzte die Klägerin den Beklagten zu ihrem Erben ein. Ferner verpflichtete sie sich, ihr Hausgrundstück ohne Zustimmung des Beklagten weder zu veräußern noch zu belasten. Im Falle eines Verstoßes sollte der Beklagte berechtigt sein, die sofortige unentgeltliche Übertragung des Grundstücks zu verlangen. Der Beklagte seinerseits verpflichtete sich, "die Erschienene zu 1. in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen, ohne daß dafür geldwerte Mittel von mir oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind".
Der Beklagte wohnte seit 1980 zunächst in einer eigenen Wohnung im Haus der Klägerin, bis er Anfang 1993 nach Auseinandersetzungen zwischen den Parteien auszog. Am 19. April 1999 forderte die Klägerin den Beklagten schriftlich unter Hinweis auf den Erbvertrag und seine Pflegeverpflichtung auf, bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig zu werden. Pflegeleistungen erbrachte der Beklagte in der Folgezeit nicht. Am 20. Juni 2007 zog die Klägerin in ein Alten- und Pflegeheim, wo sie sich auch gegenwärtig noch aufhält. Am 18. Januar 2008 erklärte sie den Rücktritt vom Erbvertrag unter Berufung darauf, dass sie seit Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang des Jahres 2005 in größerem Umfang auf Pflege angewiesen gewesen sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr mit Urteil vom 12. Januar 2010 stattgegeben. Der Senat hat dieses Urteil mit Beschluss vom 5. Oktober 2010 (IV ZR 30/10, ZEV 2011, 254) aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage nach ergänzender Beweisaufnahme erneut stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten.
II. Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
a) Das Berufungsgericht hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen. Nähere Ausführungen dazu, worauf sich der Zulassungsgrund im Einzelnen beziehen soll, enthält das Urteil nicht. Die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Ein solcher Anlass besteht für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292). Eine Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kommt neben den Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG insbesondere in Fällen der Divergenz in Betracht, wenn also die anzufechtende Entscheidung von derjenigen eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (BGH aaO 292 f.). Ferner kann die Zulassung der Revision wegen Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr bei Zugrundelegung eines falschen rechtlichen Obersatzes in Frage kommen.
b) Diese Zulassungsgründe liegen hier nicht vor. Vielmehr hat der Senat bereits mit seinem Beschluss vom 5. Oktober 2010 (IV ZR 30/10, ZEV 2011, 254) die für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen rechtlichen Grundsätze im Einzelnen dargelegt. Hiernach werden von dem Beklagten Pflege- und Dienstleistungen zur Betreuung der Klägerin im häuslichen Umfeld mit den ihm gegebenen persönlichen Möglichkeiten geschuldet (aaO Rn. 12). Eine gesonderte Geldzahlungsverpflichtung zum Ausgleich des sich für die Klägerin infolge ihres Umzugs in das Alten- und Pflegeheim ergebenden Aufwandes trifft den Beklagten nicht (aaO Rn. 10). Der Senat hat ferner klargestellt, dass für die Klägerin ein Rücktritt vom Erbvertrag gemäß § 2295 BGB auch im Falle der nachträglichen Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB in Betracht kommt (aaO Rn. 12). Voraussetzung hierfür ist, dass der Beklagte selbst ohne zusätzlich von ihm zu erbringenden finanziellen Aufwand nicht mehr in der Lage ist, für die Pflege der Klägerin zu sorgen. Das ist dann der Fall, wenn eine Pflege der Klägerin durch den Beklagten im häuslichen Bereich nicht mehr möglich ist, weil nur noch in einem Alten- und Pflegeheim eine adäquate medizinische und pflegerische Betreuung geleistet werden kann. Diesen Inhalt der Leistungsverpflichtung des Beklagten und den Begriff der Unmöglichkeit hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt. Dabei geht es entgegen der Auffassung der Revision nicht darum, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, selbst eine professionelle Pflege zu erbringen, wie sie geschultes Personal in einem Alten- und Pflegeheim zu leisten imstande ist. Maßgebend ist, dass die vom Beklagten zu leistende persönliche Pflege dann nicht mehr möglich ist, wenn der bezweckte Erfolg dieser häuslichen Pflege deshalb nicht mehr erreicht werden kann, weil bei der Klägerin ein Pflegebedarf besteht, der eine sachgerechte Betreuung nur noch durch professionelle Fachkräfte in einem Alten- und Pflegeheim erlaubt.
Ein so verstandener Begriff der Leistungsverpflichtung des Beklagten und der Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB führt nicht zu einer einseitigen Risikoübernahme seitens des vertraglich Bedachten (so Mayer, DNotZ 2012, 89, 95 f.). Vielmehr wird ein angemessener Risikoausgleich zwischen den Vertragsparteien erzielt. Der Beklagte ist persönlich lediglich zu Pflegeleistungen im Rahmen seiner Möglichkeiten im häuslichen Umfeld der Klägerin verpflichtet. Er muss sich ferner nicht an den finanziellen Lasten beteiligen, die mit dem Umzug der Klägerin in das Alten- und Pflegeheim und dem damit verbundenen Wegfall seiner Pflegeverpflichtung verbunden sind. Umgekehrt hat der Beklagte keinen Anspruch darauf, dass seine vertragliche Einsetzung als Erbe erhalten bleibt, wenn er selbst die von den Vertragsparteien vorgesehene Verpflichtung zur Pflege bisher tatsächlich nicht erbracht hat und auch in Zukunft nicht wird erbringen können.
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht - wie dargelegt - die Leistungspflicht des Beklagten rechtsfehlerfrei bestimmt. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass es in Übereinstimmung mit dem Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2010 eine nachträgliche Unmöglichkeit i.S. von §§ 2295, 275 Abs. 1 BGB für den Fall angenommen hat, dass eine adäquate medizinische und pflegerische Versorgung der Klägerin durch den Beklagten im häuslichen Bereit Mitte des Jahres 2007 nicht mehr möglich war. Das Berufungsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme schließlich auch rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass dies der Fall war. Hierbei hat es sich auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. B. sowie die Aussagen der Zeugen S. und Dr. W. gestützt. Die Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme obliegt dem Tatrichter. Sie ist im Revisionsverfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob dieser sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist sowie nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungsgesetze verstößt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO 29. Aufl. § 546 Rn. 13; Zöller/Greger ebenda § 286 Rn. 23). Derartige Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Der Senat hat die Einwendungen der Revision geprüft und erachtet sie für nicht durchgreifend.
Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO liegt ebenfalls nicht vor. Die Sachverständige hat die für sie maßgebenden Umstände in dem schriftlichen Gutachten vom 5. Januar 2012 sowie in ihrer Anhörung vom 9. Mai 2012 im Einzelnen dargelegt. Wenn der Beklagte meint, dass er selbst oder ihn unterstützende Familienangehörige gleichwohl in der Lage seien, den von der Sachverständigen umschriebenen Pflegebedarf zu erfüllen, so hätte er dies bereits im Berufungsverfahren vortragen können und müssen. Eines gesonderten Hinweises des Berufungsgerichts hierzu bedurfte es nicht.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller