Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 18.04.2012


BGH 18.04.2012 - IV ZR 193/10

Schadensersatzklage gegen ein englisches Lebensversicherungsunternehmen: Anerkennungsfähigkeit eines gerichtlich genehmigten Vergleichsplans nach englischem Gesellschaftsrecht; Verjährung eines Schadensersatzanspruchs aus vorvertraglichem Verschulden


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
18.04.2012
Aktenzeichen:
IV ZR 193/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 8. Juni 2010, Az: 14 U 129/09, Urteilvorgehend LG Kassel, 27. Mai 2009, Az: 4 O 2562/07, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 8 EGV 44/2001
Art 12 Abs 1 EGV 44/2001
Art 35 EGV 44/2001
§ 12 Abs 1 aF VVG
§ 425 CompA GBR 1985

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger machen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche anlässlich des Abschlusses einer englischen Rentenversicherung mit Überschussbeteiligung geltend.

2

Die Beklagte, ein englisches Versicherungsunternehmen, vertrieb bis 2001 über Mitarbeiter ihrer deutschen Niederlassung Lebens- und Rentenversicherungen mit Überschusssystem. Bei der Vermarktung ihrer Produkte stellte sie ihre hohen Überschüsse aus der Vergangenheit mit Werten deutlich über denen ihrer deutschen Mitbewerber heraus.

3

Mit Wirkung zum 31. Juli 2000 schlossen die Kläger bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag über eine "Sofort beginnende Rentenversicherung" ab. Hiernach war gegen Zahlung eines Einmalbetrages von 500.000 DM eine Jahresrente von 41.415 DM zu zahlen, wobei sich dieser Betrag jährlich um 8% verringerte. Der Vertrag unterfällt gemäß den ihm zu Grunde liegenden Versicherungsbedingungen deutschem Recht. Nach den Bestimmungen zur Überschussbeteiligung in Nr. 2 der "weiteren Vereinbarungen" werden zunächst jährlich festgesetzte Überschussbeteiligungen dem jeweiligen Vertrag zugeordnet und Teil der vertraglich garantierten Leistung. Ferner kann bei vertragsgemäßer Fälligkeit von Versicherungsleistungen eine weitere Beteiligung an den Überschüssen in Form einer Schlussüberschussbeteiligung in Betracht kommen. Die Kläger finanzierten den zu leistenden Einmalbeitrag über ein Bankdarlehen zu 6,2% Zinsen jährlich. Ab 2003 brachen die Überschusszuteilungen der Beklagten ein.

4

Mitte der 1990er Jahre bekam die Beklagte Schwierigkeiten mit Verträgen britischer Bestandskunden. Seit 1957 hatte sie in Großbritannien Versicherungsverträge mit garantierter Ablaufleistung (sog. "Guaranteed Annuity Rate", abgekürzt "GAR") abgeschlossen. Hiernach hatten die Versicherungsnehmer bei Fälligkeit der Versicherung das Wahlrecht zwischen einer bestimmten garantierten Rente und der zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Überschussrate, d.h. der am Kapitalmarkt durch die Beklagte erwirtschafteten Rente. Ferner enthielten zahlreiche Verträge auch garantierte Anlageerträge (sog. "Guaranteed Interest Rate", abgekürzt "GIR"), die dem jeweiligen Versicherungsnehmer einen jährlichen Mindestwertzuwachs gewährleisteten. Ab 1993 fielen die Zinssätze am Kapitalmarkt unter die Rentensätze bei garantierter Ablaufleistung, woraufhin Versicherungsnehmer die vertraglich zugesagte höhere Rente wählten. Den hieraus resultierenden finanziellen Belastungen begegnete die Beklagte dadurch, dass sie bei Inanspruchnahme einer im Vertrag garantierten Rente einen geringeren Schlussüberschussanteil zuteilte als bei Wahl der am Kapitalmarkt erwirtschafteten Rente (sog. "differentielle Schlussüberschusspolitik"). Diese Praxis wurde der Beklagten im sogenannten "Hyman-Urteil" des britischen House of Lords vom 20. Juli 2000 letztinstanzlich untersagt. Ihr wurde darin weiterhin verboten, den erforderlichen Mittelausgleich allein zwischen den Verträgen mit garantierter Ablaufleistung GAR vorzunehmen. Die Auszahlung der höheren garantierten Renten war deshalb nur zu Lasten der Überschussbeteiligungen auch der übrigen Verträge ohne garantierte Rente möglich.

5

Im August 2000 unterrichtete die Beklagte die Kläger über die Ergebnisse des "Hyman-Urteils". In dem Rundschreiben heißt es u.a.:

"Es war schon immer die Unternehmensphilosophie der E.    L.   , die Gewinne in möglichst hohem Umfang in Form von zeitnahen Überschüssen an die Versicherungsnehmer weiterzugeben, anstatt hohe Reserven zu bilden, was zu geringeren Renditen für die Versicherungsnehmer führen würde. Im Gegensatz zu anderen britischen Versicherungsunternehmen, die ebenfalls GAR-Policen vertrieben haben, hat E.    L.   daher keine zusätzlichen Reserven, die zur Abdeckung der nun höheren Leistungen der GAR-Verträge herangezogen werden könnten. ..."

6

Die Beklagte führte in der Folgezeit ein sogenanntes Vergleichsplanverfahren ("Scheme of Arrangement") nach § 425 des britischen Companies Act 1985 durch. Dieses sieht im Ergebnis vor, dass die Versicherungsnehmer auf Ansprüche, die in Zusammenhang mit den Verträgen mit garantierter Ablaufleistung GAR stehen, verzichten und dafür ihr Versicherungswert um 2,5% erhöht wird. Der Vergleichsplan bestimmt insoweit:

"4.1 Am und mit Wirkung vom Tag des Wirksamwerdens:

...

(c) werden alle mit GAR zusammenhängenden Ansprüche, die ein unter die Regelung fallender Versicherungsnehmer in Verbindung mit dem überschussbeteiligten GAR- und/oder Nicht-GAR-Fonds unter Umständen oder mit Sicherheit hat, aufgehoben und vollständig, endgültig und unwiderruflich erledigt; und

(d) werden vorbehaltlich Klausel 5, 8 und 12:

...

ii) die Nicht-GAR-Versicherungswerte und die Nicht-GAR-Garantiewerte einer unter die Regelung fallenden Versicherung jeweils in Übereinstimmung mit den Vorkehrungen in Teil B des Anhangs erhöht."

7

Im Zuge dieses Verfahrens versandte die Beklagte umfangreiches Informationsmaterial an die Kläger. Hierzu gehörte eine im Dezember 2001 übermittelte Broschüre mit dem Titel "Antworten auf Ihre Fragen", in der es auszugsweise heißt:

"Die Zahlung der Leistungen aus Rentenversicherungen mit einem garantierten Rentensatz (GAR), die die Society bis 1988 abgeschlossen hat, kostet heutzutage und vielleicht auch in Zukunft mehr, als die Society erwartet hatte; und die Society kann nicht wissen, wie viel die GAR-Leistungen in den nächsten 40 Jahren tatsächlich kosten werden. … Versicherungsnehmer ohne garantierten Rentensatz (Nicht-GAR-Versicherungsnehmer) können unter Umständen Ansprüche gegenüber der Society geltend machen, weil sie über das Bestehen oder die potentielle kostenmäßige Auswirkung der GAR nicht informiert oder nicht richtig informiert wurden. Diese Ansprüche sind in der Beschreibung der mit GAR zusammenhängen Ansprüche inbegriffen. Sämtliche Kosten werden von den überschussbeteiligten Versicherungsnehmern der Society getragen. Wenn die verschiedenen Ansprüche nicht erledigt werden, könnten die zu ihrer Beilegung erforderlichen Maßnahmen die Überschussanteile auf Jahre hinaus belasten. Dies bedeutet, dass der Wert Ihres überschussbeteiligten Vertrages gefährdet ist. Er ist bereits beeinträchtigt worden und wird möglicherweise nicht mehr so schnell steigen, wie er ohne diese Probleme gestiegen wäre."

8

Im "Vorschlag einer Vergleichsregelung", den die Kläger erhielten, ist weiterhin ausgeführt:

"Der historische Ansatz der Society hinsichtlich des Finanzmanagements zeichnete sich durch die folgenden zwei Merkmale aus:

(i) dem sehr geringen Eigenkapital (falls überhaupt vorhanden)

Da die Anlagerenditen geglättet wurden, entspricht der Betrag, um den die Versicherungswerte angehoben wurden, nicht genau der Rendite, die tatsächlich aus dem angelegten Vermögen erzielt wird. Das heißt, dass die Gesamtsumme aller Versicherungswerte größer sein kann als der Gesamtwert des Vermögens. ...

Am 31. Dezember 2000 überstieg die Gesamtsumme der Versicherungswerte den Vermögenswert um rund 10%. ..."

9

An anderer Stelle heißt es:

"Darüber hinaus ist die Sterblichkeitstabelle, die für die Versicherungen mit GAR-Rechten verwendet wurde, überholt, da die menschliche Lebenserwartung gestiegen ist und Renten demzufolge länger ausgezahlt werden. Im Gegensatz zu den GAR der Society werden die aktuellen von der Society und anderen Rentenanbietern angebotenen Rentensätze unter Bezugnahme auf aktuelle Sterblichkeitstabellen berechnet, bei denen davon ausgegangen wird, dass Rentenempfänger erheblich länger leben als zu dem Zeitpunkt angenommen wurde, als die GAR für die Versicherungen mit Überschussbeteiligung mit GAR-Rechten berechnet wurden."

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Die Kläger sehen zahlreiche Aufklärungspflichtverletzungen der Beklagten. Diese habe ihnen folgende Umstände nicht offenbart: riskantes Überschussmodell, unzureichend gebildetes Deckungskapital, überhöhte Zuteilung von Überschüssen in der Vergangenheit, unzureichende Sterblichkeitsrückstellungen, Garantieversprechen in Verträgen britischer Bestandskunden und Quersubventionierung von Altverbindlichkeiten durch neue Versicherungsnehmer. Außerdem sei ihre Werbung mit Überschüssen irreführend gewesen. Bei korrekter Aufklärung hätten sie keine Rentenversicherung mit Überschussbeteiligung bei der Beklagten abgeschlossen und infolgedessen auch kein Bankdarlehen zur Finanzierung des Einmalbetrages der Versicherung aufgenommen.

11

Die Beklagte meint, die Kläger seien an der Geltendmachung von Ansprüchen gehindert, da der Vergleichsplan nach englischem Gesellschaftsrecht durch die erteilte gerichtliche Genehmigung allen vom Vergleichsplan betroffenen Versicherungsnehmern gegenüber wirksam geworden sei. Hilfsweise erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung, weil sie in den Jahren 2000 und 2001 im Zuge der Information über die Ergebnisse des Hyman-Verfahrens und den Vorschlag eines Vergleichsplans die Kläger umfassend über die von ihnen behaupteten Unregelmäßigkeiten informiert habe und daher Verjährung spätestens Ende 2004 eingetreten sei.

12

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hiergegen ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

14

I. Das Berufungsgericht hat dem englischen Vergleichsplanverfahren keine Sperrwirkung zugebilligt. Alle geltend gemachten Ansprüche seien aber nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Dies gelte auch bezüglich der Aufklärungspflichtverletzung, die auf die Verwendung veralteter Sterbetafeln gestützt worden sei. Aus den von der Beklagten übersandten Unterlagen habe sich erschlossen, dass neben den vorgeworfenen strukturellen Defiziten (Überschussmodell, Bildung von Reserven, Deckungskapital) auch kalkulatorische Versäumnisse vorgelegen hätten. Den Klägern sei weiterhin der einheitliche Haftungspool bekannt gewesen. Für die Kenntnis der behaupteten Aufklärungspflichtverletzung bezüglich unzureichender Sterblichkeitsrückstellungen sei ausreichend gewesen, dass die Beklagte versicherungsmathematische Fehler hinsichtlich der Gesamtheit der Verbindlichkeiten aufgezeigt habe.

15

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

16

1. Die Klage ist  wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat  zulässig. Die gerichtliche Genehmigung ("court order") eines Vergleichsplans ("Scheme of Arrangement") nach englischem Gesellschaftsrecht (Sect. 425 Companies Act 1985) steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.

17

Wie der Senat in seinem Urteil vom 15. Februar 2012 (IV ZR 194/09, juris Rn. 19 ff.) ausgeführt hat, ist das Vergleichsplanverfahren kein anerkennungsfähiges ausländisches Insolvenzverfahren. Eine Anerkennung nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) findet nicht statt. Ihr stehen bei einem Vergleichsplan, der wie hier eine private Rentenversicherung betrifft, jedenfalls die Vorschriften über die Zuständigkeit in Versicherungssachen gemäß Artt. 8, 12 Abs. 1, 35 EuGVVO entgegen. Art. 8 EuGVVO ist in autonomer Weise weit auszulegen und erfasst alle Streitigkeiten, die sich auf den Abschluss, die Auslegung, die Durchführung und die Beendigung eines Versicherungsvertrages beziehen (Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. Art. 8 EuGVVO Rn. 15). Mit dem Schutzgedanken des Art. 8 EuGVVO ist es nicht zu vereinbaren, dass - wie durch den gerichtlich genehmigten Vergleichsplan vorgesehen - Rechte eines Versicherungsnehmers grundlegend umgestaltet werden, ohne hierbei den Gerichtsstand des Art. 12 Abs. 1 EuGVVO einhalten zu müssen (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 27).

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2. Die Mehrzahl, jedoch nicht alle der von den Klägern geltend gemachten Schadenersatzansprüche sind verjährt.

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a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, richtet sich die Verjährung der auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzansprüche aus vorvertraglichem Verschulden nicht nach § 12 Abs. 1 VVG a.F., sondern nach den §§ 195, 199 BGB (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 29; Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2009 - IV ZR 195/08, VersR 2010, 373 Rn. 12). Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

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b) Die von den Klägern vorgetragenen verschiedenen Aufklärungspflichtverletzungen sind kein einheitlicher Vorgang und daher getrennt darauf zu untersuchen, ob Verjährung eingetreten ist. Mehrere Handlungen sind auch dann, wenn sie gleichartig sind und auf einem einheitlichen Vorsatz des Schädigers beruhen, nicht unter dem Gesichtspunkt eines zusammenhängenden Gesamtverhaltens als Einheit zu betrachten. Vielmehr stellt jede Handlung, die eigene Schadenfolgen zeitigt und dadurch zu dem Gesamtschaden beiträgt, verjährungsrechtlich eine neue selbständige Schädigung dar und erzeugt daher einen neuen Ersatzanspruch mit eigenem Lauf der Verjährungsfrist (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 30; BGH, Urteile vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, juris Rn. 15 und vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, NJW 2008, 506 Rn. 16 f.).

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c) Mangelnde Fälligkeit steht dem Beginn der Verjährung nicht - anders als die Kläger meinen - entgegen. Zwar ist der hierfür maßgebliche Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist; der Eintritt einer risikobehafteten Situation reicht dafür regelmäßig nicht aus. Jedoch kann der auf einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, weil seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage bereits für sich genommen einen Schaden darstellen und ihn deshalb - unabhängig von der ursprünglichen Werthaltigkeit der Anlage - dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung zu verlangen; der Anspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der Anlage (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 31; BGH, Urteile vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn. 10; vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152, Rn. 24; vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 46 und vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306, 309 f.; jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier.

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d) Die Feststellung, ob und wann Gläubiger positiv Kenntnis von bestimmten Umständen hatten oder ob ihre Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung zwar nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist, und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 32; BGH, Urteile vom 15. Juni 2010 - XI ZR 309/09, NJW-RR 2010, 1574, Rn. 13; vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07, WM 2008, 2155, Rn. 17). Die Frage, wann eine für den Beginn der Verjährung hinreichende Kenntnis vorhanden ist, ist jedoch nicht ausschließlich Tatfrage, sondern wird maßgeblich durch den der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegenden Begriff der Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt (BGH aaO). Nach diesen Grundsätzen können die behaupteten Ansprüche wegen angeblicher Aufklärungspflichtverletzungen nur teilweise als verjährt angesehen werden.

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aa) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler Verjährung von Ansprüchen aus Aufklärungspflichtverletzungen angenommen, die im Zusammenhang mit den GAR- und GIR-Verträgen, der differentiellen Schlussüberschusspolitik, dem "Hyman-Urteil", dem angeblichen riskanten Überschussmodell sowie dem behaupteten unzureichenden Deckungskapital stehen. Insoweit hatte die Beklagte im Schreiben vom August 2000 und den Informationsunterlagen vom Dezember 2001 alle kenntnisbegründenden Umstände mitgeteilt. Den Klägern war entgegen ihrer Ansicht bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die abgeschlossene Versicherung nicht ihren Anlagezielen entsprach. Aus dem "Vorschlag einer Vergleichsregelung" ergibt sich, dass die "Sofort beginnende Rentenversicherung" der Kläger aufgrund ihrer Versicherungsnummer nicht zu den sogenannten "Deutschen Sonderversicherungen" gehört, die vom Vergleichsplan nicht betroffen waren. Daher gehörten die Kläger zum Adressatenkreis der Schreiben der Beklagten. Auf Grund der von der Beklagten in ihren Mitteilungen offenbarten Vermögenslage konnten die Kläger nicht damit rechnen, dass die jährlich um 8% fallenden garantierten Auszahlungen aus ihrem Vertrag durch jährlich entsprechend immer weiter steigende Überschusszahlungen kompensiert werden, um dauerhaft pro Jahr das - im Hinblick auf die Fremdfinanzierung der Einmalzahlung - bei der Anlageentscheidung der Kläger von diesen zu Grunde gelegte Renditeniveau zu erreichen.

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bb) Ebenso verjährt ist der Anspruch aus Aufklärungspflichtverletzung wegen angeblich überhöhter Überschusszahlungen. Das Berufungsgericht hat die Passage aus dem "Vorschlag eines Vergleichsplans" berücksichtigt, in der die Beklagte offenbart, dass sich der historische Ansatz ihres Finanzmanagements u.a. durch das "sehr geringe Eigenkapital (falls überhaupt vorhanden)" auszeichnete und Ende 2000 die Gesamtsumme der Versicherungswerte den Vermögenswert um rund 10% überstieg, mit anderen Worten eine gravierende Unterdeckung vorlag. Damit wurde offen gelegt, dass die Überschussbeteiligungen in der Vergangenheit zu hoch waren, weil Versicherungswerte wie die Überschüsse ohne Rücksicht auf die vorhandenen Vermögenswerte und ein hinreichendes Eigenkapital ausgewiesen worden waren.

25

cc) Dagegen ist Verjährung nicht eingetreten, soweit die Kläger behaupten, über unzureichende Sterblichkeitsrückstellungen der Beklagten nicht aufgeklärt worden zu sein.

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Zwar muss der Versicherer grundsätzlich keine Einzelauskünfte über seine Geschäftspolitik erteilen. Wirbt er jedoch wie hier mit Überschussanteilen aus der Vergangenheit, so muss er den Interessenten darüber aufklären, wenn sich bei Vertragsschluss abzeichnet, dass die in der Vergangenheit erzielten Überschüsse z.B. aufgrund veränderter durchschnittlicher Lebenserwartung unwahrscheinlich bis ausgeschlossen sind (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 38; OLG Düsseldorf VersR 2001, 705; vgl. auch OLG Koblenz VersR 2000, 1357; MünchKomm-VVG/Wandt, Vorb. §§ 6, 7 Rn. 50). Der Hinweis, dass Überschüsse aus der Vergangenheit nicht garantiert werden könnten oder Prognosen über die künftige Entwicklung unverbindlich seien, reicht hierfür nicht aus.

27

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die Mitteilungen der Beklagten den Klägern keine hinreichende Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen verschafft. Die daraus vom Berufungsgericht herangezogenen Textpassagen offenbaren nur mangelnde Sterblichkeitsrückstellungen von GAR-Verträgen und betreffen nicht den Vortrag der Kläger, ihr Vertrag ohne GAR-Rechte weise unzureichende Sterblichkeitsrückstellungen auf. Soweit sich die Kläger weitergehend darauf berufen, dass es auch bei anderen Versicherungstarifen unzureichende Sterblichkeitsrückstellungen gegeben habe, die Beklagte deshalb zu Sonderrückstellungen gezwungen gewesen sei und dies wegen des einheitlichen Haftungspools zu Lasten der Überschussbeteiligung ihres Vertrages gehe, ist hinreichende Tatsachenkenntnis nicht gegeben. In den vom Berufungsgericht herangezogenen Unterlagen wurde nicht offenbart, dass erhöhte Rückstellungen in Folge geänderter Sterblichkeitsannahmen notwendig waren und diese wirtschaftlich zu Lasten des Vertrages der Kläger gingen. Angesichts der Komplexität der Materie und der Informationsmaterialien ist kein Raum für eine grob fahrlässige Unkenntnis gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

28

III. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil Feststellungen zu dem nicht verjährten Anspruch fehlen. Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass es bei der Frage der Kausalität der behaupteten Aufklärungspflichtverletzung bezüglich der Verwendung veralteter Sterbetafeln für das Zustandekommen des Vertrages nicht erforderlich ist, dass gerade die unzureichenden Sterblichkeitsrückstellungen zu dem Wertverfall der Versicherung geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 40; BGH, Urteil vom 5. Juli 1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 111).

Mayen                                                     Wendt                                               Felsch

                       Harsdorf-Gebhardt                                     Dr. Karczewski