Entscheidungsdatum: 09.05.2012
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 9. Zivilsenat, vom 21. Dezember 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin, welche Verbraucher- und Lebensmittelsupermärkte betreibt, fordert eine Versicherungsleistung in Höhe von 500.000 € aus einer Vertrauensschadenversicherung, der Allgemeine Bedingungen der Beklagten (zuletzt AVB-Vertrauensschaden 2006, im Folgenden AVB) zugrunde liegen. Der Versicherungsschutz des bereits seit 1999 bestehenden Versicherungsverhältnisses wurde beginnend ab dem 1. Januar 2006 gemäß § 2 1. e) AVB auf Schäden erweitert,
"die dem Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Versicherungsvertrages als Täuschungsschäden von außenstehenden Dritten durch jede Form von Betrug, Urkundenfälschung oder Urkundenunterdrückung in der Absicht, sich selbst oder einen Dritten rechtswidrig zu bereichern, zugefügt werden …"
Für solche während eines Versicherungsjahres entdeckte Schäden ist der Versicherungsschutz gemäß § 10 Nr. 4 AVB auf insgesamt höchstens 1.000.000 € begrenzt; im Versicherungsschein ist eine Selbstbeteiligung der Klägerin in Höhe von 500.000 € vereinbart
Seit Ende 1986 hatte die Klägerin die Bargeldentsorgung ihrer Filialen von Unternehmen der mit Geld- und Werttransporten befassten HEROS-Gruppe durchführen lassen. Diese hatten es übernommen, Geld bei den Filialen der Klägerin abzuholen, auszuzählen und auf ein von der Klägerin benanntes Kontos einzuzahlen. Ihrer Verpflichtung kamen die HEROS-Unternehmen seit Mitte der 1990er Jahre wegen beginnender finanzieller Schwierigkeiten nur noch eingeschränkt nach. Unter anderem um Liquiditätsengpässe auszugleichen, wurden zunehmend die im Zuge von Transportaufträgen entgegengenommenen Gelder nicht sogleich den Konten der jeweiligen Auftraggeber gutgebracht, sondern zu Teilen zur Befriedigung anderweitig offen stehender Forderungen, zuletzt auch für Privatentnahmen der HEROS-Verantwortlichen, verwendet. Der Ausgleich für die dadurch zunächst geschädigten Auftraggeber erfolgte zeitverzögert durch entsprechende Zugriffe auf spätere Geldtransporte, so dass die Auskehrung der Gelder sich zwar - meist nur um einen Tag - verzögerte, die Fehlbeträge im Übrigen aber lange Zeit nicht auffielen. Daraus entwickelte sich eine vielfach als "Schneeballsystem" bezeichnete Dynamik wachsender Finanzierungslücken (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 25. Mai 2011 - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918).
Im Februar 2006 kam es zum Zusammenbruch der HEROS-Gruppe und zur Verhaftung ihrer führenden Mitarbeiter. Im nachfolgenden Strafverfahren wurde der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der HEROS-Unternehmen vom Landgericht Hildesheim mit Urteil vom 23. Mai 2007 wegen Untreue in 156 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Insolvenzverschleppung, Untreue und Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Auch drei weitere leitende HEROS-Verantwortliche erhielten hohe Haftstrafen. Das Urteil ist rechtskräftig (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427).
Zahlreiche Auftraggeber erlitten im Zuge des Zusammenbruchs der HEROS-Gruppe Verluste. Bei der Klägerin wurden die zuletzt am 17. und 18. Februar 2006 von HEROS-Mitarbeitern abgeholten Filialeinnahmen von 3.001.860 € und 3.260.250 € nicht mehr dem vorgesehenen Konto gutgebracht. Nach späteren Zahlungen des Insolvenzverwalters der HEROS-Gruppe in Höhe von 3.317.619,97 € verblieb ein Schaden von 2.944.490,03 €.
Erstmals mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 forderte die Klägerin eine Versicherungsleistung von der Beklagten. Diese hält sich für leistungsfrei, weil ein bedingungsgemäßer Betrugsschaden nicht vorliege, die Klägerin den Schaden entgegen § 12 1. AVB nicht unverzüglich angezeigt und im Übrigen durch ihre Mitarbeiter grob fahrlässig mitverursacht habe; schließlich sei jedenfalls Verjährung eingetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht meint, auch wenn die Untreue, wegen der die Verantwortlichen der HEROS-Gruppe strafrechtlich verurteilt worden sind, nicht als Betrugshandlung im Sinne von § 2 1. e) AVB gelten könne, komme es darauf im Ergebnis nicht an, weil ein bedingungsgemäßer, durch Betrug verursachter Täuschungsschaden vorliege. Das von der HEROS-Gruppe praktizierte Schneeballsystem habe Täuschungselemente enthalten. Diese seien insbesondere in den zahlreichen Schreiben der zur HEROS-Gruppe gehörenden NordCash Geldbearbeitungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Firma NordCash) zu finden, welche wiederholt Zahlungsverzögerungen mit wahrheitswidrigen Erklärungen entschuldigt und damit zugleich über die Redlichkeit des Geschäftspartners getäuscht habe. Der so hervorgerufene Irrtum der Klägerin habe zur Fortsetzung ihrer Vertragsbeziehung mit der HEROS-Gruppe geführt. Da das letzte Entschuldigungsschreiben vom 4. Januar 2006 datiere, sei der hier in Rede stehende Schaden durch eine nach dem 1. Januar 2006 verübte Täuschung und mithin in versicherter Zeit herbeigeführt worden. Ein schon vorher einsetzender, gedehnter Versicherungsfall liege nicht vor. Der Verlust der Tageseinnahmen vom 17. und 18. Februar 2006 stelle vielmehr einen neuen Versicherungsfall dar. Ob - was zweifelhaft sei - allein schon in der jeweiligen Abholung des Geldes eine konkludente Täuschungshandlung der HEROS-Verantwortlichen liege, könne dabei offen bleiben.
Der Anspruch der Klägerin sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beginne gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. erst, wenn die Leistung verlangt werden könne, mithin fällig sei. Das sei nach § 16 AVB erst der Fall, wenn die Leistungspflicht des Versicherers nach Grund und Höhe nachgewiesen sei, was hier nicht vor Abschluss des gegen die HEROS-Verantwortlichen gerichteten Strafverfahrens habe angenommen werden können.
Eine grob fahrlässige Mitverursachung des Schadens durch Vertrauenspersonen der Klägerin liege nicht vor. Auch die objektive Verletzung der Obliegenheit, den Schaden unverzüglich anzuzeigen (§ 12 1. AVB), führe nicht zur Leistungsfreiheit, weil die Klägerin plausibel dargelegt habe, dass ihr der erstmals zum 1. Januar 2006 erweiterte Versicherungsschutz auf von außenstehenden Dritten verursachte Schäden erst spät bewusst geworden sei. Scheide deshalb die Annahme einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung aus, sei die Beklagte nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. nicht leistungsfrei, weil die verspätete Anzeige keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder des Leistungsumfangs gehabt habe.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat der Klägerin die Versicherungsleistung in Höhe von 500.000 € nach § 2 1. e) AVB zu Recht zugesprochen.
1. Für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden ist Versicherungsschutz nach § 2 1. e) AVB vereinbart.
a) Die Unternehmen der HEROS-Gruppe waren außerhalb des Versicherungsvertrages stehende Dritte. Sie haben der Klägerin mit der nicht ordnungsgemäßen Verbuchung der am 17. und 18. Februar 2006 abgeholten Filialeinnahmen einen Schaden von zunächst 6.262.110 € verursacht, der inzwischen durch Ausgleichszahlungen des HEROS-Insolvenzverwalters auf 2.944.490,03 € verringert worden ist.
b) Dabei handelt es sich um einen bedingungsgemäßen durch Betrug verursachten Täuschungsschaden. Die Klausel, nach der "jede Form von Betrug" erfasst werden soll, gilt aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der bei Versicherungsverträgen der in Rede stehenden Art geschäftserfahren ist, jedenfalls auch für die in § 263 Abs. 1 StGB definierte Straftat. Ein solcher Betrug liegt hier vor.
aa) Die Klägerin ist durch die HEROS-Verantwortlichen getäuscht worden.
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, deren Schneeballsystem habe Täuschungselemente enthalten. Wie auch die Revision nicht in Abrede nimmt, bedingte dieses System laufende vertragswidrige Zugriffe auf transportiertes Geld, um auf diese Weise den Ausgleich jeweils zuvor geschaffener Defizite zu ermöglichen. Nur so ließ sich der Geschäftsbetrieb der HEROS-Gruppe aufrechterhalten. Damit Kunden weiterhin bereit waren, dieser große Bargeldmengen zum Transport anzuvertrauen, war es aus Sicht der HEROS-Verantwortlichen unabdingbar, die laufenden Vertragsverstöße vor den Kunden zu verbergen. Das geschah zum einen durch Verschweigen der Geschäftspraktiken, zum anderen durch Beschwichtigung der Kunden, falls deren Misstrauen im Einzelfall durch verzögerte Einzahlungen geweckt zu werden drohte. Beide Verhaltensweisen erfüllen den Tatbestand einer Täuschung im Sinne von § 263 StGB und § 2 1. e) AVB.
(1) Schon das Verschweigen des Schneeballsystems stellt eine Täuschung durch Unterlassen dar. Die HEROS-Gruppe traf dabei kraft der vertraglich übernommenen besonderen Vertrauensstellung eine Garantenpflicht, der zufolge sie offenlegen musste, dass transportiertes Geld anders verbucht wurde als vertraglich geschuldet.
Ein Unterlassen ist nach § 13 Abs. 1 StGB nur strafbar, wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt und die Untätigkeit der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch aktives Tun entspricht. Für die objektive Zurechnung reicht es nicht aus, dass eine mögliche Handlung diesen Erfolg verhindert hätte. Vielmehr setzt die Gleichstellung des Unterlassens mit aktivem Handeln weiter voraus, dass der Täter als "Garant" für die Abwendung des strafbewehrten Erfolgs einzustehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 - 1 StR 162/00, wistra 2000, 419 unter II 1).
Zur Ermittlung einer solchen Garantenstellung bedarf es einer Abwägung der Fallumstände unter Berücksichtigung der Interessenlage und des Verantwortungsbereichs der Beteiligten. Vertragliche Pflichten aus gegenseitigen Rechtsgeschäften genügen dafür nicht ohne weiteres (BGH aaO m.w.N.). Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten. Diese können in einem besonderen Vertrauensverhältnis oder einer ständigen Geschäftsverbindung begründet sein.
So liegt der Fall hier. Kraft des Transportvertrages hatte es die HEROS-Gruppe übernommen, große Geldmengen für ihre Auftraggeber zu transportieren. Diese Dienste wurden - auch von der Klägerin - gerade zu dem Zweck beansprucht und bezahlt, sich angesichts der mit dem Transport großer Geldsummen einhergehenden Gefahren vor Verlusten zu schützen. Das bedingt ein besonderes Vertrauensverhältnis der Vertragsparteien, weil die Zusage des Werttransportunternehmens, das Transportgut unter Einsatz besonderer Sachkunde und Mittel vor Verlust zu schützen, ein gesteigertes Vertrauen der Klägerin darauf erforderte und rechtfertigte, dass das Werttransportunternehmen mit dem ihm anvertrauten Geld vereinbarungsgemäß verfuhr. Die Klägerin lief anderenfalls Gefahr, nicht allein die bezahlte Transportleistung, sondern vor allem das ihrem Vertragspartner anvertraute Geld zu verlieren, welches den wirtschaftlichen Wert der vertraglich vereinbarten Dienstleistung regelmäßig um ein Vielfaches überstieg.
(2) Zu Recht hat das Berufungsgericht zudem in den zahlreichen Schreiben der Firma NordCash, die der Vertuschung der wahren Ursachen für Einzahlungsverzögerungen dienten, bedingungsgemäße Täuschungshandlungen gesehen.
bb) Die vorgenannten Täuschungen haben bei den zuständigen Mitarbeitern der Klägerin einen Irrtum über die Geschäftspraktiken der HEROS-Gruppe hervorgerufen bzw. aufrechterhalten.
cc) In der Übergabe der Filialeinnahmen vom 17. und 18. Februar 2006 an die jeweils mit der Geldentsorgung beauftragten HEROS-Angestellten liegt eine Vermögensverfügung, die das Vermögen der Klägerin i.S. von § 263 Abs. 1 StGB geschädigt hat.
Ein solcher Schaden kann auch schon durch die konkrete Gefährdung des Vermögens eintreten, wenn diese nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeutet. Das ist der Fall, wenn die Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils bereits im Zeitpunkt der Verfügung so groß ist, dass sie eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395; BGH, Urteil vom 5. November 2003 - 1 StR 287/03, NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung wird von der Rechtsprechung jedenfalls dann angenommen, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGH, Urteil vom 20. Juli 1966 - 2 StR 188/66, BGHSt 21, 112, 113). Dem steht auch nicht die - in gleicher Weise für das Merkmal des Vermögensschadens nach § 263 Abs. 1 StGB relevante (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 3 StR 115/11, wistra 2011, 387 Rn. 7) - neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vermögensnachteil i.S. des § 266 StGB (BVerfGE 126, 170, 205 ff.) entgegen, soweit sich der Gefährdungsschaden hinreichend konkret beziffern lässt (BVerfG aaO 211 f.).
Das ist hier der Fall. Da das von der HEROS-Gruppe etablierte System der vertragswidrigen Verwendung von transportiertem Geld gerade darauf gerichtet war, Kundengelder nach Bedarf eigenmächtig zu verwenden und zu verschieben, da weiter am 17. und 18. Februar 2006 der wirtschaftliche Zusammenbruch der HEROS-Gruppe infolge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unmittelbar bevorstand, begründete schon die Hingabe des Transportguts für die Klägerin die konkrete Gefahr des vollständigen Verlustes. Die späteren Ausgleichszahlungen des Insolvenzverwalters der HEROS-Gruppe konnten lediglich den zuvor schon entstandenen Schaden teilweise ersetzen.
dd) Die dargelegten Täuschungen waren ursächlich für die Verfügungen der Klägerin und die daraus folgenden Vermögensgefährdungen. Zu Unrecht meint die Revision, die Verfügungen seien nicht unmittelbare Folge der Täuschungen gewesen. Das wäre nur dann anzunehmen, wenn zwischen Täuschung und Verfügung Umstände getreten wären, die die Annahme rechtfertigten, die Klägerin hätte den HEROS-Unternehmen das Transportgut auch bei Kenntnis des Schneeballsystems anvertraut. Solche Umstände sind nicht ersichtlich, sie werden auch von der Revision nicht aufgezeigt. Es liegt auf der Hand, dass die in der Übergabe von Millionenbeträgen liegenden Vermögensverfügungen unterblieben wären, wenn die für die Transportaufträge zuständigen Mitarbeiter der Klägerin die tatsächliche Handhabung der Einzahlungen durch die HEROS-Unternehmen gekannt hätten. Allein die Tatsache, dass zwischen dem letzten Schreiben der Firma NordCash vom 4. Januar 2006 und den Geldtransporten vom 17. und 18. Februar 2006 ein Zeitraum von etwa sechs Wochen lag, in dem die Klägerin - möglicherweise auch infolge des seinerzeit noch funktionierenden Schneeballsystems - trotz zahlreicher Transporte keine Schäden bemerkte, lässt die Kausalität der Täuschung für die Vermögensverfügung nicht entfallen.
ee) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der subjektive Betrugstatbestand sei erfüllt, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
(1) Die für den Geschäftsbetrieb der HEROS-Unternehmen Verantwortlichen handelten in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, wurden im Rahmen des Schneeballsystems "frisch" zu Transportzwecken vereinnahmte Gelder regelmäßig dazu genutzt, eigene Verbindlichkeiten der HEROS-Unternehmen zu tilgen und die auf anderen Kundenkonten zuvor verursachten Fehlbeträge auszugleichen. Darin liegt ein rechtswidriger Vermögensvorteil, denn die Transportaufträge berechtigten die HEROS-Gruppe nicht dazu, in dieser Weise mit dem ihr allein zu Transportzwecken anvertrauten Geld zu verfahren.
(2) Auch im Übrigen sind die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen eines Betruges erfüllt. Das Berufungsgericht durfte aus dem objektiven Tatgeschehen folgern, die HEROS-Verantwortlichen hätten gewusst, dass sie das Schneeballsystem vor ihren Auftraggebern verheimlichten. Auch die Annahme, sie seien davon ausgegangen, im Falle einer Offenlegung keine Transportaufträge und mithin kein Transportgeld mehr zu erhalten, und hätten mit ihren Täuschungen die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes bezweckt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Revision darzulegen versucht, insbesondere die Entschuldigungsschreiben der Firma NordCash hätten ausschließlich dem Zweck gedient, vorangegangene Untreuehandlungen zu verschleiern, zeigt diese revisionsrechtlich unbehelfliche eigene Würdigung der Tatumstände keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf.
Soweit die Revision abweichend von den Feststellungen des Berufungsgerichts darauf verweist, es sei der HEROS-Geschäftsleitung ausweislich der strafrichterlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Hildesheim unmittelbar vor ihrer Festnahme nur noch darum gegangen, das Schneeballsystem zu beenden und nach Möglichkeit mit den letzten Transportgeldern vorwiegend Fehlbeträge bei von Insolvenz bedrohten Kleinkunden auszugleichen, schließt dies einen Betrugsvorsatz nicht aus. Jede eigenmächtige Verteilung anvertrauten Geldes stellt die Nutzung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils dar, mag sie auch von dem behaupteten sozialen Anliegen geleitet sein.
c) Der Annahme eines versicherten Täuschungsschadens durch Betrug steht nicht entgegen, dass die Verantwortlichen der HEROS-Gruppe allein wegen zahlreicher rechtlich zusammentreffender Fälle der Untreue i.S. von § 266 StGB verurteilt worden sind. Der Versicherungsnehmer einer Vertrauensschadenversicherung wird bei Lektüre des § 2 1. e) AVB erkennen, dass der dortige Rückgriff auf den Betrugstatbestand allein dazu dient, das versicherte Geschehen zu beschreiben und von anderen, nicht versicherten Sachverhalten abzugrenzen. In diesem Verständnis kann er sich dadurch bestärkt fühlen, dass die Klausel nicht auf die Strafbarkeit oder Bestrafung des Schädigers wegen Betruges, sondern allein darauf abstellt, ob das schädigende Verhalten eine "Form des Betruges" darstellt. Der Versicherungsnehmer wird deshalb auch nicht auf den Gedanken kommen, der Versicherungsschutz solle entfallen, wenn das Verhalten des Schädigers zugleich weitere Tatbestände des Strafgesetzbuches erfüllt, die möglicherweise sogar eine Bestrafung des Schädigers wegen Betruges aus Konkurrenzgründen verhindern. Die strafrechtliche Konkurrenzlehre kennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht. Sie dient überdies allein dem Zweck, bei Verwirklichung mehrerer Strafnormen diejenigen Bestimmungen zu ermitteln, deren Strafdrohung die konkrete Strafe zu entnehmen ist. Das ist jedoch für die Beschreibung des Versicherungsfalles ohne Belang. Deswegen kann offen bleiben, ob eine Untreue i.S. des § 266 Abs. 1 StGB für sich genommen auch als eine "Form des Betruges" i.S. des § 2 1. e) AVB anzusehen wäre.
d) Der Täuschungsschaden ist der Klägerin in versicherter Zeit zugefügt worden.
Allerdings besteht Versicherungsschutz nach § 2 1. e) AVB erst seit dem 1. Januar 2006 und bestimmt die Anschlussklausel in Nr. 9 der Police vom 14. Februar 2006, dass auf bis zur Umstellung des Versicherungsschutzes verursachte Schäden die zuvor geltenden Versicherungsbedingungen anzuwenden sind.
aa) Die hier in Rede stehenden Schäden sind aber nach dem 1. Januar 2006 verursacht worden. Ihr Eintritt hatte jeweils durch Täuschung verursachte Vermögensverfügungen zur Voraussetzung, die die Klägerin am 17. und 18. Februar 2006 vorgenommen hat. Ob die vorgenannte Anschlussklausel Leistungsfreiheit der Beklagten zur Folge hätte, wenn die ursächliche Täuschungshandlung vor der Vertragsumstellung begangen worden wäre, kann offen bleiben, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch die mit Schreiben der Firma NordCash vom 4. Januar 2006 verübte Täuschung mitursächlich für den eingetretenen Schaden war. Weiter bestand auch im Jahre 2006 die oben erörterte Pflicht der HEROS-Verantwortlichen zur Offenlegung ihrer Geschäftspraktiken fort. Schon die Mitursächlichkeit jeder der beiden in die versicherte Zeit fallenden Täuschungen für die Schäden genügt, um den Eintritt der Versicherungsfälle im Jahre 2006 zu begründen.
bb) Auch wenn den Auftraggebern der HEROS-Gruppe deren Geschäftsgebaren über einen langen Zeitraum verschwiegen worden ist, liegt ein gedehnter - bereits in vorversicherter Zeit begonnener - Versicherungsfall nicht vor. Wesensmerkmal eines gedehnten Versicherungsfalles ist nicht sein schrittweises Eintreten, sondern die Fortdauer des bereits mit seinem Eintritt geschaffenen Zustandes über einen - mehr oder weniger langen - Zeitraum, sofern diese Fortdauer nicht nur bestimmend ist für die Pflicht des Versicherers zur Erbringung einer einmaligen Versicherungsleistung, sondern deren Umfang im Einzelfall erst bestimmt. Gedehnte Versicherungsfälle sind beispielsweise in der Krankheitskosten-, der Unfall-, der Berufsunfähigkeits- oder der Betriebsunterbrechungsversicherung anerkannt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 - IVa ZR 21/88, BGHZ 107, 170, 173; vom 22. Februar 1984 - IVa ZR 63/82, VersR 1984, 630 unter III; vom 14. November 1957 - II ZR 176/56, VersR 1957, 781 unter I; vom 3. Juni 1981 - IVa ZR 121/80, VersR 1981, 875). Die hier in Rede stehende Versicherung von Täuschungsschäden kennt demgegenüber typischerweise keine gedehnten Versicherungsfälle, weil die Versicherungsleistung nach § 2 1. e) AVB für jeden eingetretenen Täuschungsschaden jeweils nur eine Ausgleichzahlung vorsieht, die sich nicht durch bloßen Zeitablauf erhöht. Versicherungsfall ist mithin nicht die fortlaufende Täuschung der Versicherungsnehmerin, sondern erst jeder infolge einer täuschungsbedingten Verfügung eintretende Vermögensschaden.
cc) Aus dem Senatsurteil vom 23. Januar 1991 (IV ZR 173/90, VersR 1991, 417 unter II) ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Senat dort angenommen, der in 56 Teilakten verübte rechtswidrige Zugriff eines Sparkassenmitarbeiters auf Kundenkonten stelle einen einheitlichen Versicherungsfall der dort zugrundeliegenden Eigenschadenversicherung dar. In den dortigen Versicherungsbedingungen war aber - anders als hier - ausdrücklich geregelt, mehrfaches auf gleicher oder gleichartiger Fehlerquelle beruhendes Tun oder Unterlassen gelte als einheitlicher Verstoß, wenn die betreffenden Angelegenheiten miteinander in rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stünden.
2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, die Täuschungsschäden seien von Vertrauenspersonen der Klägerin nicht grob fahrlässig mitverursacht worden (§ 14 5. a) AVB). Die Revisionsführerin versucht lediglich, ihre eigene Würdigung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung zu setzen. Deshalb kann offen bleiben, ob § 14 5. a) AVB einer Klauselkontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB standhielte.
3. Soweit das Berufungsgericht eine vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit aus § 12 1. AVB, den Versicherungsfall unverzüglich anzuzeigen nicht festgestellt hat, steht dies im Einklang mit der Senatsrechtsprechung, der zufolge ein allgemeiner Erfahrungssatz besteht, dass sich kein vernünftiger Versicherungsnehmer durch vorsätzliche Nichterfüllung einer Anzeigeobliegenheit Rechtsnachteile in seinem Deckungsverhältnis zum Versicherer zuziehen will (vgl. Senatsurteil vom 3. Oktober 1979 - IV ZR 45/78, VersR 1979, 1117 unter II 5). Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht dargelegt, die erstmals im Dezember 2008 erhobene und mithin objektiv verspätete Schadenanzeige habe keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Feststellung oder den Umfang der Versicherungsleistung gehabt (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F.).
4. Der Leistungsanspruch ist nicht verjährt.
Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren gemäß dem hier noch maßgeblichen § 12 Abs. 1 VVG a.F. in zwei Jahren. Nach Satz 2 dieser Vorschrift beginnt die Verjährung mit Schluss des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Entstehung, sondern die Fälligkeit des Anspruchs an. Es muss also Klage auf sofortige Leistung erhoben werden können (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2002 - IV ZR 40/01, VersR 2002, 698 unter 2 m.w.N.).
a) Geldleistungen des Versicherers sind gemäß § 11 Abs. 1 VVG a.F. mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig. Diese Vorschrift wird von § 16 1. AVB in zulässiger Weise (§ 15 a VVG a.F.) modifiziert (vgl. dazu Senatsurteil vom 13. März 2002 aaO unter 2 a). Danach wird die Entschädigung geleistet, sobald die Leistungspflicht dem Grunde und der Höhe nach nachgewiesen ist.
Letzteres wird der bei Verträgen der vorliegenden Art geschäftserfahrene durchschnittliche Versicherungsnehmer dahin verstehen, dass der geforderte Nachweis gegenüber dem Versicherer und nicht lediglich anderweitig erbracht sein muss. Das ergibt sich schon aus § 11 VVG a.F., der für die Fälligkeit der Versicherungsleistung auf den Abschluss der Erhebungen des Versicherers zur Feststellung des Versicherungsfalles und seiner Leistungspflicht abstellt. Weiter bestimmt § 16 1. Abs. 2 AVB, dass lediglich Teilbeträge auszuzahlen sind, wenn nur für sie die Leistungspflicht festgestellt ist. Da die Leistungspflicht des Versicherers vorgerichtlich nur durch diesen selbst festgestellt werden kann, wird der Versicherungsnehmer nicht annehmen, dass bereits die anderweitig - etwa im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens - getroffene Feststellung, der Versicherungsnehmer sei durch Täuschung geschädigt worden, die Fälligkeit der Versicherungsleistung begründet.
b) Hat der Versicherer die Leistung nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt endgültig und umfassend abgelehnt (vgl. dazu Senatsurteil vom 27. Februar 2002 - IV ZR 238/00, VersR 2002, 472 unter 1 b), hängt der Eintritt der Fälligkeit und damit auch der Verjährungsbeginn von der Mitwirkung des Anspruchstellers, insbesondere seiner Schadenanzeige und der Vorlage der zum Nachweis des Versicherungsfalles erforderlichen Unterlagen ab. Unterbleibt diese Mitwirkung, ergibt sich weder aus den hier vereinbarten Versicherungsbedingungen noch aus den gesetzlichen Verjährungsvorschriften ein früherer Verjährungsbeginn. Die Verjährung kann mithin grundsätzlich nicht vor den Mitwirkungshandlungen des Anspruchstellers zu laufen beginnen, selbst wenn diese über einen längeren Zeitraum hinweg nicht vorgenommen werden. Einen allgemeinen Grundsatz, dass bei Ansprüchen mit einer von der Disposition des Gläubigers abhängenden Fälligkeit die Verjährung schon in dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Gläubiger die Fälligkeit herbeiführen kann, gibt es nicht (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2002 aaO unter II 2 a m.w.N.).
aa) Für die Auffassung der Revision, es komme darauf an, wann die Klägerin die Versicherungsleistung mit Blick auf die Beweislage in dem gegen die HEROS-Verantwortlichen geführten Ermittlungsverfahren oder infolge der Erkenntnisse aus dem Insolvenzverfahren der HEROS-Unternehmen hätte verlangen können, gibt es keine Rechtsgrundlage. Es bliebe im Übrigen unklar, wonach sich der hierfür maßgebliche Zeitpunkt bestimmen sollte. Ebenso wenig kann die Verjährung - etwa in Anlehnung an die für die Nichtausübung eines Kündigungs- oder Anfechtungsrechts geltenden Bestimmungen der §§ 199, 200 BGB a.F. - bereits mit der bloßen Möglichkeit beginnen, die erforderlichen Unterlagen einzureichen. Dies würde bei zögernden Anspruchstellern den Verjährungsbeginn in einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Weise vorverlegen (vgl. Senatsurteile vom 13. März 2002 aaO; vom 4. November 1987 - IVa ZR 141/86, VersR 1987, 1235 unter 3).
Schließlich kann auch nicht auf ein etwaiges Verschulden des Versicherungsnehmers abgestellt werden. Andernfalls würde ein dem Gesetz in diesem Zusammenhang fremdes Merkmal eingeführt, das die Feststellung des maßgeblichen Zeitpunkts ebenfalls nicht verlässlich genug ermöglichte (Senatsurteile vom 13. März 2002 und 4. November 1987 aaO m.w.N.). Eine Vorverlegung des Verjährungsbeginns kann nur in Betracht kommen, wenn der Versicherungsnehmer durch Verweigerung seiner "Mitwirkung" gegen die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben verstößt (§§ 162 Abs. 1, 242 BGB; vgl. Senatsurteil vom 13. März 2002 aaO; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rn. 11). Die Darlegungs- und Beweislast für einen derartigen Verstoß trägt der Versicherer, der sich auf die Einrede der Verjährung beruft (vgl. Römer aaO). Für eine solche Treuwidrigkeit der Klägerin ist hier aber nichts ersichtlich.
bb) Da die Klägerin die Versicherungsleistung erstmals mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 geltend gemacht hat und die Beklagte damit erst zum Ende des Jahres 2008 in die Lage versetzt war, mit ihren Erhebungen zur Prüfung ihrer Leistungspflicht zu beginnen, konnte die zweijährige Verjährungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG keinesfalls vor Ablauf des Jahres 2008 einsetzen. Somit ist die der Beklagten am 25. Januar 2010 zugestellte Klage in unverjährter Zeit erhoben.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller