Entscheidungsdatum: 09.11.2011
Geldtransport IV
Zum Begriff des Versicherungsfalles in einer Geld- und Werttransportversicherung, wenn die Versicherungsnehmerin Bargeld nicht entsprechend den Vorgaben des Transportvertrages zur Geldversorgung beim Auftraggeber abliefert.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Juli 2010 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin, eine Genossenschaftsbank, begehrt Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einer von der A. S. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) bei den Beklagten im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr 2005 genommenen Geld- und Werttransportversicherung (Vertrag CLS 100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen Auftraggeber der Geldentsorgung und -versorgung.
Geschäftsführer der A. GmbH verwendeten seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A. GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäftspraktiken im Sommer 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.
Die Klägerin macht einen Schaden aufgrund einer unterbliebenen Befüllung von Geldautomaten in Höhe von 3.224.000 €, einen Fehlbetrag von 250.000 € infolge nicht erfolgter Rückführung einer Geldmenge, die ursprünglich ebenfalls zur Bestückung eines Geldautomaten vorgesehen war, und weitere Schäden in Höhe von insgesamt 471.765 € im Zusammenhang mit der von der Klägerin in Auftrag gegebenen Bargeldentsorgung und -versorgung geltend. Hiermit war die A. GmbH auf der Grundlage eines mit der Klägerin geschlossenen "Vertrages über den Transport, die Bearbeitung und die Verwahrung von Bargeld und sonstigen Werten" (im Folgenden: Transportvertrag) betraut.
Die Klägerin beruft sich unter Berücksichtigung eines zurückerhaltenen Betrages von 652.750 € im Hauptantrag auf einen - jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten - Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag. Mit dem Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A. GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.
Das Landgericht hat den Beklagten zu 1 auf den Hauptantrag zur Zahlung anteiliger Versicherungsleistung wegen des Fehlbetrages von 250.000 € und der unterbliebenen Befüllung von Geldautomaten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klägerin auf ihre Berufung gegenüber der Beklagten zu 2 insofern ebenfalls aufgrund des Hauptantrages eine anteilige Versicherungsleistung zugesprochen, jedoch die weitergehende Berufung der Klägerin und diejenige des Beklagten zu 1 zurückgewiesen. Mit ihrer Revision wenden sich die Beklagten gegen ihre Verurteilung.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Versicherungsleistung, den sie geltend zu machen berechtigt sei, gegenüber den Beklagten entsprechend ihrer Beteiligungsquoten wegen des Fehlbetrages von 250.000 € und der unterbliebenen Befüllung von Geldautomaten mit 3.224.000 €, nicht jedoch wegen der weiteren behaupteten Schäden zu.
An die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 VB, Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zugleich ihre aus Ziffer 15.4 VB folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach Treu und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.
Die ursprünglich zur Befüllung eines Geldautomaten vorgesehene Geldmenge von 250.000 € habe nach Rückforderung durch die Klägerin im Wege der Bargeldentsorgung an diese zurückgeführt werden sollen. Daher ergebe sich ein Versicherungsfall aus drei unterschiedlichen Gründen.
Die nach Ziffer 3.1 VB versicherte Gefahr für das allein vom Versicherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der A. GmbH vorgenommene Vermischung des zu entsorgenden Geldes der Klägerin mit dem anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerin und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A. GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen, mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumentation sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib des an die A. GmbH übergebenen Geldes nachzuweisen.
Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin auf ein Konto der A. GmbH bei der Deutschen Bundesbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem Transportvertrag. Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung - gegebenenfalls auch nur stillschweigend - mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH einverstanden gewesen sei, habe diese nicht annehmen dürfen.
Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil davon auszugehen sei, dass die A. GmbH die zu entsorgenden Gelder nicht bei der Deutschen Bundesbank eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die Beklagten ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.
Hinsichtlich der unterbliebenen Bestückung von Geldautomaten mit einem Betrag von insgesamt 3.224.000 € liege ebenfalls ein Versicherungsfall vor. Diese Geldmenge sei der A. GmbH am 29. August 2006 von der Deutschen Bundesbank im Auftrag der Klägerin ausgezahlt worden, eine Befüllung von Automaten sei jedoch nicht erfolgt. Wenn dieses Geld mit dem anderer Auftraggeber vermischt oder auf ein Konto der A. GmbH eingezahlt worden sei, ergebe sich die Leistungspflicht der Beklagten aus den Überlegungen zur Geldentsorgung. Im Fall einer Bargeldunterschlagung durch einen Mitarbeiter der A. GmbH folge die Pflicht zur Leistung unmittelbar aus den Ziffern 2.1, 2.1.1, 3.1 und 3.1.2 VB.
Vom versicherten Schaden in Höhe von insgesamt 3.474.000 € sei ein der Klägerin zurückgezahlter Betrag von 652.750 € in Abzug zu bringen, so dass ein Anspruch in Höhe von 2.821.250 € verbleibe. Dieser sei nicht infolge der von den Beklagten erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien diese gegenüber der Klägerin aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB ausgeschlossen.
Die Klägerin treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles i.S. des § 61 VVG a.F. bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10 Mio. € in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht stand.
1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings richtig an, dass die Klägerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten nicht an die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 Satz 1 VB gebunden ist, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.
Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 (unter II 1) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer 15.4 Satz 1 VB vereinbarten - lediglich passiven - Prozessführungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hinaus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Berufen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach § 242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.
2. Einen nach Ziffer 3.1 VB versicherten Schaden hat das Berufungsgericht sowohl im Zusammenhang mit der von der A. GmbH geschuldeten Rückführung des ihr ursprünglich zur Befüllung eines Geldautomaten überlassenen Betrages (250.000 €) als auch bezüglich der unterbliebenen Befüllung von Geldautomaten (3.224.000 €) im Ergebnis zutreffend festgestellt.
a) Über die hier genommene Geld- und Werttransport-Versicherung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch- oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.; Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 21 ff.; a.A. Armbrüster, VersR 2011, 1081, 1082 f.).
b) Die Klägerin muss als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten Schutzbereich der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 41).
aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Verteilung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerin behauptet, durch eine vorsätzliche Straftat der A. GmbH zu Schaden gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versicherungsvertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 42 ff.).
bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin sind - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - auch nicht damit zu begründen, dass - wie von der Klägerin behauptet - die Geldbearbeitung durch die A. GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzureichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A. GmbH zum Transport anvertraut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A. GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Verbuchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.
c) Den danach erforderlichen Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfalles i.S. von Ziffer 3.1 VB hat die Klägerin für den zurückzuführenden Betrag von 250.000 € erbracht.
aa) Der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte "stoffliche" Zugriff erfordert einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorgesehene Sache manifestiert. Ein solcher Zugriff ist hier schon deshalb anzunehmen, weil die geschuldete Übergabe an die Deutsche Bundesbank nicht nach den Weisungen der Klägerin ausgeführt worden ist.
Daher kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerin behauptet - bereits vor Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank ein "stofflicher" Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten, den sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, steht fest, dass die A. GmbH das für die Klägerin zu entsorgende Bargeld letztlich vollständig auf bei der Deutschen Bundesbank unterhaltene eigene Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet einen Verstoß gegen die sie treffenden Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten "stofflichen" Zugriff.
Zwar lassen sich diese Pflichten nicht unmittelbar der für die Bargeldentsorgung maßgeblichen Regelung in Ziffer 1 der Anlage 2 zum Transportvertrag ("Vereinbarung über die Bearbeitung und Verwahrung sowie die Abholung von Werten") entnehmen, wonach "Bargeldbestände …, die aus Einzahlungen von Filialen des Auftraggebers stammen, … am zweiten Bankwerktag nach der Abholung Bundesbank-gerecht aufbereitet an die jeweilige Filiale der Deutschen Bundesbank zu Gunsten des Kontos des Auftraggebers einzuzahlen" sind. Die von der Klägerin erteilte Einzelanweisung zur Rückführung hat jedoch - wie die Revision im Ansatz zutreffend sieht - zum Inhalt, dass die Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank in der für die Geldentsorgung üblichen Art und Weise zu erfolgen hat. Daher ergeben sich die die A. GmbH treffenden Pflichten auch insofern aus Ziffer 1 der Anlage 2 zum Transportvertrag.
Dieser Regelung hat das Berufungsgericht entnommen, dass eine Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH nicht gestattet ist (Nicht-Konto-Verfahren). Damit hat es im Ergebnis den Transportvertrag in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausgelegt. Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II 2 a; Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 366/03, NJW-RR 2005, 581 unter II 2 a bb (2)).
Der Ausschluss einer Einzahlung auf ein Eigenkonto des Transporteurs im Rahmen des kontogebundenen Überweisungsverfahrens erschließt sich bereits daraus, dass das Bargeld nach dem Transportvertrag auf ein Konto der Klägerin oder eines der … (vgl. Anlage 3.3 zum Transportvertrag: "Einzahlung über Clearingbank") bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen ist. Gerade die Benennung dieser Konten als Zielkonto weist auf das Nicht-Konto-Verfahren, da sowohl die Klägerin als auch die … - anders als andere Auftraggeber der A. GmbH - berechtigt sind, eigene Konten bei der Deutschen Bundesbank zu unterhalten. Zur Geldentsorgung bedarf es in diesem Fall keiner Zwischenschaltung eines weiteren Kontos.
bb) Der "stoffliche" Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist hier erforderlich, dass zum einen das Transportgut der Deutschen Bundesbank überlassen wird und diese zum anderen die - den Vorgaben des Auftraggebers entsprechende - Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 c).
cc) Das Vorgehen der A. GmbH ist - wie das Berufungsgericht richtig sieht - auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin einer Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des Transportvertrages ergebenden Weisungen von vornherein zugestimmt oder diese zumindest stillschweigend geduldet hätte. Selbst bei unterstellter Kenntnis der Klägerin davon, dass sie im Zuge der Geldentsorgung Überweisungen von einem Eigenkonto der A. GmbH und nicht von demjenigen der … erhalten hat, ist nach den festgestellten Umständen zur Abwicklung des Geldtransports für ein stillschweigendes Abbedingen der vertraglichen Vereinbarung oder die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum. Denn dies hätte dazu geführt, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versicherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 d).
d) Darüber hinaus ist ein Versicherungsfall innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums bezüglich des Geldbetrages von 3.224.000 € eingetreten, der für Befüllung von Geldautomaten vorgesehen gewesen ist.
aa) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Deutsche Bundesbank auf Weisung der Klägerin am 29. August 2006 diesen Betrag an die A. GmbH ausbezahlt. Mit diesem Geld sind - auf der Grundlage des Transportvertrages - am Folgetag einzeln benannte Geldautomaten in genau angegebener Höhe zu befüllen gewesen. Das ist nicht erfolgt; der Verbleib des Geldes ist ungeklärt.
bb) Im Unterbleiben der im Rahmen des konkreten Transportauftrages geschuldeten Ablieferung der jeweiligen Geldmengen an den vorgesehenen Bestimmungsorten liegt bereits ein "stofflicher" Zugriff auf das Transportgut. Die A. GmbH unterbricht damit - nach außen erkennbar - den vereinbarten Ablauf der Geldversorgung. Sie handelt - wie im Fall einer vertragswidrigen Einzahlung zu entsorgender Gelder auf ein Eigenkonto - den vertraglichen Vorgaben zuwider und entzieht damit zugleich der Klägerin als Auftraggeberin die Möglichkeit zu bestimmen, wie mit dem Bargeld verfahren wird.
Dieser Zugriff liegt innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums. Das der A. GmbH im Rahmen der Geldversorgung überlassene Bargeld ist nicht "in die Obhut des berechtigten Empfängers" gelangt, da es nicht zu den von der Klägerin benannten Geldautomaten gebracht und dort eingesetzt worden ist.
Zur Annahme eines Versicherungsfalles bedarf es - anders als die Revision meint - daher keiner Feststellungen dazu, ob die A. GmbH das Geld zu anderen Zwecken verwendet hat, oder zu dessen weiterem Verbleib.
e) Der Klägerin ist mithin ein versicherter Schaden in Höhe von insgesamt 3.474.000 € (250.000 € + 3.224.000 €) entstanden. Da sie einen Betrag von 652.750 € zurückerhalten hat, verbleibt eine Leistungspflicht der Beklagten in Höhe von 2.821.250 €. Anhaltspunkte für einen geringeren Schaden oder eine weitere Reduzierung haben die Beklagten nicht dargetan.
3. Die Beklagten sind auch nicht - wie die Revision meint - deshalb nach §§ 130, 131 VVG a.F. i.V.m. § 79 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerin mit Blick auf eine etwaige Kenntnis von Pflichtverletzungen die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A. GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätte.
Selbst bei einer - wie von der Revision behauptet - fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerin ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§ 130, 131 VVG a.F. sind gemäß Ziffer 4.2.1 VB zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verstehen, dass eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.
4. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gedehnten Schadenfall abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10 Mio. € je Schadenfall den Anspruch der Klägerin nicht berührt. Jeder einzelne vertragswidrige Umgang mit zur Ent- oder Versorgung überlassenem Bargeld begründet einen "stofflichen" Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.
5. Das Berufungsgericht hat die Beklagten jedoch aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB zu Unrecht mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 26 ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offen bleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.
Das Berufungsgericht wird der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss angefochten haben.
III. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller