Entscheidungsdatum: 25.05.2011
Eine Auseinandersetzung über Ausgleichsansprüche gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen bergbaubedingter Erschütterungen fällt nicht unter den Risikoausschluss für "Bergbauschäden" i.S. von § 3 Abs. 1 Buchst. c ARB 94/2000 .
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts in Saarbrücken vom 22. Dezember 2009 als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 446,13 € wendet und sie im Übrigen durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen
eines Monats.
I. Die Klägerin zu 1 unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, in der ihr Ehemann, der Kläger zu 2, mitversichert ist und der die ARB-RU 2000 zugrunde liegen. Danach gewährt die Beklagte den Klägern Versicherungsschutz unter anderem für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dinglichen Rechten, die Grundstücke, Gebäude oder Gebäudeteile zum Gegenstand haben. Weiter enthalten die Bedingungen einen dem § 3 Abs. 1c ARB 94/2000 entsprechenden Risikoausschluss, wonach kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Bergbauschäden an Grundstücken und Gebäuden besteht.
Die Kläger begehren von der Beklagten Deckungsschutz für eine beabsichtigte Klage gegen die … AG, mit der sie Ausgleichsansprüche gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen bergbaubedingter Erschütterungen geltend machen wollen, die ihr Grundstück beeinträchtigen. Ferner verlangen sie Erstattung vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten.
Die Beklagte hat sich auf den Risikoausschluss nach § 3 Abs. 1c ARB-RU 2000 berufen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, mit der sie weiterhin Klageabweisung erstrebt.
II. Die Revision ist unzulässig, soweit die als Nebenforderung geltend gemachten Anwaltskosten betroffen sind. Das Berufungsgericht hat bezüglich dieses abtrennbaren Teils des Streitgegenstandes die Berufung als unzulässig angesehen. Damit setzt sich die Revision nicht auseinander, so dass es insoweit an der notwendigen Begründung gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO fehlt und die Revision gemäß § 552 ZPO zu verwerfen ist.
III. Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Revision gemäß § 552a ZPO erfüllt.
1. Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dafür genügt es nicht, dass eine Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen abhängt. Erforderlich ist vielmehr, dass deren Auslegung über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist, die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits nicht nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02 - r+s 2004, 166 unter II 2 b) und die Rechtssache damit eine Rechtsfrage im konkreten Fall als entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291).
Dass diese Voraussetzungen hinsichtlich der allein im Streit befindlichen Frage, ob die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 906 Abs. 2 BGB für vom Bergbau ausgehende Erschütterungen unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 1c ARB 94/2000 fällt, erfüllt sein könnten, ist nicht ersichtlich.
2. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.
a) Die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Wahrnehmung dinglicher Rechte, da dieser Anspruch Ausfluss des Eigentums am Grundstück ist. Die Interessenwahrnehmung aus dinglichen Rechten umfasst Ansprüche aller Art, die aus dem dinglichen Recht entstehen können (Senatsurteil vom 5. Februar 1992 - IV ZR 94/91, für den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB). Dagegen wendet sich die Revision nicht.
b) Die Ausschlussklausel nach § 3 Abs. 1c ARB-RU 2000 greift nicht ein.
Die Auslegung des in ihr enthaltenen Begriffs der Bergbauschäden an Grundstücken und Gebäuden i.S. von § 3 Abs. 1c ARB 94/2000 richtet sich danach, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85).
aa) Ein solcher Versicherungsnehmer wird zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen, wobei für ihn ein Sprachgebrauch des täglichen Lebens, nicht etwa eine Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Vorbem. III Rn. 9 m.w.N.), maßgebend ist. Verbindet allerdings die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff, ist anzunehmen, dass darunter auch die Versicherungsbedingungen nichts anderes verstehen wollen. Dies trifft indes nicht für den auch in der Umgangssprache verwendeten Begriff von "Schäden" zu, der nicht eindeutig in den Bereich der Rechtssprache verweist, weil es dort keinen in seinen Konturen eindeutig festgelegten Schadenbegriff gibt (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182, 186 zum "Schadensersatz"). Die Reichweite der Klausel wird deshalb insbesondere nicht durch den Begriff des Bergschadens im Sinne der Legaldefinition des § 114 BBergG bestimmt.
bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Risikoausschlussklauseln eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2009 - IV ZR 110/07, VersR 2009, 1617 Rn. 10 m.w.N.).
Dies zugrunde gelegt, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer von "Bergbauschäden" nur ausgehen, wenn sich diese in Form von unmittelbaren Sachschäden in bleibender Weise "an" seinem Eigentum oder sonstigen dinglichen Recht manifestiert haben und mittelbare Beeinträchtigungen durch vom Bergbau ausgehende Emissionen nicht als von der Klausel erfasst ansehen. Denn sowohl in der Rechtssprache als auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden unmittelbare Schäden an einem Recht oder Rechtsgut selbst und mittelbare Beeinträchtigungen (Vermögensfolgeschäden) unterschieden (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002, aaO S. 188). Somit legt schon der Wortlaut der Klausel es nahe, nur mit Substanzbeeinträchtigungen verbundene Schäden unter den Begriff der "Bergbauschäden" im Sinne der Ausschlussklausel zu fassen.
cc) Zu einem anderen Ergebnis gelangt der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch dann nicht, wenn er den Sinn und Zweck der Klausel in den Blick nimmt. Insoweit wird er erkennen, dass der Versicherer jedenfalls für Kostenrisiken nicht einstehen will, die sich aus Auseinandersetzungen wegen Substanzschäden infolge von Bergbaumaßnahmen ergeben, zum einen weil dieses Risiko nur schwer überschaubar ist, zum anderen weil eine nur kleine, regional begrenzte Anzahl von Versicherungsnehmern von diesem Risiko betroffen ist. Dass die weit überwiegende Zahl der niemals gefährdeten Versicherungsnehmer mit ihren Beiträgen auch dieses Risiko deckt, ist nicht der Sinn der Risikogemeinschaft (Harbauer/Maier, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 3 ARB 2000 Rn. 31; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2005, 397; vgl. ferner Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02, VersR 2003, 454 zur so genannten Baurisikoklausel).
Dass dies aber in gleicher Weise für Auseinandersetzungen über Ausgleichsansprüche wegen duldungspflichtiger Immissionen gelten soll, erschließt sich ihm nicht. Beeinträchtigungen durch Immissionen sind nicht allein bergbautypisch. Die Duldungspflicht, Einwirkungen wie die Zuführung unwägbarer Stoffe oder Erschütterungen nach § 906 Abs. 1 BGB hinnehmen zu müssen, trifft viele Grundstückseigentümer in der Nachbarschaft landwirtschaftlicher, gewerblicher oder industrieller Betriebe. Von diesem Risiko ist keineswegs nur eine regional begrenzte Anzahl von Versicherungsnehmern betroffen. Es ist deshalb auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Klausel für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ersichtlich, dass das Risiko der Auseinandersetzung über hieraus resultierende Ausgleichsansprüche vom Deckungsschutz ausgenommen sein soll.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.